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Therapie kann auch ohne Rezept von der Umsatzsteuer befreit sein

Finanzgericht Schleswig-Holstein entscheidet

Therapie kann auch ohne Rezept von der Umsatzsteuer befreit sein

Auch ohne eine ärztliche Verordnung kann Therapie als Heilmittel von der Umsatzsteuer befreit sein, hat das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht entschieden und sich damit gegen ein entsprechendes Schreiben des Bundesfinanzministeriums gewandt. Das Urteil liegt jetzt im Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof zur endgültigen Entscheidung.

up 11-2011
Fotocredit: Fotolia, WoGi

Die Behandlungen in einer Physio-, Ergotherapie-, Logopädie- oder Podolgiepraxis sind in der Regel Heilbehandlungen und damit gemäß § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Voraussetzung für die Umsatzsteuerbefreiung ist es allerdings, dass die Praxis nachweisen kann, dass es sich auch wirklich um eine Heilbehandlung handelt. Dafür haben die Finanzämter die Hürde hoch gelegt. „Für Leistungen aus der Tätigkeit von Gesundheitsfachberufen kommt die Steuerbefreiung grundsätzlich nur in Betracht, wenn sie aufgrund ärztlicher Verordnung bzw. einer Verordnung eines Heilpraktikers oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werden“, hat das Bundesfinanzministerium festgelegt. Das hat für Praxisinhaber, die Selbstzahlerleistungen anbieten, Mehraufwand und/oder Steuerzahlungen zur Folge.

Heilbehandlung auch anders nachweisbar?!

Abweichend von der Auffassung des Bundesfinanzministeriums hat das das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG S-H) in einem Urteil entschieden, dass Podologen auch ohne ärztliche Verordnung steuerbefreite Heilbehandlungen erbringen können: „Eine ärztliche Verordnung ist […] nur dann notwendige Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbefreiung, wenn das Vorliegen einer Heilbehandlung nicht in anderer Weise nachgewiesen werden kann“, schreibt das FG S-H dazu in seiner Urteilsbegründung.

Grundsätzlich gilt, dass die Heilmittelpraxis nachweisen muss, dass die Voraussetzungen zur Steuerbefreiung vorliegen. Das geht problemlos über die Vorlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Verordnung eines (sektoralen) Heilpraktikers. Nun sind die Finanzämter der Auffassung, dass alles was nicht ausdrücklich verordnet worden ist, grundsätzlich keine Heilbehandlung darstellt und damit Umsatzsteuerpflichtig ist: „Behandlungen durch Angehörige von Gesundheitsfachberufen im Anschluss/Nachgang einer Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers sind grundsätzlich nicht als steuerfreie Heilbehandlung anzusehen, sofern für diese Anschlussbehandlungen keine neue Verordnung vorliegt“, hat das Bundesfinanzministerium festgelegt.

Diese Sicht der Finanzbehörden lässt sich medizinisch allerdings kaum nachvollziehen. Denn wenn ein Patient im Zusammenhang mit seiner Behandlung einfach mehr Therapiezeit dazu kaufen möchte, dann liegt die medizinische Indikation unzweifelhaft vor, auch wenn der Arzt diese Zusatzzeit nicht ausdrücklich verordnet hat. In anderen Fällen möchten Patienten nach Ablauf des Regelfalls die Behandlung fortsetzen, obwohl der Arzt keine Verordnung zu Lasten der GKV mehr ausstellen will. Auch in diesem Fall liegt die medizinische Indikation zweifelsfrei vor. Wichtig für eine mögliche Steuerprüfung ist allerdings, dass aus der Patientendokumentation dieser Bezug zur Diagnose zweifelsfrei zu erkennen ist.

Einspruchsverfahren ruhen vorübergehend

Die Finanzbehörden haben inzwischen auf das Urteil des FG S-H reagiert und bis zur endgültigen Entscheidung des Bundesfinanzhofs eine Pause eingelegt: „Sofern sich Angehörige nichtärztlicher Heil- und Gesundheitsfachberufe für Behandlungen ohne Verordnung auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG berufen und die medizinische Indikation auf anderem Wege nachweisen, ruhen entsprechende Einspruchsverfahren…“, so die Oberfinanzdirektion in Frankfurt am Main.

Ganz konkret: Wichtig ist es bei allen Behandlungen den Krankheitsbezug eindeutig in der Patientendokumentation festzuhalten. Bei Prüfungen durch das Finanzamt lohnt es sich unter Umständen gegen Entscheidungen zum Thema Umsatzsteuer mit Hinweis auf das Urteil des FG S-H Einspruch einzulegen. Bis zur endgültigen Entscheidung über das Thema sollten Praxisinhaber ihr Risiko minimieren, indem Sie für alle Selbstzahlerleistungen ohne Verordnung die Preise so kalkulieren, dass für eine möglicherweise später zu zahlende Umsatzsteuer Rücklagen gebildet werden können.

Service: Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichtes vom 5.2.2014 (4 K 75/12) und die Verwaltungsanweisung der Oberfinanzdirektion Frankfurt/M vom 4.10.2014 (S 7170 A – 59 – St 16) können up|plus Kunden kostenlos bei der Hotline anfordern.

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Katja Krebber
18.02.2015 9:34

Eine Frage hätte ich zu diesem Artikel, wenn das Finanzamt… Weiterlesen »

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