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Rezeptbeanstandungen: Ohrfeige für AOK Baden-Württemberg

Rezeptbeanstandungen: Ohrfeige für AOK Baden-Württemberg

Gestern entschied das Sozialgericht Stuttgart in dem Verfahren zu den Prüfpflichten der Therapeuten, dass die bisherige Ablehnungspraxis der AOK rechtswidrig ist.

Das Sozialgericht Stuttgart hat gestern der AOK Baden-Württemberg untersagt, von Heilmittelerbringern zu verlangen, dass sie ärztliche Verordnungen auf Vollständigkeit und Vereinbarkeit mit den Heilmittel-Richtlinien überprüfen. Die AOK Baden-Württemberg darf damit bei fehlerhaften Verordnungen die Zahlungen der Behandlerhonorare nicht verweigern. Geschieht dies dennoch, droht der Kasse ein Ordnungsgeld von bis zu 50.000 Euro.
Die vollständige schriftliche Urteilsbegründung ist erst in ein paar Wochen zu erwarten, aber das Gericht sah keine gesetzliche Verpflichtung für Praxen, die Verordnungen anhand der Heilmittel-Richtlinien zu überprüfen und bei Widersprüchen Rücksprache mit dem Arzt zu halten, um den eigenen Honoraranspruch nicht zu gefährden. Die beiderseitigen Rechte und Pflichten der Behandler und der Krankenkassen ergeben sich aus den Rahmenverträgen auf Landesebene, die so eine Verpflichtung nicht vorsehen.
Wichtig in diesem Zusammenhang: Die Rechtsauffassung des Gerichts kann auf alle vergleichbaren Streitfälle in Deutschland übertragen werden; eine Ausnahme gilt nur für Hessen, weil dort die vertragliche Situation eine andere ist.
Da in dem Urteil die Unsitte, Honorare mit dem Verweis auf die fehlende Richtlinienkonformität zu verweigern, klar als rechtswidrig eingestuft wurde, können die betroffenen Therapeuten noch nachträglich Widerspruch einlegen und Honorare einfordern. Einen entsprechenden Musterbrief bieten wir auf https://www.praxiswissen24.de/musterbrief/ an.
Die AOK ist dabei nach Auffassung des Gerichts übrigens nicht zur Herausgabe der beanstandeten Rezepte verpflichtet. Heilmittelerbringer können jedoch in den Geschäftsstellen der AOK Einsicht in die dort archivierten Rezepte nehmen. In Zukunft ist es also für Therapeuten weiterhin wichtig, Kopien der eingereichten Rezepte vorzuhalten.
Für die AOK kommt dieses Urteil nicht unerwartet. So hatte die Kasse in den laufenden Verhandlungen über einen neuen Rahmenvertrag und eine neue Gebührenvereinbarung auch strukturelle Veränderungen wie Spezialisierung, Datenlieferung über Effizienzmessungen und eben auch eine Verordnungsprüfpflicht der Therapeuten vorgeschlagen. Die Verhandlungen laufen noch. In der außerordentlichen Mitgliederversammlung letzte Woche (wir berichteten) haben sich die Verbände eines klaren Verhandlungsmandats versichert. Inzwischen liegt nach Aussage der Verbände ein Kompromissangebot seitens der AOK auf dem Tisch.

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