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Unklarheiten sorgen für Verschlimmbesserung

Neue Rahmenempfehlung für Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie

Unklarheiten sorgen für Verschlimmbesserung

Die neue Rahmenempfehlung mit dem GKV-Spitzenverband für die Stimm-, Sprech- und Sprachtherapeuten liegt nun als Entwurf vor. Einigen leichten Verbesserungen stehen erheblich Mängel gegenüber. Ein Vertrag zwischen Partnern auf Augenhöhe sieht anders aus, denn in erster Linie werden die Bedürfnisse der Krankenkassen erfüllt. Bis Anfang Mai sollen sich die Patientenorganisationen zu dem Entwurf äußern. Danach dauert es nicht mehr lang bis zum endgültigen Abschluss. Höchste Zeit also für alle Logopädinnen und Logopäden, sich jetzt für deutliche Verbesserungen des Vertragsentwurfs einzusetzen.

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Im vergangenen Jahr haben die Stimm-, Sprech- und Sprachtherapeuten mit dem GKV-Spitzenverband separate Verhandlungen aufgenommen. Bislang gelten die „Gemeinsamen Rahmenempfehlungen gemäß § 125 Abs. 1 SGB V über die einheitliche Versorgung mit Heilmitteln“ aus dem Jahr 2006. Als Vertragspartner mit dabei sind praktisch alle Heilmittelverbände in Deutschland. Da die Verbände der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapeuten beschlossen haben, eine eigenständige Rahmenempfehlung auszuhandeln, würde man erwarten, dass sich etwas im Vergleich zu den aktuellen Rahmenempfehlungen getan hat. Diese Erwartungen werden jedoch nicht erfüllt.

Verbesserungen im Detail

Doch das Positive zuerst. Seit 2006 haben sich die Abrechnungsprüfungen und die daraus resultierenden Rechnungskürzungen der Krankenkassen deutlich verschärft. Mehrere Abschnitte des Entwurfs zum Thema „Gültigkeit der Verordnung“ und „Änderungsmöglichkeiten“ in der neuen Anlage 3 geben nun Anlass zur Freude. So können Logopäden zum Beispiel bei fehlendem oder falschen Indikationsschlüssel nach Rücksprache mit dem Arzt selbst ergänzen/korrigieren. Mehrfache Therapien pro Tag werden ausdrücklich erwähnt, wenn auch unter Genehmigungsvorbehalt der Kassen. Ganz ohne Genehmigung kann „bei erheblichen postoperativen Schluckstörungen … in einem Zeitraum von 14 Kalendertagen Schlucktherapie … mehrfach täglich zur Begleitung der Mahlzeiten abgegeben werden…“. Die Therapiemöglichkeiten werden so der Versorgungsrealität angepasst (§ 18 Abs. 5a). Auch bei der Laufzeit der Verordnung ist ausdrücklich vermerkt, dass Logopädie-Verordnungen durchaus eine Laufzeit von bis zu einem halben Jahr haben können. Die Möglichkeit, entsprechende Behandlungsintervalle zu nutzen, soll in den Rahmenverträgen auf Landesebenen berücksichtigt werden (§ 18 Abs. 5d). Bei fehlerhaften oder unvollständigen Verordnungen kann eine Behandlung begonnen werden. Voraussetzung: es muss sichergestellt sein, dass die Korrekturen/Ergänzungen vom Arzt durchgeführt werden, bevor die Verordnung abgerechnet wird (§19 Abs. 1). In der Leistungsbeschreibung wird bei der Befunderhebung der noch gültige aber unzutreffende Begriff „Behandlungszeit“ durch den zutreffenderen Begriff „Regelzeit“ ersetzt.

Zusammenfassend können die positiven Veränderungen als „Anpassung an die Versorgungsrealität“ bezeichnet werden. Den Kassen dürfte es nicht schwer gefallen sein, diesen Punkten zuzustimmen.

Viele neue Stolperfallen

Auf der anderen Seite finden sich aber in dem vorliegenden Entwurf viele, meist kleine Regelungen, die den Praxisinhabern das Leben nachhaltig schwer machen können. Diese können in den Rahmenverträgen auf Landesebenen leider nicht wieder aufgehoben werden. Deshalb sollte in den Rahmenempfehlungen auf Bundesebenen unbedingt ganz sauber gearbeitet werden.

Für folgende Regelungen werden Praxischefs wenig Verständnis aufbringen können:

Der zugelassene Praxisinhaber kann sich laut aktueller Rahmenempfehlung zum Beispiel bei Krankheit vertreten lassen. Neu eingefügt wurde, dass er eine solche Vertretung „mindestens 4 Wochen vor Beginn der Vertretung“ den Kassen mitgeteilt werden (§14). Der Sinn einer solchen Regelung erschließt sich nicht wirklich.

Zum Thema Wirtschaftlichkeitsprüfung sind immer noch keine konkreten Details zur Durchführung vereinbart worden. Man strebe an, „zu einem späteren Zeitpunkt, das Nähere zur Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung in diesen Rahmenempfehlungen zu regeln“ (§21 Abs. 9). Hier geht es um Praxisbegehungen, Vorlage der Verlaufsdokumentation, Nachweis von Qualitätsmanagement etc. Keine Kleinigkeiten also, sondern Szenarien, die bereits in Heilmittel-Praxen stattgefunden haben und deren Durchführungsbestimmung jetzt erneut auf später vertagt wird.

Dazu haben die Kassen Vertragsstrafen bis zu € 50.000 bei Fehlverhalten der Therapeuten vereinbart. Regelungen zu Verzugszinsen und Bearbeitungspauschalen für unrechtmäßige Rechnungskürzungen der Kassen werden dagegen nicht festgelegt.

Das größte Problem des Entwurfs ist aber die neue Anlage 3: „Notwendige Angaben auf Heilmittelverordnungen für Maßnahmen der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie“. Ziel sei es, die „unterschiedlichen Auslegungen der HeilM-RL hinsichtlich der notwendigen Angaben auf einer Verordnung“ zu vereinheitlichen und zu einer „einheitlichen Auslegung“ zu kommen. Hört sich gut an, ist im Detail aber nicht entsprechend umgesetzt. So fehlt in Punkt 2 „ Formerfordernis – Verordnung nur auf vereinbarten Vordrucken“ der Hinweis, dass die Vereinbarungen zwischen GKV und Ärzten keine Gültigkeit für die Heilmittelerbringer haben. Wird dieser hier nicht mehr eingefügt, werden einige Kassen die Änderungen in den Vordruckvereinbarungen gegen die Logopäden auslegen und Rechnungen kürzen.

Im nächsten Punkt „3. Formerfordernis – Bedruckung von Verordnungen durch den Arzt“ steckt das Problem schon in der Überschrift: „Bedruckung“. Schon länger versuchen Krankenkassen, die Zahlung von handschriftlich ausgefüllten Verordnungen zu verweigern. Dabei haben Ärzte zum Beispiel bei Hausbesuchen keine Möglichkeit, die Verordnungen zu bedrucken. Wird diese Rahmenempfehlung so verabschiedet, dürften Logopäden in Zukunft verstärkt mit Absetzungen wegen handschriftlicher Eintragungen zu kämpfen haben.

Die einzelnen Abschnitte bzw. Felder der Heilmittelverordnung (Muster 14) werden im Detail erläutert. Daraus ergeben sich allerdings neue Fragen, die geklärt werden müssen, bevor die Anlage 3 in Kraft tritt.

Im den folgenden Abschnitten nehmen wir Bezug auf die Nummerierung der Anlage.

3b) „Art der Verordnung“: Logopäden wird hier das Recht eingeräumt, erkennbare Fehler bei der Markierung als Erst-/Folgeverordnung oder Verordnung außerhalb des Regelfalls eigenständig zu korrigieren und den Arzt darüber zu informieren. Was hier fehlt, ist eine klare Regelung, wo und wie genau diese Korrektur vorgenommen werden soll, ohne dass dem Therapeuten „Urkundenfälschung“ oder Ähnliches vorgehalten wird.

3f) „ggf. der späteste Zeitpunkt des Behandlungsbeginns“: Ausgerechnet an dieser Stelle wurde die Möglichkeit für Logopäden unterschlagen, die Fristüberschreitung bei Behandlungsbeginn nach Rücksprache mit dem Arzt eigenständig zu heilen. Das ist in der Rahmenempfehlung im §18 Abs. 4a geregelt, taucht aber an dieser Stelle überraschenderweise nicht auf.

3g) „Verordnungsmenge“: Es wird festgelegt, dass ein Therapeut eine Veränderung der Verordnungsmenge auf der Verordnung vornehmen kann. Allerdings fehlt erneut das Wo und Wie.

3j) „Frequenzangabe“: Frequenzänderungen sind nach Rücksprache mit dem Arzt schon jetzt durch den behandelnden Therapeuten möglich. Neu ist die Regelung, dass bei fehlenden Frequenzangaben die Vorgaben des Heilmittel-Kataloges verbindlich anzuwenden sind. Es sollte noch einmal klargestellt werden, dass auch eine fehlende Frequenzangabe durch Rücksprache mit dem Arzt durch den Therapeuten ergänzt werden kann.

Etwas unklar ist in diesem Punkt die folgende Regelung: „In Ausnahmefällen kann eine Doppelbehandlung in Abstimmung mit dem Arzt durchgeführt werden.“ Es bleibt offen, ob es auch zu einer Doppelbehandlung kommen kann, wenn dies nicht ausdrücklich vom Arzt verordnet wird. Neuer Zündstoff also für mögliche Abrechnungsstreitereien mit bestimmten Krankenkassen.

3m) in Verbindung mit 3o) „ergänzende Hinweise“: Es wird von „zwingend erforderlichen Befunden“ des Arztes geschrieben mit dem Hinweis auf den Punkt 3o). Dieser wird allerdings als „optionale Angabe“ geführt und sieht keine zwingende Befunde vor. So stiftet die Anlage 3 hier mehr Verwirrung, als Klarheit für die Therapeuten, was denn nun nach Ansicht der Kassen zwingend erforderlich ist.

3q) ICD-Code oder Diagnose: In diesem Abschnitt geht es um die Praxisbesonderheiten und die Notwendigkeit, dass der Arzt den therapierelevanten ICD-Code aufträgt. „Fehlt die Angabe, dann soll der Therapeut dieses nach Rücksprache mit dem Arzt ergänzen. Die Änderung ist vom Therapeuten auf der Verordnung zu dokumentieren.“ Bedeutet das, der Therapeut füllt einfach das ICD-Code Feld aus? Wird die Verordnung bei fehlendem Code nicht abgerechnet? Woran erkennt der Therapeut, dass es sich bei der Verordnung um eine Praxisbesonderheit handelt, wenn der Arzt das schon nicht bemerkt hat? Fragen über Fragen ergeben sich aus dieser Regelung, die der Kürzungswillkür einiger Krankenkassen Tür und Tor öffnet.

Krankenkassen haben sich durchgesetzt

Die meisten Änderungen in dieser Rahmenempfehlung gehen wenig bis gar nicht über die Regelungen hinaus, die ohnehin schon durch die Kassen praktiziert werden (siehe auch Fragen-/Antwortenkatalog). Die Anlage 3 besteht in genau dieser Form schon seit dem 1.11.2011 für die Podologen und ist damit auch nicht neu und gesondert verhandelt.

Was also haben die Verbände der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapeuten bei dieser Rahmenempfehlung neu „verhandelt“? Auf Nachfrage erklärt der dbl dazu: „Gerade angesichts der in den letzten Jahren verstärkt auftretenden Abrechnungsprobleme war es dem dbl ein ganz besonderes Anliegen, die hieraus für logopädische Praxen erwachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten dem GKV-Spitzenverband deutlich zu machen und sich für praxistaugliche Regelungen einzusetzen. In überaus konstruktiven Gesprächen konnten Vorschläge für neue Rahmenempfehlungen erarbeitet werden, die nun in ein umfassendes Konsentierungsverfahren gegeben werden“. Konstruktiv kann man die Ergebnisse wohl nicht nennen, denn wirklich wichtige Positionen (Wirtschaftlichkeitsprüfung, Vertragsstrafe) sind genauso schlecht wie vorher. Die scheinbaren Verbesserungen bei der Verordnungsprüfung der Anlage 3 sind durch neue Unklarheiten in Wirklichkeit „Verschlimmbesserungen“.

Insgesamt ist es den Verbänden nicht gelungen, die Probleme der niedergelassenen Stimm-, Sprech- und Sprachtherapeuten auf Augenhöhe in angemessener Weise zu verhandeln. Doch Verbandsmitglieder können jetzt aktiv werden: Melden Sie sich bei Ihrem Verband und fordern Sie Nachbesserungen am Vertragswerk! Die oben genannten Punkte lassen sich zum Teil mit wenig Aufwand klarstellen, was auch im Interesse der Kassen sein sollte.

Zusätzlich kann man die Patientenorganisationen ansprechen. Die Patientenvertreter haben ein Stellungnahmerecht und sollten ebenfalls daran interessiert sein, dass alle Unklarheiten bezüglich der Gültigkeit von Verordnungen eindeutig geregelt werden. Wir können Ihnen auf Nachfrage gern die Adressen der Organisationen nennen, die aufgefordert worden sind, zu der Rahmenempfehlung Stellung zu nehmen.

Service: Den Entwurf der Rahmenempfehlung können Sie als PDF-Datei bei der up-premium-plus Hotline kostenlos abrufen.

Hintergrund: Rahmenempfehlungen gem. § 125 Abs. 1 SGB V werden vom GKV-Spitzenverband mit den Heilmittelverbänden auf Bundesebene abgeschlossen und verfolgen das Ziel, „bundesweit eine einheitliche, qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Versorgung mit Heilmitten zu gewährleisten“. Diese Rahmenempfehlungen sind damit die Vorgabe für die Rahmenverträge auf Landesebene. Daher gilt: Je besser und exakter die Rahmenempfehlungen sind, desto besser werden auch die Verträge auf Landesebene.

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Uwe Fischer
12.04.2013 13:46

Unsere Verbände – gerade der dbl auf Bundesebene – haben… Weiterlesen »

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