„Die Weichen für eine bessere Versorgung von Mukoviszidose-Patienten sind gestellt.“

Physiotherapie bildet einen wichtigen Baustein in der Behandlung von Mukoviszidose. Eine konsequente Atemphysiotherapie hilft, den zähen Schleim, der sich in den Atemwegen der Betroffenen bildet, zu lösen. Auf diese Weise wird Bakterien der Nährboden entzogen – die Häufigkeit von Bronchialinfektionen und Lungenentzündungen nimmt ab. Doch deutschlandweit fehlen Strukturen, die die ambulante medizinische Versorgung von erwachsenen Patienten sichert. 2017 übermittelte die Mukoviszidose e. V. dem Deutschen Bundestag eine Petition, in der sie auf die prekäre Versorgung aufmerksam macht und den Bundestag zum Handeln auffordern. Über ein Jahr passierte nichts, dann kam Bewegung in die Sache. Wir haben mit Stephan Kruip, Bundesvorsitzender des Mukoviszidose e.V., über die aktuellen Entwicklungen gesprochen. Herrn Kruip, was war das Hauptanliegen der Petition, die im Januar 2017 an den Bundestag gegangen ist? KRUIP: Eine demographische Prognose, die 2015 auf Basis von Patientendaten des Europäischen Mukoviszidose-Registers errechnet wurde, ergab, dass bis 2025 die Anzahl an Erwachsenen mit Mukoviszidose um 50 Prozent steigen wird. Doch so, wie die Versorgung der Patienten aktuell aufgestellt ist, stehen ihnen keine rosigen Zeiten bevor. In Deutschland fehlt es schon jetzt an allen Ecken und Kanten an spezialisierten Fachzentren, in denen insbesondere Erwachsene eine adäquate Mukoviszidose-Therapie erhalten. Viele von ihnen werden daher immer noch in der Pädiatrie behandelt. Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern? KRUIP: Mehr Fachzentren, die auf die Behandlung Erwachsener (und Kinder) ausgelegt sind, können die Situation entschärfen und bieten die besten Voraussetzungen für eine optimale Behandlung. Denn diese erfordert eine enge Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen – von Ärzten, Psychologen und Sozialdiensten bis hin zu speziell geschulten Physio- und Ernährungstherapeuten. Wir haben daher im Januar 2017 im Rahmen einer Petition den Bundestag aufgefordert, sich mit dem Problem zu befassen und rechtliche Regelungen zu schaffen, die die medizinische Versorgung der Mukoviszidose-Patienten und ihre ausreichende Finanzierung bundesweit einheitlich und nachhaltig absichert. Im Juni dieses Jahres tat sich dann endlich etwas. Sie sprechen sicher davon, dass die Petition Gehör gefunden hat. Wie ist der aktuelle Stand? KRUIP: Am 26. Juni 2019 verabschiedeten die Abgeordneten im Bundestag einstimmig eine Beschlussempfehlung, die Petition dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Erwägung zu überweisen und sie gleichzeitig den Landesparlamenten zuzuleiten. Was in Behördensprache so nüchtern klingt, ist als großer Erfolg zu bewerten, da der Petitionsausschuss eine Überweisung zur Erwägung nur sehr selten empfiehlt. Dies lässt darauf schließen, dass es ausreichend Anlass gibt, unser Anliegen noch einmal zu überprüfen und mögliche Lösungen zu suchen. Besonders große Versorgungdefizite von Mukoviszidose-Patienten gibt es in Bayern, das Bundesland bildet bundesweit das Schlusslicht. Auch dagegen hat der Verband eine Petition eingereicht – mit Erfolg? KRUIP: In Bayern gibt es zwar spezialisierte Einrichtungen, jedoch entsprechen sie oft räumlich und personell nicht den europäischen Behandlungsstandards. Es gibt zu wenig qualifizierte Fachkräfte, in vielen Zentren fehlt es an einer ausreichenden Anzahl an Betten. Die Finanzierung ist der Hauptknackpunkt. In unserer Petition forderten wir daher, mehr Geld bereitzustellen und die dramatischen Versorgungsdefizite in Bayern zu verbessern. Die Politik hat zugesichert, das Problem anzugehen. Es tut sich also auch auf Länderebene etwas. Was für Erfolge konnten sie als Bundesverband bisher noch verzeichnen? KRUIP: Wir sind noch lange nicht soweit, allen Mukoviszidose-Patienten eine flächendeckende, adäquate Behandlung zu ermöglichen. Die positiven Reaktionen aus Berlin auf unsere Petition zeigen uns jedoch, dass es sich lohnt, sich auch weiterhin dafür einzusetzen. Dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sich der Sache annimmt, ist der bisher größte Erfolg für uns, aber nicht der einzige. Die Petition hat bewirkt, dass seit dem 18. März 2017 Patienten mit Mukoviszidose nach bestimmten Vorgaben ambulant spezialfachärztlich in Kliniken und Praxen zu Lasten der GKV versorgt werden. Der G-BA hat im Zuge dessen zudem beschlossen, dass das Heilmittel "Ernährungstherapie" für die Indikationen Mukoviszidose in die Heilmittel-Richtlinie aufgenommen wird. Wir sind guter Hoffnungen, dass sich die ambulante medizinische Versorgung – zu der auch die Physiotherapie einen wichtigen Teil beiträgt – in naher Zukunft weiter verbessern wird. Außerdem interessant: Mukoviszidose: 100 Kilometer zum nächsten Therapeuten Petitionsausschuss unterstützt Mukoviszidose-Patienten