Welche Indikationen passen zu Blankoverordnungen?

Der Gesetzgeber fordert, dass sich bis zum 15. November 2020 GKV-Spitzenverband und Heilmittelverbände auf die Indikationen einigen, die für eine Blankoverordnung genutzt werden können. Doch welche Indikationen können besser behandelt werden, wenn die Therapie mit einer Blankoverordnung möglich ist? Und bei welchen Indikationen wäre es sinnvoll, wenn Therapeuten über die Art genauso bestimmen könnten wie über die Intensität der Therapie? Eine Blankoverordnung ist eine ärztliche Verordnung mit Diagnose und Indikation zur Heilmitteltherapie, bei der der Therapeut Art (Heilmittel) und Intensität (Dauer und Frequenz) der Therapie selbst bestimmt. Für die Entscheidung sind Umfang der funktionellen Einschränkungen, Therapieziel und Belastungsfähigkeit des Patienten relevant. Wir haben wir uns diesbezüglich einmal die Lymphdrainage-Therapie genauer angeschaut und mit dem Lymphdrainage-Therapeuten und Fachautor Günther Bringezu darüber gesprochen. So wie die Lymphdrainage-Therapie stattfinden soll, können die Therapeuten sie aktuell gar nicht durchführen, weil die Verordnungen den Anforderungen nicht entsprechen. Richtig? BRINGEZU: Genauso ist es. Die Verordnungen, sind – noch ganz milde ausgedrückt – suboptimal. Und den Sinn, der aus der Behandlung hervorgehen soll, also der Benefit für die Patienten, ist verfehlt. Den Physiotherapeuten sind die Hände gebunden. Sie können sich therapeutisch nicht so zu entfalten, wie es die Indikation erfordert. Da können sie noch so gut arbeiten und sich anstrengen. Wer ist derjenige, der feststellen kann, wie intensiv die Lymphdrainage erfolgen muss, sprich in welcher Frequenz die Behandlung stattfindet und wie lang eine Sitzung sein sollte? BRINGEZU: Alleinig die ausgebildeten Lymphdrainagetherapeuten. Im Rahmen meiner Vortragstätigkeit höre ich immer wieder von Ärzten, dass sie zu wenig über die Pathomechanismen der Lymphödeme wissen und dadurch letztendlich eine adäquate Verordnung gar nicht realisieren können. Ich fände es gut, eine Blankoverordnung einzuführen, auf der nur die Diagnose steht und dann die Therapeuten in einer umfangreichen Befunderhebung die Frequenz der Behandlungen pro Woche, die Behandlungszeit pro Sitzung und auch die Dauer der Gesamttherapie festlegen. Nehmen wir an, die Blankoverordnung kommt am 1.11. und alle Indikationen der Lymphdrainage werden abgedeckt. Dann wird die wirtschaftliche Verantwortung für die Durchführung der Therapie von den Ärzten auf die Therapeuten übertragen. Können Therapeuten das Risiko für die wirtschaftliche Leistungserbringung übernehmen? BRINGEZU: Ich weiß gar nicht, ob sie das übernehmen müssen. Die Kostenträger sprechen immer davon, dass alles, was medizinisch notwendig ist, auch bezahlt wird. Das oberste Gebot ist also, den Kostenträgern in puncto Behandlungsdauer zu verdeutlichen, dass das Lymphödem eine chronische Erkrankung ist – so wie beispielsweise Diabetes. Ein Diabetiker bekommt ja auch so lange Insulin verschrieben, wie er es benötigt. Zusätzlich muss den Therapeuten vermittelt werden, dass sie eine Verantwortung hinsichtlich der Kostenexplosion haben. Um diese zu vermeiden, muss die Therapie medizinisch begründbar sein und die Therapeuten müssen Beweise antreten, dass die Behandlung auch Ergebnisse hervorbringt – etwa durch nachvollziehbare Umfangmessungen der Extremitäten. Wäre es schlau, wenn die Lymphdrainage Bestandteil der originären Ausbildung wäre? BRINGEZU: Sie sprechen da ein heißes Eisen an. Es gibt Diskussionen in diese Richtung, auch im Hinblick auf das Abschaffen der Zertifikatsposition. Ich höre immer aus den Physiotherapieschulen, dass sie viel zu wenig Zeit haben, den Stoff zur Lymphdrainage auch noch unterzubringen. Zwar bringen sie die Lymphdrainage teilweise mit 40 bis 50 Stunden im Lehrplan ein, dann wird der Stoff aber eher als Information gesehen. Mein Wunsch wäre aus Vernunfts- und Verantwortungsgründen, es den Therapeuten selbst zu überlassen, zu entscheiden, ob sie sich in dem Bereich weiterbilden möchten oder nicht. Die Integration der MLD-Ausbildung in die allgemeine Physiotherapieausbildung halte ich aus vielen Gründen für falsch. Fassen wir zusammen: Bei der Behandlung von Lymphödemen wäre es schlauer, den Therapeuten die Verantwortung für die Intensität – also die Frequenz und die Dauer – zu übertragen. Zweitens, den Wirtschaftlichkeitsnachweis dafür kann ich erbringen, wenn ich als Therapeut ordentlich messe. Wir danken Herrn Bringezu für das Gespräch. Hören Sie sich schlau Mehr Informationen zum Thema Lymphdrainage-Therapie gefällig? Hier finden Sie das Interview in unserem Podcast mit Herrn Günther Bringezu. Außerdem interessant: Ab Januar 2020: G-BA erleichtert Verordnung von MLD bei Lipödem