„Wer seine Praxis nachhaltig führt, ist für Patienten und Mitarbeiter langfristig interessanter“

Wer Nachhaltigkeit in der Praxis umsetzen möchte, steht vor einem großen Berg an Aufgaben. Statt aber nun die Finger davonzulassen, rät Guido Plettner, der seit Jahren das Thema Zertifizierung von Nachhaltigkeit in Unternehmen beim TÜV Rheinland verantwortet: „Setzen Sie Prioritäten und fangen Sie mit kleinen Schritten an.“ Er gibt Tipps, wie eine Umstellung gelingen kann. Nachhaltigkeit ist ja ein breit gefasster Begriff. Welche Bereiche gibt es? Wir betrachten Nachhaltigkeit immer als Komplettpaket: Umwelt, Wirtschaft und Soziales. Beim Thema Umwelt fallen darunter Themenbereiche wie Energie, Klima, Verpackung, Abfall, Wasser, Luft und Biodiversität. Im Bereich Wirtschaft geht es darum, innovativ und fortschrittlich zu sein. Ich kann nicht stehen bleiben, wenn ich erfolgreich sein will. Dann geht es um Digitalisierung und die Qualität meiner Leistung. Auch faire Bezahlung und gerechte Arbeitszeiten sowie keine irreführende Werbung sind wichtig. Beim Thema Soziales stehen zum Beispiel Arbeitssicherheit und Gesundheit im Vordergrund, aber auch Vielfalt, Kultur und Demografie. Diese Vielfalt an Themen zeigt bereits, dass man Nachhaltigkeit kaum innerhalb eines halben Jahres oder eines Jahres komplett umsetzen kann. Es ist eher ein stetiger Prozess. Welche Vorteile bringt es einer Praxis, nachhaltiger zu werden? Unternehmen müssen sich zum Beispiel den Erwartungshaltungen der Mitarbeitenden, Patienten, Krankenkassen, anderer Praxen und Ordnungsbehörden stellen. Mitarbeitende haben aufgrund des Fachkräftemangels inzwischen ganz besondere Anforderungen an ihren Arbeitgeber. Und da geht es gar nicht immer nur um das Gehalt. Wer zeigt, dass er zukunftsorientiert wirtschaftet, sichere Arbeitsplätze schafft und die Praxis umweltfreundlich führt, ist als Arbeitgeber einfach interessanter. Welche ersten Schritte sollten Praxisinhaber gehen, wenn sie ihre Praxis nachhaltiger gestalten möchten? Zunächst sollten sich Praxisinhabereinmal dem Thema nähern und sich bewusstmachen,was das bedeutet – nicht mit dem Anspruch, allessofort umsetzen zu können. Dann ist es hilfreich, auf einer Agenda zu priorisieren: Wo will ich anfangen?Möchte ich mit dem Thema Umwelt beginnen, kann ich Ziele festlegen, die ich in einer bestimmten Zeit erreichen möchte. Darüber steht natürlich immer die Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Regelungen.Wichtig ist auch, dass Praxisinhaber die Mitarbeitenden mitnehmen und in den Prozess einbeziehen. Das heißt: Sie müssen wissen, welche Ziele mit welchen Maßnahmen erreicht werden sollen. Am besten ist, sie auch direkt einzubinden. Kurz zusammengefasst: Priorisieren Sie, legen Sie Ziele fest, beschließen Sie Maßnahmen und holen Sie Ihr Team mit ins Boot. Wie schaffe ich es, dass auch alle Mitarbeitenden im beruflichen Alltag mitziehen? Indem ich transparent kommuniziere, warum ich Nachhaltigkeit in der Praxis umsetzen möchte, indem ich Vorbehalte ernst nehme, hinterfrage und mit den Mitarbeitenden in den Dialog gehe. Ich sollte immer die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abholen, die in unterschiedlichen Graden offen sind für Veränderungen. Der eine empfindet Nachhaltigkeit vielleicht nur als „Ökospinnerei“, der andere ist froh, dass Sie endlich aktiv werden. Am Ende geht es um Konsens. Sie müssen aufklären, Diskussionen zulassen und Ängste wahrnehmen. Gibt es bestimmte Pläne und Hilfestellungen dafür, an denen man sich orientieren kann? Ja, es gibt da verschiedene Möglichkeiten. Wir arbeiten zum Beispiel mit dem Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) der Universität Witten/Herdecke zusammen. Dort gibt es die Broschüre „Erfolgreich nachhaltiger wirtschaften“ (tinyurl.com/ymtnnrf4 ). Außerdem gibt es digitale Lösungen, wie das Tool fjol-digital (www.fjol-digital.de), das einem helfen kann. Sich einen Berater an die Seite zu holen, ist hingegen ratsam, wenn im Arbeitsalltag wenig Zeit für das Thema Nachhaltigkeit bleibt. Die Berater setzen dann natürlich Impulse und sorgen dafür, dass man am Ball bleibt. Haben Sie noch einen bestimmten Tipp für Praxisinhaber? Aus meiner Erfahrung heraus kann ich nur empfehlen: Nicht zu schnell zu viel zu wollen. Öffnen Sie sich lieber in kleinen Schritten. Denn gut gemachte kleine Schritte haben oft einen sehr guten Effekt. So sorgen Sie dafür, dass Neuerungen langfristig auch wirklich umgesetzt werden und die Mitarbeitenden mitziehen. Erste, relativ einfach umzusetzende Schritte sind zum Beispiel die Bereiche Energieeinsparung und Abfallentsorgung. Den Müll anständig zu trennen und den Wasser- und Stromverbrauch zu reduzieren, ist nicht wahnsinnig schwer – aber muss eben konsequent verfolgt werden. Ein weiterer Punkt wäre eine wirtschaftliche Effizienz herzustellen. Wie kann ich die Ressourcen der Mitarbeiter besser einsetzen, um sie zu entlasten? Beispiele: Termine online anbieten, Praxisraumbelegung clever nutzen, usw. Das sind kleine Schritte, die Praxisinhaber relativ einfach umsetzen können und die zu ersten messbaren Erfolgen führen. Herr Plettner, vielen Dank für das Gespräch. Diese Artikel gehören zum Themenschwerpunkt „Nachhaltigkeit“: Nachhaltigkeit: Die Praxis von heute ist umweltfreundlich, innovativ und sozial Drei Säulen der Nachhaltigkeit: Umwelt, Wirtschaft und Soziales Nachhaltige Praxis: Umwelt - Einsteiger Nachhaltige Praxis: Umwelt - Fortgeschrittene Nachhaltige Praxis: Wirtschaft - Einsteiger Nachhaltige Praxis: Wirtschaft - Fortgeschrittene Nachhaltige Praxis: Soziales - Einsteiger Nachhaltige Praxis: Soziales - Fortgeschrittene