Lösungsmöglichkeiten zur besseren Vertretung der Heilmittelerbringer

Die Grundidee zu einer effektiveren Vertretung der Heilmittelerbringer:innen, u. a. bei Verhandlungen mit der GKV, lässt sich relativ einfach aus dem Vergleich mit anderen Freien Berufen, Handwerksunternehmen und Firmen ableiten. Denn alle diese Gruppen haben etwas, was den Heilmittelerbringerinnen und -erbringern bislang fehlt: die vom Gesetzgeber übertragene öffentlich-rechtliche Selbstverwaltung. Freie Berufe sind in der Regel in Berufskammern selbst organisiert. In der Handwerksbranche sind das die Handwerkskammern mit den Innungen. Firmen sind in Industrie- und Handelskammern organisiert. Dabei gilt für diese Selbstverwaltungen jeweils: Die Mitgliedschaft in den Kammern ist für alle Beteiligten verpflichtend. Der Gesetzgeber überträgt diesen Kammern öffentlich-rechtliche Aufgaben, wie z.B. Erteilung von Zulassungen, Approbationen, Erlaubnis zur Führung von geschützten Berufsbezeichnungen, Überwachung der Einhaltung von selbst gesetzten Qualitätsrichtlinien und vieles andere mehr. Dafür müssen die jeweiligen Berufe sich selbst verwalten und diese Selbstverwaltung auch eigenständig organisieren und finanzieren. Zusätzlich müssen niedergelassen Ärztinnen und Ärzte, die an der Versorgung der GKV-Versicherten teilnehmen wollen, Mitglied in der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung werden. Auch Psychotherapeut:innen und Zahnärzt:innen haben entsprechende Vereinigungen. Das ist wiederum eine Pflichtmitgliedschaft. Stationäre Einrichtung sind Pflichtmitglied in der jeweiligen Krankenhausgesellschaft. Selbstverwaltung geht nur über eine Pflichtmitgliedschaft Die Regel lautet: Selbstverwaltung eines Berufsstandes bedeutet die Übertragung von staatlichen Rechten und Pflichten auf die Berufsgruppe selbst. Eine Selbstverwaltung kann nur funktionieren, wenn diese Selbstverwaltung verbindlich für alle Mitglieder dieses Berufes gilt, deswegen sind Selbstverwaltungen immer mit einer Pflichtmitgliedschaft verbunden. Für die Heilmittelbranche gibt es mehrere Ansätze einer öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltung: Eine Therapeutenkammer würde im Rahmen der Selbstverwaltung die Erlaubnis zur Führung der geschützten Berufsbezeichnungen der Heilmittelerbringer:innen erteilen. Das würde unabhängig von einer Kassenzulassung erfolgen. Durchsetzung von Qualitätsstandards, Etablierung von Fachtherapeutinnen und -therapeuten, Weiterentwicklung des Berufsbildes, Überwachung von Fortbildungsverpflichtungen usw. wären ein Teil der Aufgaben, die von gewählten Mitgliedern der Vollversammlung der Kammer umgesetzt würden. Um die Rechte und Pflichten gesetzeskonform umsetzen zu können, müssten alle Heilmittelerbringer:innen in Deutschland Pflichtmitglieder in den vermutlich regionalen Länderkammern werden. Den bestehenden Verbänden käme in einer solch umfassenden Selbstverwaltung die Aufgabe zu, die Interessen der verschiedenen Interessensgruppen innerhalb der Therapeutenkammer zu bündeln und durch Wahlvorschläge die Umsetzung bestimmter Positionen zu fördern. Eine Kammer hat zwar nicht die originäre Aufgabe in GKV-Verhandlungen einzutreten, könnte jedoch eine Arbeitsgruppe aus den eigenen Reihen wählen, die solche Verhandlungen vorbereiten und durchführen könnte. Eine Kassentherapeutische Bundesvereinigung (KTBV) könnte die öffentlich-rechtliche Selbstverwaltung aller Heilmittelpraxen mit GKV-Zulassung werden. Die Aufgaben der Selbstverwaltung wären dann etwas weniger umfangreich als bei der Therapeutenkammer und nur Praxisinhaber:innen mit GKV-Zulassung wären Pflichtmitglied. Innerhalb der Gremien der KTBV würden die Verhandlungspositionen erarbeitet, bevor es zu Verhandlungen käme. Die oben genannten Vertretungsprobleme wären damit zu einem großen Teil gelöst. Den bestehenden Verbänden käme in einem solchen Szenario die Aufgabe zu, Interessen bestimmter Mitglieder zu bündeln und die Wahlen bestimmter Mitglieder zu unterstützen, um eigene Positionen durchsetzen zu können. Eine Bundesvereinigung Heilmitteltherapie (BVHT) wäre die öffentlich-rechtliche Selbstverwaltung aller Praxisinhaber:innen, die eine Heilmittelpraxis in Deutschland betreiben. Das wäre so etwas wie die KTBV, aber erweitert um alle Privatpraxen. Damit wären auch Verhandlungen über eine gemeinsame Privatpreisstruktur möglich, Qualitätsstandards könnten auch in Privatpraxen durchgesetzt werden, die BVTH würde die Erlaubnis zur Niederlassung einer Praxis erteilen. Unterstützung für die Selbstverwaltung ist gesichert Wer nun denkt, die Forderung nach einer wie auch immer ausgestalteten Selbstverwaltung der Therapeut:innen würde auf Gegenwehr stoßen, der irrt. Sowohl die Politik als auch die GKV würde eine Selbstverwaltung durchaus begrüßen. Nur innerhalb der Heilmittelbranche gibt es z. B. einige Verbandsfunktionär:innen, die dagegen sind, gut nachzulesen in einem sogenannten Argumentationspapier der Verbände aus dem Jahr 2019 gegen eine Therapeutenkammer: https://tinyurl.com/gegenkammer Warum es gerade jetzt wichtig ist, sich mit dem Thema Selbstverwaltung zu befassen, erfahrt Ihr hier: Neue Verhandlungsstrukturen - Lieber eigene Vorschläge entwickeln bevor die Politik den Ideen der GKV folgt. Weiterführende Informationen: Die Idee einer Selbstverwaltung in der Heilmittelbranche ist nicht neu. Es gibt seit Jahren Aktionen und Initiativen, eine Therapeutenkammer ins Leben zu rufen. Auf der Website www.therapeutenkammer.de findet Ihr beispielsweise weiterführende Informationen, wie eine Therapeutenkammer aussehen könnte. Schon 2018 fand im Rahmen der TheraPro in Essen die Open-SpaceZukunftskonferenz statt, in der es ebenfalls um das Thema Selbstverwaltung ging. Mehr dazu könnt Ihr in dem Themenschwerpunkt „Selbstbestimmt statt fremdbestimmt – Wohin entwickelt sich die Heilmittelbranche“ nachlesen. Außerdem interessant: Stellungnahme: GKV will effektivere Vertretung der Heilmittelpraxen Neue Verhandlungsstrukturen: Lieber eigene Vorschläge entwickeln Bundestag beschließt GKV-Finanzstabilisierungsgesetz Fünf verpasste Chancen, die zeigen, wo jetzt dringend Handlungsbedarf besteht