Am Anfang steht die Zahl

„Sind Terminausfälle ein Problem in Eurer Praxis?“ – „Nein“, sagt der Therapeut, „wir haben so viel zu tun. Da füllen wir Lücken schnell mit anderen Aufgaben.“ – „Ja“, sagt die Praxisinhaberin. Denn sie hat den Gesamtüberblick und merkt, wenn sich die Auslastung und damit auch die Wirtschaftlichkeit der Praxis verändert. Um gegen Ausfälle anzugehen, ist es nun wichtig, diese beiden Wirklichkeiten zusammenzubringen und eine gemeinsame Basis zu schaffen. Das gelingt, indem Ihr Kennzahlen messt. Wie ist die Auslastung der Praxis? Wie häufig gibt es Absagen? Wie viele Termine werden verlegt? Diese Fragen lassen sich durch konkrete Zahlen beantworten, die Ihr einmal erfassen solltet. Nehmt das Team von Anfang an mit, indem Ihr erklärt, wie diese Kennzahlen zustande kommen. Damit schafft Ihr Transparenz und Akzeptanz. Außerdem seid Ihr auf die Mitarbeit Eurer Angestellten angewiesen. Denn nur wenn Termine, die ausfallen oder umgelegt werden, auch entsprechend im Terminkalender gekennzeichnet sind, ist eine Auswertung überhaupt möglich. Das wollen wir messen: Auslastung, Absagequote und Veränderungsquote Die Auslastung zu messen, ist ein absolutes Muss. Denn sie gibt Auskunft über die Produktivität der Praxis bzw. der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Absagequote zeigt, wie hoch die Anzahl der Absagen im Verhältnis zur Anzahl der erbrachten Leistungen ist. Indem wir die Veränderungsquote berechnen, erfahren wir etwas über das Verhältnis von Terminverschiebungen zur Anzahl der stattgefundenen Termine. Auf dieser Grundlage können wir entscheiden, ob und welche Maßnahmen nötig sind, um gegen Absagen und Ausfälle anzugehen, und so die Auslastung zu verbessern. Auslastung messen Die Auslastungsquote zeigt Euch, wie viele der zur Verfügung stehenden Arbeitsstunden dafür genutzt werden, abrechenbare Leistungen zu erbringen. Dieser Wert gibt also Auskunft über die Produktivität der gesamten Praxis bzw. der einzelnen Therapeutinnen und Therapeuten. So messen wir die Auslastung: (Abrechenbare Arbeitsstunden/Soll-Arbeitsstunden) x 100 = Auslastung in Prozent Beispiel: Auslastung eines Therapeuten in einem Monat: (120/160) x 100 = 75 Prozent Auslastung Das bedeutet die Zahl: Im Beispiel hat ein Therapeut mit einer Vollzeitstelle (40 Stunden) 160 Soll-Arbeitsstunden im Monat. Unser Beispielmonat hat 20 Arbeitstage. Er hat 120 Stunden abrechenbare Leistungen erbracht. Seine Auslastung liegt damit bei 75 Prozent. Je niedriger die Auslastung, desto weniger produktiv arbeitet ein Mitarbeiter. Das Ziel sind hier also hohe Werte. In der Ergotherapie und Logopädie sollte sie bei mindestens 85 Prozent, in der Physiotherapie eher bei 95 bis 98 Prozent liegen. Warum es zwischen den Berufsgruppen Unterschiede gibt, kannst Du im Artikel „Glossar Personalkosten“ nachlesen. Mindestens einmal im Monat messen Da die Auslastung so eine wichtige Kennzahl für die Wirtschaftlichkeit der Praxis ist, solltet Ihr sie mindestens monatlich messen. Stellt Ihr dabei fest, dass sie unter einen bestimmten Wert fällt, steigt Ihr auf wöchentliche Messungen um, um schneller zu sehen, ob die Maßnahmen, die Ihr zur Steigerung der Auslastung unternehmt, auch greifen. Wichtig: Betrachtet Ihr die Auslastung eines Therapeuten über einen Monat, müsst Ihr natürlich berücksichtigen, ob er in dieser Zeit aufgrund von Krankheit, Urlaub oder Fortbildung abwesend war. Sonst ist das Ergebnis wenig aussagekräftig. Wie geht es weiter? Stellt Ihr bei der Messung der Auslastung fest, dass alles im grünen Bereich ist, messt Ihr einfach regelmäßig weiter, um rechtzeitig zu erkennen, falls die Auslastung sinkt. Ist die Auslastung zu gering, ist es nun Zeit, Maßnahmen zu ergreifen. Schaut Euch hierzu die einzelnen Therapeutinnen und Therapeuten an. Ist die Auslastung generell zu niedrig oder nur bei einzelnen Mitarbeiter:innen? Betrachtet außerdem die Absagequote. Sie zeigt Euch, ob häufige Absagen der Grund für die zu geringe Auslastung sind. Absagequote messen Die Absagequote gibt Auskunft darüber, wie hoch die Anzahl der Absagen im Verhältnis zur Anzahl der erbrachten Leistungen ist. Hier kann man zum Beispiel sehen, dass bei Physiotherapeut Lars im Durchschnitt jeden Monat 50 Termine abgesagt werden, bei seiner Kollegin Lena nur 20. Lars hat somit eine Absagequote von 10,5 Prozent, Lena von 4,2 Prozent. Das wirft nun die Frage auf, warum es bei Lars so viel mehr Absagen gibt als bei Lisa. Damit beschäftigen wir uns im Artikel "Ausfälle vermeiden ist Teamarbeit" (s.u.). So messen wir die Absagequote: (Anzahl Terminabsagen/Soll-Termine) x 100 = Absagequote in Prozent Beispiel: Lars: (50/480) x 100 = 10,5 Lena: (20/480) x 100 = 4,2 Das bedeutet die Zahl: Im Beispiel arbeiten Lars und Lena Vollzeit (40 Std./Woche) und behandeln im 20-Minuten-Takt. Daraus ergibt sich eine Anzahl von 480 Soll-Terminen in unserem Beispiel-Monat. Lars Absagequote liegt bei 10,5 Prozent, Lenas bei 4,2. Je höher die Quote, desto mehr Absagen gab es. Liegt die Absagequote höher als fünf bis zehn Prozent, ist es Zeit, etwas dagegen zu tun. Das kann zum Beispiel ein individuelles Coaching einzelner Therapeut:innen sein. Bei Bedarf messen Die Absagequote wird dann gemessen, wenn es ein Auslastungsproblem gibt – und dann wöchentlich oder monatlich. Warum ist es wichtig, die Absagequote zu messen? Ist die zu geringe Auslastung auf eine hohe Absagequote zurückzuführen, gibt Euch das Hinweise darauf, welche Gegenmaßnahmen Ihr ergreifen könnt. Denn eine hohe Absage ist auch ein Indikator dafür, dass Patient:innen in manchen Fällen etwas anderes wichtiger ist, als zur Therapie zu kommen. Ihnen ist also nicht immer bewusst ist, wie wichtig es für den Therapieerfolg ist, dass sie ihre Behandlungstermine auch wahrnehmen. Eine bessere Kommunikation und mehr Aufklärung darüber schaffen dann Abhilfe. Veränderungsquote messen Die Veränderungsquote zeigt Euch das Verhältnis von Terminverschiebungen zur Anzahl der stattgefundenen Termine. Ist die Veränderungsquote hoch, geht auf die Suche nach den Ursachen. Nehmen es die Patient:innen mit der Termintreue nicht so genau oder muss die Praxis häufig Termine verschieben, etwa weil Mitarbeiter:innen krank sind? So messen wir die Veränderungsquote: Veränderungsquote in Prozent = (Anzahl Terminverschiebungen/Soll-Termine) x 100 Beispiel: (35/480) x 100 = 7,29 Das bedeutet die Zahl: Im Beispiel rechnen wir mit einem Physiotherapeuten, der bei einer 40-Stunden-Woche 480 Soll-Termine in einem Monat hatte. Davon wurden 35 verschoben. Die Veränderungsquote liegt damit bei 7,3 Prozent. Je höher die Veränderungsquote, desto mehr Termine werden verschoben. Häufige Terminverschiebungen können ein Zeichen mangelnder Organisation und Kommunikation sein. Bei Bedarf messen Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie häufig Termine verschoben werden, lohnt es sich, die Veränderungsquote routinemäßig einmal im Quartal zu messen. Zeigt sich dabei, dass sehr viele Termine verschoben werden, sollte der Messzeitraum enger werden und Ihr solltet Euch die Gründe für die Verschiebungen anschauen. Wenn Ihr dann weiter monatlich die Veränderungsquote überprüft, könnt Ihr sehen, ob die Maßnahmen, die Ihr gegen die vielen Terminverschiebungen ergreift, auch wirken. So geht es weiter Wir haben die Kennzahlen erhoben und sehen, die Auslastung der Praxis ist nicht optimal, die Absagequote zu hoch und wir verschieben zu viele Termine, wie uns die Veränderungsquote zeigt. Das heißt, wir müssen etwas tun. Was, erfahrt Ihr auf in den folgenden Artikeln. Diese Artikel gehören zum Themenschwerpunkt "Weniger Ausfälle": Am Anfang steht die Zahl - So erkennt Ihr, ob Absagen und Ausfälle bei Euch ein Problem sind Ausfälle vermeiden ist Teamarbeit - So lernt Ihr mit- und voneinander Ausfallgebühr ist eine Präventionsmaßnahme, keine Strafe - So schafft Ihr das passende Mindset im Team, um sie effektiv zu nutzen Die drei goldenen Regeln bei der Ausfallgebühr - So setzt Ihr sie ohne Wenn und Aber durch Videotherapie statt Terminausfall - Mit telemedizinischen Behandlungen kurzfristige Absagen verhindern Vorgaben zur Videotherapie - Eine kurze Übersicht