Therapeutenausbildung neu denken

Was hat die Arbeit von Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten gemeinsam? So einiges, findet Jan Dieckmann, und ist der Meinung, das sollte sich auch in der Ausbildung widerspiegeln. Der Inhaber einer Physiotherapie-Praxis stellt uns im Gespräch sein Konzept einer generalisierten Therapeuten-Ausbildung vor, bei der alle Heilmittelerbringerinnen und -erbringer zunächst gemeinsam lernen und sich erst im zweiten Schritt spezialisieren. Im Heilmittelbereich haben wir Berufsbilder, die teilweise noch aus den 1950er Jahren stammen. Gesundheitsminister Lauterbach will sich dem Thema annehmen. Du bist mit den aktuellen Plänen aber nicht wirklich zufrieden. Wie sollte eine Reform der Berufsgesetze Deiner Meinung nach aussehen? Wir werden zwar von Politik und Gesellschaft als „die Heilmittelerbringer“ häufig in einen Topf geworfen, es findet aber viel zu wenig Austausch unter den Berufsgruppen statt. Wenn ich keine Kontakte in die Ergotherapie und Logopädie hätte, wüsste ich gar nicht, was die Kollegen eigentlich machen. Darum habe ich darüber nachgedacht, wie man die Ausbildungsverordnung so ändern könnte, dass wir gemeinsam mehr erreichen und mehr voneinander lernen können. In der Pflege gibt es bereits die generalisierte Ausbildung für Alten-, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Ich habe mich gefragt, wie wir das für unseren Bereich auch hinbekommen könnten. Du hast ein Konzeptpapier geschrieben, in dem steht, wir brauchen eine generalisierte Ausbildung von Ergo-, Physiotherapeuten und Logopäden. Dabei soll der erste Teil der Ausbildung gemeinsam absolviert werden. Was lernen die angehenden Therapeuten in diesem Teil? Ich habe festgestellt, dass wir jetzt schon viele Überschneidungen haben: die Berufsgesetze, Erste Hilfe, Motivation, Rhetorik – was jetzt noch viel zu wenig beachtet wird, Psychologie, Pädagogik, Soziologie, Allgemeine Krankheitslehre, Physiologie, Anatomie. Das sind Fächer, die wir alle gemeinsam haben. Insofern habe ich in meinem Konzept alle Inhalte ins erste Ausbildungsjahr gesteckt, die uns alle angehen, und um einige Ideen ergänzt, die meiner Meinung nach in der bisherigen Ausbildung zu kurz kommen. Dazu gehören beispielsweise bürokratische Themen wie die Abrechnung, aber auch spezielle Situationen, die zum Alltag eines Therapeuten gehören, auf die aber kein Schüler in der Ausbildung vorbereitet wird. Ein Beispiel ist der Tod eines Patienten, den man über viele Monate behandelt hat, oder auch Verhaltensweisen von Patienten, die nicht gerade dem Lehrbuch entsprechen. Nach Deinem Konzept soll es im ersten Schuljahr 900 Unterrichtsstunden gemeinsam geben, dann kommen Praktika in unterschiedlichen Praxen und danach können die Auszubildenden entscheiden, in welche Richtung sie sich weiterentwickeln möchten. Genau, im ersten Ausbildungsjahr wäre es auch eine gute Idee, mal ein Praktikum in einer Arztpraxis zu machen. Einfach um auch hier den interprofessionellen Aspekt zu integrieren. Gerade wenn Bürokratie und Abrechnung bereits im ersten Ausbildungsjahr ein Thema sind, besteht hier auch die Möglichkeit, den Arztpraxen Tipps zu geben – beispielsweise zum besonderen Verordnungsbedarf oder dem langfristigen Heilmittelbedarf. Nach dem gemeinsamen Start geht die Ausbildung nach Deinem Konzept dann ausdifferenziert weiter. Treffen die einzelnen Berufsgruppen danach nochmal aufeinander oder macht dann jede Gruppe für sich allein weiter? Auch im zweiten und dritten Ausbildungsjahr gibt es Teile, die zwei oder alle drei Berufsgruppen gemeinsam haben. Dazu gehören zum Beispiel die Neurologie, die Arzneimittellehre oder die CMD für Logopäden und Physiotherapeuten. Diese Bereiche sollten auf jeden Fall gemeinsam unterrichtet werden. Was ist nun Dein Plan für die Umsetzung? Hast Du das Konzept an Herrn Lauterbach geschickt? Tatsächlich habe ich das Konzept an verschiedene Gesundheitspolitiker verschickt, die ich bereits von den Online-Stammtischen vor der Bundestagswahl kannte. Ich habe vorgeschlagen, das Konzept zu prüfen und zu schauen, ob Aspekte daraus übernommen werden können. Nun warte ich mal ab, welche Rückmeldungen kommen. Wie fühlt es sich an, eine Branche so strukturell zu bearbeiten? Würdest Du sagen, das lohnt sich? Es macht mir wahnsinnig Spaß, muss ich ehrlich sagen. Und ich war überrascht, dass das Konzept bei Kollegen so viel Anklang gefunden hat. [Das Gespräch führte Ralf Buchner.] Zur Person: Jan Dieckmann, 45, Vater von fünf Kindern, Praxisinhaber einer kleinen Physiotherapie-Praxis in Fürth und Organisator des Therapeuten-Stammtischs in Mittelfranken ist auch nach über 20 Jahren in der Branche mit bestehenden Strukturen nicht einverstanden und hofft, daran selbst etwas ändern zu können. Berufsreform in der Politik vorantreiben Das Konzept von Jan Dieckmann könnt Ihr Euch hier anschauen: www.up-aktuell.de/GA Wenn Ihr auch der Meinung seid, dass Aspekte daraus bei der Reform der Therapieberufe berücksichtigt werden sollten, schickt das Konzept an Karl Lauterbach, das Bundesgesundheitsministerium, die Politikerinnen und Politiker im Gesundheitsausschuss oder die Abgeordneten Eures Wahlkreises, damit es mehr Beachtung findet. Wenn Ihr dazu Hilfe braucht, unsere Anleitung zum Einmischen findet Ihr hier: www.up-aktuell.de/einmischen Außerdem interessant: Praktika als Investition in die Zukunft „Fast ein Drittel unseres Teams sind ehemalige Praktikanten“