Auf Spurensuche nach den Schmerzursachen
Die Therapeutin selbst hatte 20 Jahre unter starken Beschwerden in der Halswirbelsäule gelitten, die auch ihre linke Körperhälfte in Mitleidenschaft zog. „Mit Anfang 20 bin ich mit einem Rückengürtel spazieren gegangen“, erinnert sich die heute 42-Jährige. Alle Therapien halfen nur kurzfristig, bis sie über eine Patientin von der Atlaskorrektur-Methode erfuhr und sich in Frankfurt behandeln ließ. Nach der Behandlung war sie fast beschwerdefrei und so begeistert, dass sie 2011 die Weiterbildung machte, um auch ihren Patientinnen und Patienten langfristig helfen zu können.
Kombination aus alternativen und klassischen Methoden
Im Laufe der Zeit entwickelte sie eine für sie passende Kombination aus alternativen und klassischen physiotherapeutischen Behandlungsmethoden. Entstanden ist die „ursachen-orientierte Ganzkörperanalyse“, wie die Praxisinhaberin ihr Konzept seit 2023 nennt. Zu ihr gehört neben der Atlaskorrektur-Methode auch die Prototherapie© nach Joachim Winter. Mit beiden Ansätzen werden die Ursachen der Beschwerden behandelt und nicht nur deren Symptome.
Ausführliche Anamnese
Im Mittelpunkt der Therapie steht eine ausführliche Anamnese, um die Ursache der Beschwerden ausfindig zu machen. „Möglicherweise kommt ein Patient mit Schulterproblemen zu mir“, erklärt die Therapeutin, „doch der Schmerzursprung kann in einer Verletzung des Sprunggelenks liegen, die bereits in der Kindheit passiert ist.“ Dazu werden u. a. alle Dermatome, also jene Hautbereiche, die von sensiblen Fasern einer Spinalnervenwurzel autonom versorgt werden, untersucht. Mithilfe eines mechanischen Reizes werden sogenannte Wind-Up-Phänomene ermittelt, also Vorgänge, auf die der Körper mit einer anhaltenden Schmerzverstärkung reagiert. Nach einer Probebehandlung der vermeintlich ursächlichen Struktur wird das Ergebnis und das weitere Vorgehen mit der Patientin oder dem Patienten besprochen.
Vor Behandlungsbeginn eigene Lebensanamnese erstellen
„Meist lässt sich aus der Anamnese heraus auch die wichtigste aller Fragen ermitteln, was der Auslöser sein kann; die ‚Seit- wann-Frage‘“, berichtet die Praxischefin. Um einen genauen Überblick über die Lebensumstände der Patientin oder des Patienten zu erhalten, müssen sie bereits vor Behandlungsbeginn eine Lebensanamnese erstellen. Dazu schickt die Praxis eine E-Mail mit Hinweisen, wie ein solcher Lebensrückblick auszusehen hat. „Dieser Aufwand schreckt manche Interessierte schon ab – das hat den Vorteil, dass nur jene kommen, die auch tatsächlich eine Besserung ihrer Schmerzen wollen. Dadurch haben wir sehr motivierte Patienten“, freut sich die Therapeutin, „und unsere Arbeit macht somit noch mehr Spaß!“
Ganzkörperanalyse dauert 80 Minuten
Die „ursachenorientierte Ganzkörperanalyse“ dauert 80 Minuten und kostet 239 Euro als Selbstzahlerleistung. „Leider können wir diese Leistung nicht über die Krankenkassen abrechnen“, bedauert die Therapeutin, „einige Teile der Behandlung, die mit klassischen Methoden der Physiotherapie erfolgen, allerdings schon.“ Die eingehende physiotherapeutische Untersuchung und Beratung sowie Atlaskorrektur und Prototherapie© sind Selbstzahler- bzw. Teil-Heilpraktikerleistungen. Sie werden teilweise von Zusatzversicherungen und privaten Krankenversicherungen übernommen, wenn Heilpraktikerleistungen eingeschlossen sind. Über alle Preise, aber auch den Mehrwert der Ganzkörperanalyse werden die Patient:innen bereits an der Rezeption oder auch während der Therapie informiert. Häufig werden Verordnung und Selbstzahlerleistung kombiniert, denn „wir wenden die klassische Physiotherapie an, aber die Reihenfolge der zu behandelnden Strukturen ist entscheidend, und diese ermitteln wir über unsere ‚ursachenorientierte Ganzkörperanalyse‘“.
Jede erlernte Behandlungstechnik integrierbar
Für die Behandlung kommt meist eine friktionsartige Hemmtechnik aus der Prototherapie© zum Einsatz, die wohl am besten mit einer Segment- und Periost- oder Bindegewebsmassage zu beschreiben ist. Aber es sind auch Elemente aus der Atlaskorrektur-Methode dabei sowie aus der Manuellen Therapie, der Manuellen Lymphdrainage und der Narbentherapie. „Im Grunde kann man jede erlernte Behandlungstechnik integrieren, auch die aus der Osteopathie oder Neurologie“, sagt die Praxisinhaberin. „Wir betrachten die Prototherapie© daher im Team wie eine ‚gemeinsame Basissprache‘, doch welches Hilfsmittel zum Ziel führt, das kann recht unterschiedlich aussehen.“
Inhouse-Schulung des Personals aus drei Praxisstandorten
Bevor Mirjam Aichholz-Kuntz mit ihrem ganzheitlichen Therapiekonzept starten konnte, musste sie ihr Personal aus den drei Praxisstandorten schulen lassen. Dazu konnte sie Joachim Winter, der die Prototherapie©-Methode entwickelt hat, als Inhouse-Dozent gewinnen. Insgesamt 21 Therapeutinnen und Therapeuten nahmen an der internen Fortbildung teil – die Kosten übernahm die Praxischefin. Anfangs war lediglich das Team aus Darmstadt skeptisch. „Wir hatten die Praxis und das Team erst kurz zuvor übernommen. Für viele war es schon schwierig, eine neue Chefin zu akzeptieren, und dann auch noch eine Fortbildung …“ An- schließend waren aber auch sie überzeugt, vor allem die „Seit- wann-Frage“ habe ihnen viel gebracht.
Patienten aus dem gesamten Bundesgebiet
Das Konzept sei im Grunde fast immer einsetzbar, vorrangig bei länger bestehenden, rezidivierenden Beschwerden oder wenn ein neu auftretendes Symptom das nächste jagt. Es ist postoperativ oder posttraumatisch anwendbar, aber auch zur Prävention, damit eben keine langfristigen Beschwerden auftreten – „eben wie eine Art Körper-TÜV auf physiotherapeutischer Ebene“. Und schließlich sei es auch für jede Altersgruppe geeignet – die Atlas- korrektur-Methode beispielsweise kann vom Baby bis zum fortgeschrittenen Alter angewandt werden. Ihre Behandlungserfolge scheinen sich herumgesprochen zu haben, denn mittlerweile kommen Patient:innen aus dem gesamten Bundesgebiet. „Eine Patientin reist extra von Hamburg aus in den Schwarzwald!“
Methode sollte jeder Physiotherapeut kennen und danach behandeln
Mirjam Aichholz-Kuntz ist von der Prototherapie© restlos begeistert. „Es ist eine Methode, die nicht nur Spaß macht beim Anwenden, sondern auch in Teilen angewandt bereits eine große Hilfe in der Therapie sein kann. Man hat als Therapeut und Patient mehr nachhaltigen Erfolg und stoppt damit häufig den Teufelskreis von wiederkehrenden Schmerzen.“ Sie hat den Traum, dass jede Therapeutin und jeder Therapeut dieses Konzept schon in der Ausbildung kennenlernen und danach behandeln kann. Als einzige Mentorenpraxis für diese Methode „freue ich mich über jeden Kollegen, der zu uns kommen möchte, um mit uns und von uns zu lernen – vielleicht entstehen bundesweit so mehr Praxen wie unsere, dass die Wege für die Patienten kürzer werden …“.
Ihr Wunsch: Längere Behandlungszeiten als Standard
Die Physiotherapeutin wünscht sich, dass das Konzept der „ursachenorientierten Ganzkörperanalyse“ mit der längeren Behandlungszeit Standard in jeder Physiotherapie-Praxis wird. „Am liebsten wäre mir natürlich, dass die Physio-Politik es schafft, längere Behandlungszeiten als Standard zu etablieren, wie dies in Österreich beispielsweise schon der Fall ist.“
Die Therapie habe das Potenzial, Patientinnen und Patienten schneller und nachhaltiger wieder fit zu bekommen. Das freue nicht nur den Betroffenen, sondern „beschert uns Physiotherapeuten nachhaltigere Behandlungserfolge. Das macht mehr Spaß und hat auch einen tollen Nebeneffekt: dass Physiotherapeuten nicht mehr reihenweise die scheinbare Flucht in die Osteopathie ergreifen, um endlich ganzheitlich und länger am Patienten arbeiten zu können.“ Als Physiotherapeut:in habe man ein enormes Repertoire an Behandlungstechniken. „Wird das richtig eingesetzt, werden Osteopathen sich dazu veran- lasst fühlen, uns zukünftig ihre Patienten zu schicken“, erklärt sie schmunzelnd.
Tipps für die Erstellung der LebensanamneseAuf dem Weg zur Ursache benötigen wir eine möglichst vollständige und lückenlose „Lebensanamnese“, d. h. eine Auflistung ihrer bisherigen Schmerzgeschehen und Verletzungen am besten von Geburt an, mindestens aber ab ihrem dritten Lebensjahr. Dazu gehören:
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Dabei ist nicht das exakte Datum, sondern die Chronologie innerhalb der Reihe entscheidend. Es kann hilfreich sein, Eltern oder andere Familienmitglieder zu befragen. |