„Es braucht schon den politischen Willen, Dinge voranzutreiben“

Warum sollen Pflege und Hebammen Beteiligungsrechte im G-BA erhalten, aber nicht die Heilmittelerbringer:innen? Das fragen wir uns, seitdem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach den Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) veröffentlicht hat. Wir haben die Frage weitergegeben, auch an Christine Donner, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands für Ergotherapeut:innen in Deutschland (BED). Im up-podcast spricht sie mit Ralf Buchner darüber, warum mehr Beteiligung unbedingt nötig ist und wie diese aussehen sollte. Hier haben wir einen Ausschnitt aus diesem Gespräch für Euch. Christine, wir möchten über den Gesetzentwurf sprechen, den der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht hat. Darin steht unter anderem, dass Hebammen und Pflegekräfte künftig im G-BA mehr Beteiligungsrechte erhalten, also etwas mitberaten und auch Anträge stellen sollen. Wie findest Du das? Ist das ein wirklicher Fortschritt oder nur Augenwischerei? Ich halte es definitiv für einen Fortschritt. Bis heute werden alle diese Entscheidungen, die die Heilmittelerbringenden betreffen, ohne deren Beteiligung getroffen. Von daher bin ich sehr dankbar, dass mit der Beteiligung der Pflege und der Hebammen nun endlich begonnen wird, etwas zu ändern. Auf der anderen Seite sind wir natürlich auch enttäuscht, weil die Heilmittelerbringer nicht, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, ebenfalls berücksichtigt wurden. Ist die Pflege beim Thema Beteiligung einen Schritt weiter, weil es ihr besser gelingt, sich auf gemeinsame Positionen zu einigen? Das Argument halte ich für vorgeschoben. Wer mit offenen Augen auf die Berufspolitik im Gesundheitswesen schaut, hat gesehen, dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach ein völlig anderes Zepter schwingt als sein Vorgänger. Lauterbach legt seinen Fokus in dieser Legislatur auf das Thema Pflege und Krankenhäuser. Darum ist es eine vorgeschobene und schwache Argumentation zu sagen, dass die Heilmittelerbringer nicht dabei sind, weil sie sich mal wieder nicht einig sind. Auch der Deutsche Pflegerat hat sich nicht ohne Knarren und Knacken gefunden. Da brauchte es auch strukturelle Hilfe. Die hätten wir uns auch gewünscht und erwartet, so wie es auch im Koalitionsvertrag der Ampel steht. Meiner Einschätzung nach ist man im Bundesgesundheitsministerium nicht genug mit adäquatem Personal besetzt, sodass diese Dinge nacheinander abgearbeitet werden müssen. Das ist der Hintergrund, den man aber öffentlich ungern zugeben möchte. Also ist fehlende Unterstützung aus der Politik das Problem? Es braucht schon den politischen Willen, Dinge voranzutreiben. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch einen eigenen Auftrag für alle Heilmittelverbände gibt, das Strategische hervorzuheben und den übergeordneten Blick zu behalten. Man muss sich überlegen, ob es nicht strategisch sinnvoller und erfolgsversprechender ist, sich nicht auf die Unterschiede zu fokussieren, sondern mit einem geeinten Vorschlag zu kommen. Dabei sehen wir aber nicht einen Sitz für die Heilmittelerbringenden, denn DIE Heilmittelerbringenden gibt es nicht. Die Ergotherapeuten sind eine völlig andere Berufsgruppe als die Sprachtherapierenden oder die Physiotherapeuten. Du hattest neulich einen Termin, bei dem auch der Vorsitzende des G-BA Josef Hecken dabei war. Da sagte er sinngemäß, dass er auf die Heilmittelerbringer gar keine Lust hat, weil er nicht möchte, dass ihm dann 19 Verbände in die Suppe spucken, das sei organisatorisch nicht zu lösen, die Heilmittelerbringer müssten sich erstmal einig werden. Jetzt sagst Du, dass es mit einem Sitz auch nicht getan wäre, weil es zwischen den Berufsgruppen deutliche Unterschiede gibt. Wenn man jetzt aber die Ärzte fragen würde, würden die doch genau das Gleiche sagen. Trotzdem gibt es nur einen Sitz für sie und das funktioniert auch. Aus meiner Sicht hinkt der Vergleich. Denn die gemeinsame Basis der Ärzte ist der ärztliche Beruf. Das ist im Heilmittelbereich anders. Hier sind die Berufe nur systemisch zusammengeführt worden. Die grundständischen Inhalte, die in den Ausbildungen vermittelt werden, sind bei den Therapierenden eben nicht identisch. Wenn ich eine logopädische Ausbildung mache, weiß ich gar nichts von der ergotherapeutischen Ausbildung usw. Allein aus diesem Grund ist das mit den Ärzten überhaupt nicht vergleichbar. Aus meiner Sicht wäre jetzt Folgendes sinnvoll: Es muss mehr Druck auf die Politik entstehen, um hervorzuheben, dass der G-BA aktuell keine Legitimation hat, über Berufsgruppen zu entscheiden, die nicht dort repräsentiert sind. Es muss von den Heilmittelerbringern, insbesondere den Verbänden, mehr Druck aufgebaut werden, dass diese Sitze jetzt kommen müssen. Punkt zwei: Die Berufsverbände müssen sich jetzt zusammenraufen und am besten einen konkreten Vorschlag erarbeiten, um der Politik die Umsetzung zu erleichtern. Dazu muss jeder Verband die Frage für sich beantworten, ob es wahrscheinlicher ist, dass man dieses Ziel erreicht, wenn jeder allein vor sich hin wurschtelt oder ob man Differenzen und Animositäten beiseitelässt und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet. Vielen Dank für das Gespräch mit Dir! Hörtipp Christine Donner im up-podcast Wenn Ihr mehr darüber erfahren möchtet, warum Christine Donner davon überzeugt ist, dass jede Berufsgruppe einen Sitz im G-BA bekommen muss, ob bzw. welche Rolle der SHV beim Streben nach Beteiligungsrechten im G-BA spielen sollte und wie es mit der Finanzierung aussieht, dann hört Euch das komplette Gespräch hier im up-podcast an: www.up-aktuell.de/podcast-donner