Unkalkulierbares Risiko: Praxiswechsel während einer Blankoverordnung

Manche Dinge sollte man als Physio- oder Ergotherapeut:in auf keinen Fall machen, dazu gehört es auch, Patient:innen anzunehmen, die eine Blankoverordnung in einer anderen Praxis begonnen haben und diese begonnene Behandlung nun in einer anderen Praxis fortführen wollen. Theoretisch ist das möglich, die Praxis geht damit jedoch wirtschaftlich ein unkalkulierbares Risiko ein. Die Frage, ob Patient:innen während einer lau- fenden Blankoverordnung die Heilmittelpraxis wechseln können, haben sich vermutlich noch nicht viele Praxen gestellt. Für alle, die es interessiert oder die von dieser Fragestellung betroffen sind, haben wir mal beim GKV-Spitzenverband nachgefragt. Um es kurz zusammenzufassen: Die GKV sagt, dass der Praxiswechsel eine Ausnahme ist, nicht der Regelfall. Und die GKV-vertraglichen Rahmenbedingungen sorgen dafür, dass man bei einem Wechsel ein unkalkulierbares Risiko eingeht und deswegen als Praxis die Behandlung von solchen Wechselpatient:innen ohne Wenn und Aber ablehnen sollte. Der rechtliche Rahmen lässt sich wie folgt zusammenfassen: In § 18 Abs. 11 der Versorgungsverträge ist jeweils geregelt, dass Patientinnen und Patienten auch während einer laufenden Behandlung den Leistungserbringer wechseln können. Das gilt auch für Blankoverordnungen. Dazu bittet die Patientin in der erstbehandelnden Praxis A um eine Kopie der Originalverordnung, die sie dann in der neuen Praxis B als behandlungsbegründende Unterlage vorlegt (siehe § 18 Abs. 11). Dann kann Praxis B in die Behandlung eintreten, muss darüber jedoch die Abrechnungsstelle der jeweils zuständigen Krankenkassen informieren. Dass die Abrechnungsstelle der Krankenkasse informiert worden ist, muss sowohl auf der Originalverordnung von Praxis A als auch auf der Verordnungskopie von Praxis B vermerkt werden (siehe § 18 Abs. 11). Nach Auskunft des GKV-Spitzenverbandes auf unsere Nachfrage sollte auf der Kopie in Praxis B auch ersichtlich sein, welche Behandlungseinheiten in welcher Ampelphase bereits in Praxis A durchgeführt wurden. Die Diagnostik, die Bedarfsdiagnostik und die versorgungsbezogene Pauschale darf je Blankoverordnung nur einmal abgerechnet werden. Das gilt nach Ansicht des GKV-Spitzenverbandes auch für den Fall des Praxiswechsels. Beim Thema Wirtschaftlichkeit wird die Blankoverordnung immer als Einheit gesehen, d. h. wenn in Praxis A bereits viele Behandlungseinheiten durchgeführt worden sind, dann wird nur Praxis B Vergütungsabschläge erhalten, wenn die Behandlungseinheiten in die rote Ampelphase hineinreichen. So sieht das der GKV-Spitzenverband und irgendwie lässt sich das vermutlich auch rein praktisch nicht ändern. Aus dieser (vertrags-)rechtlichen Einschätzung las- sen sich die möglichen Risiken für Praxis B ableiten: Fangen wir mit der Verordnungskopie an: Woher will Praxis B wissen, dass die Kopie keine Fälschung durch den Patienten ist? Das Risiko trägt Praxis B. Da es eine Pflicht gibt, die Abrechnungsstellen der Krankenkassen über den Wechsel zu informieren und das sowohl auf dem Original als auch auf der Kopie zu dokumentieren, hat Praxis B das Problem, dass nicht sichergestellt ist, dass Praxis A diese Dokumentation des Wechsels auch wirklich macht. Das Risiko trägt Praxis B. Hinsichtlich der Behandlungsmengen, die ja aus der Kopie ersichtlich sein sollen, ergibt sich die Frage: Was passiert, wenn Praxis A noch nachträglich Behandlungsmengen dazuschreibt und abrechnet? Dann verändert sich die gesamte Ampeleinordnung und Praxis B wundert sich über Vergütungsabschläge. Das gilt auch für die Abrechnung von Diagnostikpositionen etc. Praxis B kann sich niemals sicher sein, was Praxis A wirklich abrechnet. Praxis B muss mit möglichen Kürzungen leben und trägt das Risiko ganz allein. Und dann gibt es da noch Risiken, die mit dem individuellen Abrechnungsverhalten der jeweiligen Krankenkassen zu tun haben: Krankenkassen könnten die Zahlung einer Blankoverordnung von Praxis B verweigern, mit dem nicht vollkommen aus der Luft gegriffenen Argument, dass ohne Eingangsdiagnostik eine Behandlung im Rahmen der Blankoverordnung ja gar nicht begonnen werden darf. (Ja, das steht im Widerspruch zu der Regel, dass die Eingangsdiagnostik nur einmal abgerechnet werden darf.) Auch könnte irgendjemand auf die absurdeIdee kommen, dass man die Weiterführung der Blankoverordnung in Praxis B mit Fristen belegen könnte, dass z. B. nicht mehr als 28 Tage Abstand sein dürfen zwischen der letzten Behandlung in Praxis A und der ersten Behandlung in Praxis B. Kurz und knapp: Keine Praxis sollte sich auf die vielfältigen wirtschaftlichen Risiken einlassen, die mit der Weiterbehandlung einer Blankoverordnung, die schon in einer anderen Praxis begonnen wurde, verbunden sind. Und ja, man darf Patient:innen, die so etwas möchten, mit dem Hinweis abweisen, dass man keine Termine mehr frei hat.