Inspiration: Der Zyklus im Fokus

Viele Frauen kennen das: Kurz vor und während ihrer Periode leiden sie unter Bauchkrämpfen, Müdigkeit oder Migräne. Von Menstruationsschmerzen sind nach einer aktuellen AOK-Umfrage zwei Drittel der Frauen in Deutschland betroffen. Das muss nicht sein, ist die Physiotherapeutin Ann-Kathrin Michels überzeugt. Seit 2022 bietet sie Zyklus-Workshops an und zeigt Frauen den Weg zu einem schmerzfreien und regelmäßigen Zyklus. Ihr Rezept: Verstehe die eigenen Zyklusphasen im Kontext der vier Jahreszeiten.Ann-Kathrin Michels weiß, wovon sie spricht. Jahrelang litt sie unter Menstruationsbeschwerden, die so stark waren, dass sie auch beruflich einmal im Monat ausfiel. „Kein schönes Gefühl“, erinnert sie sich, „wenn man so aus dem Leben geschossen wird – weder für mich noch für meine Familie noch für meinen Chef.“ Nur mit der Höchstdosis an Schmerzmitteln konnte sie einigermaßen funktionieren. Ihr Frauenarzt war in diesen Zeiten keine große Hilfe. Seine Vorschläge: die Pille, eine Operation oder auf die Menopause warten. Weiblicher Zyklus immer noch tabuisiert Für die heute 37-Jährige waren das keine Optionen. Auch Fortbildungen zu diesem Thema gab es nicht. „Der weibliche Zyklus wird immer noch tabuisiert“, erklärt sie. Die Wissenschaft sei männlich dominiert, und bis heute fehle einfach das nötige Interesse. Beispielhaft stehe dies für die Erforschung typisch weiblicher Erkrankungen wie die Endometriose oder Lip- und Lymphödemen. „Immer noch besteht wenig Bereitschaft, sich zu fragen, woher Zyklusprobleme eigentlich wirklich kommen und was man dagegen noch tun könnte, als nur die Symptome mit Medikamenten wegzudrücken.“ So nahm sie ihre Zyklusgesundheit selbst in die Hand. Sie las zahlreiche Fachbücher und probierte vieles aus – „manches ohne den erwünschten Erfolg wie beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel!“ Schließlich erkannte sie, dass der Zyklus ganzheitlich betrachtet werden muss. Es reiche nicht, sich um die Beschwerden während der Periode allein zu kümmern, sondern man müsse immer die vier Phasen eines Zyklus’ im Auge haben. „Denn dein Zyklus ist nicht das Problem“, erkannte sie. „Er ist die Lösung.“ 2022 mit ersten Workshops gestartet Dieses profunde Wissen rund um den Zyklus wollte Ann-Kathrin Michels auch an andere Leidensgenossinnen weitergeben. Und so organisierte sie Zyklus-Workshops vor Ort in Paderborn und gibt seitdem den Frauen Tipps, wie sie selbst Verantwortung für sich und ihr Wohlbefinden übernehmen können. „Das große Stichwort heißt Selbstwirksamkeit.“ Im neuen Jahr soll es auch die Workshops online geben. Was passiert biologisch beim Zyklus Zu Beginn der Workshops stellen sich die Frauen vor und erzählen von ihren Verhütungsgeschichten, ihrem Kinderwunsch sowie ihren Zyklusbeschwerden. „Anfangs noch etwas zurückhaltend tauen sie bald auf“, berichtet die Therapeutin. „Sie haben hier das Gefühl, in einem geschützten Raum zu sein und offen ihre Geschichte erzählen zu können.“ Im ersten Teil erklärt Ann-Kathrin Michels, die auch Biologie studiert hat, was bei dem Zyklus biologisch abläuft, wann welches Hormon aktiv ist und was es auf körperlicher und mentaler Ebene mit der Frau macht. Lebensstil an Zyklusphasen anpassen Im zweiten Teil steht das Jahreszeitenmodell im Mittelpunkt. „Das Wissen über das, was im Körper vorgeht, zeigt den Teilnehmerinnen, was sie für Rückschlüsse aus dem Außen für das Wohlbefinden in ihrem Innern ziehen können.“ Schon kleine Veränderungen im Lebensstil können helfen. So hat Ann-Kathrin Michels beispielsweise der Verzicht auf Koffein geholfen. Koffein schüttet nämlich das Stresshormon Cortisol aus. Cortisol und das Schwangerschaftshormon Progesteron haben die gleichen Bausteine. „In der Natur gilt der Grundsatz: ‚Selbstschutz vor Fruchtbarkeit‘“, sagt die Therapeutin. „So bleiben nach dem Koffeingenuss nicht mehr genug Bausteine für das Wohlfühlhormon Progesteron übrig, und es kommt vermehrt zum Prämenstruellen Syndrom (PMS) mit allen körperlichen und psychischen Beschwerden.“ Es sei wichtig, auf die eigenen Bedürfnisse während der vier Phasen zu achten und sich ihnen anzupassen. „In der Zeit vor und während der Menstruation hat man häufig wenig Energie für andere“, sagt sie. „Ich habe gelernt, mehr Pausen zu machen und auch einmal Nein zu sagen.“ In dieser Phase sollte man den Terminkalender nicht überladen, sondern lieber ein- mal eine Zeit der Entspannung einschieben. Besserung nach frühestens drei Monaten Bis eine Besserung der Beschwerden eintritt, kann Zeit vergehen, weiß die Physiotherapeutin. „Von der Höchstdosis an Schmerzmitteln bis zur kompletten Schmerzfreiheit hat es bei mir sechs Monate gedauert.“ Aber es geht auch schneller, ist sie überzeugt. So können sich Änderungen bereits nach drei Monaten zeigen – „genauso lange wie es dauert, bis die Eizellen in den Eierstöcken gereift sind“. Dreistündige Workshops Die Workshops mit maximal sechs Teilnehmerinnen bietet die Praxisinhaberin einmal im Monat in Paderborn an. Sie dauern etwa drei Stunden, kosten 89 Euro inklusive eines eigenen Workbooks für jede Teilnehmerin. „In den Sommerferien und im Dezember mache ich eine Pause“, erläutert sie, „da sind die Frauen meist anderweitig beschäftigt.“ Anfangs liefen die Workshops schleppend. „Niemand wusste so recht, was sie eigentlich beinhalten“, erinnert sie sich, „und ich musste sehr viel Werbung machen.“ Inzwischen sind die Workshops meist ausgebucht – ohne Werbekampagnen, freut sie sich. Weitere Workshop-Ideen Auf eine neue Idee wurde Ann-Kathrin Michels durch ihre Kollegin Sandra Altrogge gebracht. Als Ergotherapeutin und Inhaberin einer Praxis mit elf Mitarbeiterinnen hatte diese an ihrem ersten Workshop teilgenommen. „Sie war begeistert“, erinnert sich die Zyklus-Beraterin. „Sie fand die neuen Erkenntnisse so bahnbrechend, dass sie Teile davon direkt in den Arbeitsalltag ihrer Praxis integriert hat.“ Diese Umstellungen, die auch zum 'New Work'-Ansatz zählen, führten zusammen mit weiteren Aspekten der Resilienz zu einer beeindruckenden Umsatzsteigerung von 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Workshop für Unternehmen „Kein Wunder, dass sich daraufhin weitere Arbeitgeber:innen bei mir meldeten – so entstand mein Workshop 'Zyklusbewusstes Arbeiten’". Hier lernen Unternehmen, wie sie durch ein tieferes Verständnis der natürlichen Rhythmen ihrer Mitarbeiterinnen die Produktivität steigern und Krankentage reduzieren können. Schließlich kenne sie aus ihrem Werdegang beide Seiten, die der loyalen Arbeitnehmerin und die der selbstständigen Unternehmerin. Das exklusive Paket umfasst einen zweistündigen Workshop für Arbeitnehmerinnen über das 4-Jahreszeiten-Zyklusmodell sowie eine einstündige Beratung für Arbeitgeber, um zyklusbewusste Arbeitsstrukturen in den Betrieb zu integrieren – für mehr Gesundheit und nachhaltige Effizienz im Arbeitsalltag. 1:1 Online-Coaching Aus ihren Erkenntnissen über den weiblichen Zyklus ist vor etwa einem halben Jahr das 1:1 Online-Programm „Werde zur Zyklusheldin“ entstanden. Dort will sie Frauen dabei unterstützen, innerhalb von drei Monaten ein Leben ohne Menstruationsbeschwerden zu führen – ohne auf Schmerzmittel oder Arztbesuche angewiesen zu sein. „Mein Ziel ist es, wieder in Einklang mit dem eigenen Körper zu kommen und Leichtigkeit sowie Freude im Alltag, sowohl privat als auch beruflich, zu erleben.“ Ann-Kathrin Michels wünscht sich, dass das Zykluswissen zu Allgemeinwissen wird. „Damit meine Töchter nicht mehr in einer Welt leben und arbeiten müssen, die keine Rücksicht auf ihre Bedürfnisse als zyklische Wesen nimmt“, hofft sie. "Denn die Anforderungen der linearen Leistungsgesellschaft laugt Frauen aus. Die vier Zyklusphasen In den Zyklusphasen – auch als die vier Jahreszeiten bezeichnet – ändert sich bei Frauen die Stimmung sowie der Energiehaushalt. Ursache sind die Hormone Östrogen und Progesteron, die in den verschiedenen Phasen dafür sorgen, dass sich Frauen entweder besonders fit, belastbar und innovativ fühlen oder aber sie sich besser auf die introvertierten Aspekte der Arbeit fokussieren können. In der ersten Zyklusphase, dem hormonellen Frühling oder der Follikelphase wächst in den Eierstöcken aus einer Eizelle ein Follikel heran. In dieser Zeit werden Frühlingsgefühle erweckt, die Energie steigt, und man ist voller Tatendrang. Im hormonellen Sommer oder der Ovulationsphase erfolgt der Eisprung. Frauen sind dann besonders kommunikativ und gut darin, soziale Beziehungen zu pflegen. Im hormonellen Herbst oder der Lutealphase nimmt die Energie merklich ab. Die Frauen brauchen weniger Trubel um sich herum und richten ihren Blick nun mehr nach innen. Es folgt der hormonelle Winter oder die Menstruationsphase. Kurz vor Eintreten der Periode werden Frauen häufig sehr emotional. Das reicht von leicht sensiblen Momenten bis zur tagelangen Weltuntergangsstimmung. Es nennt sich PMS, das prämenstruelle Syndrom, in dem der Hormonspiegel in den Keller rauscht. Es treten oft Kopfweh, Brustschmerzen, Verdauungsprobleme, Konzentrationsstörungen oder auch Heißhunger auf. Viele Frauen kennen das PMS. Es ist aber tatsächlich nicht normal und muss auch nicht hingenommen werden.