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Koalition: Ehrgeizige Aufholjagd und konsequente Vereinfachung

Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen ist sich die Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege einig geworden und hat einen finalen Entwurf zusammengestellt. Darin finden Heilmittelerbringer:innen einige ambitionierte Ziele für ihren Bereich betreffende Themen. Eine gute Nachricht vorweg: Die Verhandler aus Union und SPD haben sich darauf verständigt, den Versicherungen mit einigen Milliarden Euro aus dem Steuertopf aus der Klemme zu helfen. Damit haben die Kassen wieder etwas Luft, die drohende Gefahr eines Ausgabenmoratoriums dürfte damit vom Tisch sein.
Koalition: Ehrgeizige Aufholjagd und konsequente Vereinfachung

Vereinfachte Verordnung

Dann wird es großartig: „Die Verschreibung und Abrechnung von Heil- und Hilfsmitteln gegenüber den Krankenkassen vereinfachen wir wesentlich“, formulieren die Verhandler:innen. Das lässt Raum für Interpretation. Könnte damit die Einführung der Blankoverordnung als Regelversorgung in der Heilmittelrichtlinie gemeint sein, so wie von mir in der vergangenen Woche vorgeschlagen?

Und im Hinblick auf die vereinfachte Abrechnung könnte eine Passage für die Apotheken einen Hinweis auf die Umsetzung geben. Denn für die Apotheken soll es ein Verbot für Rechnungsabsetzungen aus formalen Gründen geben. Das wäre auch im Heilmittelbereich prima.

Neue Berufsgesetze noch in diesem Jahr

„Wir erhöhen die Wertschätzung und Attraktivität der Gesundheitsberufe“, wollen die Koalitionäre beschließen. Dazu passt, dass man noch im Jahr 2025 eine ehrgeizige Aufholjagd starten will: „die Berufsgesetze für Ergo-, Logo- und Physiotherapie reformieren wir zügig und zukunftsfest.“ Aufholjagd, weil Karl Lauterbach diese Reform den Physiotherapeut:innen schon vor über zwei Jahren versprochen hatte. (Hinweis: Das Zitat mit der „Logo-Therapie“ ist original aus dem Vereinbarungstext, hier muss noch mal jemand erläutern, dass Logopädie und Logotherapie zwei grundverschiedene Dinge sind.)

Die Osteopath:innen habe gute Lobbyarbeit geleistet und werden dafür von der zukünftigen Koalition mit einem eigenen Berufsgesetz belohnt. Man darf gespannt sein, was im Bundesgesundheitsministerium Priorität hat, die Reform der Berufsgesetze in der Physiotherapie oder das neue Berufsgesetz in der Osteopathie.

Sitz im G-BA für die Pflege

Tja, aber das war es dann auch schon mit dem Thema Heilmitteltherapie in der Koalitionsvereinbarung.

Die Pflege hat da deutlich mehr geschafft: Ein Sitz im G-BA und „kompetenzorientierter Fachpersonaleinsatz und die eigenständige Heilkundeausübung.“ Und: „Wir stärken die Eigenverantwortung in der Pflege und werten deren Selbstverwaltung auf.“

Cool, was da auf die Pflege zukommt. Das sind alles Dinge, die sich alle Heilmittelerbringer:innen eigentlich auch wünschen sollten. Aber solange die meisten Heilmittelverbände beim Wort Selbstverwaltung noch Schnappatmung bekommen, werden Heilmittelerbringende von der Politik nicht ganz zu Unrecht nicht auf Augenhöhe gesehen.

Was ist sonst noch interessant für die Heilmittelbranche?

Dokumentation und Kontrollen sollen durch ein Bürokratieentlastungsgesetz im Gesundheitswesen innerhalb der ersten sechs Monate massiv verringert werden. „Wir etablieren eine Vertrauenskultur, stärken die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Professionen, statt sie mit Bürokratie zu lähmen…“ Hört sich großartig an, würde aber tatsächlich ein ziemlich grundlegendes Umdenken bei manchen Kassenvertreter:innen notwendig machen. Drücken wir die Daumen, dass der Passus in der Vereinbarung auch für die Heilmittelbranche gedacht ist.

Und es soll es in Zukunft die Option für verbindliche Primärärzte geben, dann gibt es Facharztbesuche nur noch mit einer Überweisung, aber sicher ein Termin innerhalb einer bestimmten Zeitspanne. Welche Auswirkung das auf die Verordnung von Heilmitteln hat, lässt sich schwer vorhersagen.

Fazit: Die Koalition nimmt sich viel vor, baut ziemlichen Erwartungsdruck auf und dreht an den richtigen Stellschrauben. Das ist für alle Heilmittelpraxen ein Grund zur Freude! Andererseits nimmt das Thema Heilmittel enttäuschend wenig Raum in der Vereinbarung ein. Und das, worum das Wohl und Wehe mancher Heilmittelverbände kreist, der Direktzugang, kommt in Form der freien Heilkundeausübung für die Pflege, aber definitiv nicht für die Heilmittelerbringer:innen. Tja, bei der politischen Lobbyarbeit der Heilmittelbranche ist wirklich noch viel Luft nach oben.

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Marco Bruhn
17.04.2025 17:16

Das wäre sehr gut wenn die Berufsgesetze in den Heilmittelberufen… Weiterlesen »

Aira A.
29.03.2025 18:22

Vielleicht IST da für die Podologie AUCH etwas übrig? Verantwortung,… Weiterlesen »

Kerstin Richter
28.03.2025 22:17

Hat man uns Podologen garnicht auf dem Schirm??? Wir sind… Weiterlesen »

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