„Als sektoraler Heilpraktiker eröffnet man sich den Weg zu neuen Patienten, neuen Behandlungsfeldern und es macht einfach auch Freude“

Seit August 2024 gibt es den sektoralen Heilpraktiker nun deutschlandweit auch für Podologinnen und Podologen. Damit wird die Berufsgruppe unabhängiger bei der Patientenbehandlung und es eröffnen sich neue berufliche Perspektiven für Euch. Torsten Seibt ist Podologe, Praxisinhaber und sektoraler Heilpraktiker. Er erzählt im Gespräch mit Dr. Barbara Wellner, welchen Unterschied der sektorale Heilpraktiker in seiner täglichen Arbeit macht, warum er sich dafür entschieden hat und wie der Weg dahin war. Im August 2024 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der sektorale Heilpraktiker für Podologinnen und Podologen nun in allen Bundesländern möglich ist. Seit wann haben Sie den sektoralen Heilpraktiker? Seit 2014, damals gab es ein Urteil, dass sich in erster Linie auf die Physiotherapie bezog. Es wurde aber von Verbandsanwälten aufgegriffen und auf andere Heilmittelberufe ausgedehnt. Allerdings haben sich einige Bundesländer und Kommunen damals sehr dagegen gewehrt. Darum ist es schön, dass jetzt endlich für alle Rechtssicherheit herrscht und die bestehenden Widerstände beseitigt wurden. Dann waren Sie sicher einer der ersten Podologen mit sektoralem Heilpraktiker. Wenn sich Berufskolleginnen und -kollegen auch für diesen Weg entscheiden, wie werde ich sektoraler Heilpraktiker in der Podologie? Da gibt es mehrere Möglichkeiten: Es gibt den „großen Heilpraktiker“ ohne fachliche Einschränkung sowie den „kleinen Heilpraktiker“, der nur für die Heilkunde in einem bestimmten Bereich gilt und daran andockend den sektoralen Heilpraktiker für die Heilmittelberufe. Theoretisch muss man als Angehöriger der Heilmittelberufe nichts machen, außer zur zuständigen Behörde zu gehen, sich für eine Prüfung anzumelden und diese abzulegen. Allerdings sollte sich jeder vor Ort selbst darüber informieren, welche Voraussetzungen das jeweilige Gesundheitsamt dafür vorsieht. Eine bestimmte Ausbildung für den sektoralen Heilpraktiker ist vom Gesetz nicht vorgegeben. Bei der Heilpraktikerprüfung geht es auch nicht darum, was derjenige kann, sondern was er darf oder nicht darf. Bei meiner Recherche zum Thema ist mir aufgefallen, dass es doch eine Fülle von Vorbereitungskursen für diese Prüfung gibt. Ist das nötig? Definitiv. Als ich die Prüfung damals gemacht habe, war ich inhaltlich noch gut in den Themen drin, auch im theoretischen Stoff. Ich stand vor einer Bachelor- Ausbildung, war an einer Schule und im Berufsverband tätig und dennoch brauchte es eine Vorbereitung. Ich würde es jeder Kollegin und jedem Kollegen dringend empfehlen. Und es dient ja auch der Wissensgewinnung. Man lernt ganz viel dabei, über den menschlichen Körper, den Aufbau, die Funktion, die Zusammenhänge zwischen dem Fuß und dem Menschen als Ganzes. Es ist also dringend erforderlich und lohnt sich, einen solchen Kurs zu machen. Wie viel Zeit muss ich als Praxisinhaber bzw. -inhaber denn in etwa investieren, wenn ich den sektoralen Heilpraktiker erwerben möchte? Wie viel Zeit muss ich einkalkulieren von dem Zeitpunkt, wenn ich mich dafür entscheide, bis zur abgeschlossenen Heilpraktikerprüfung? Ich bin der Meinung, dass man schon zwei bis drei Wochenendkurse besuchen sollte. Da gibt es unterschiedliche Anbieter. Ich habe mir den mittlerweile recht großen Fortbildungsmarkt mal angeschaut. Von den Intensivkursen die ein bis zwei, manchmal auch drei Tage dauern, bin ich nicht so überzeugt. Da muss man schon wirklich gut im Stoff sein und bereits Kenntnisse haben, die über Grundkenntnisse hinausgehen. Auch sollten sich Kolleginnen und Kollegen, die die Heilpraktikerprüfung ablegen möchten, vorher beim für sie zuständigen Gesundheitsamt erkundigen, wo der Amtsarzt, der die Prüfung abnimmt, die inhaltlichen Schwerpunkte legt und eine entsprechende Fortbildung auswählen. Die Inhalte der Prüfung können sich also je nach Wohnort deutlich unterscheiden. Wie sieht das bei den Kosten aus? Das habe ich nicht im Detail recherchiert, aber ich glaube, dass das eher einheitlich geregelt ist. Die Prüfungskosten machen wohl eher den kleinenren Teil aus. Kostenintensiver sind die Gebühren für die Vorbereitungskurse. Und natürlich dürfen Praxisinhaber aus kaufmännischer Sicht auch die Kosten nicht vergessen, die durch ihren Ausfall in der Praxis entstehen. Es ist auch dringend zu empfehlen, sich dafür wirklich Zeit zu nehmen und die Vorbereitung nicht zwischen Tür und Angel zu erledigen. Das ist die Sache auch wert, gerade wenn man schon zehn oder fünfzehn Jahre im Beruf arbeitet und für sich auch mal eine Veränderung und neuen Input haben möchte. Dafür ist der sektorale Heilpraktiker eine wirklich gute Sache. Wie sieht die Heilpraktikerprüfung dann aus? Besteht diese aus mehreren Teilen, schriftlich und mündlich? In meinen Fall war das tatsächlich nur eine mündliche Prüfung, die etwa 30 Minuten gedauert hat. Aber auch da würde ich den Kolleginnen und Kollegen empfehlen, sich bei ihrem Gesundheitsamt zu erkundigen, denn ich halte es durchaus für möglich, dass es da Unterschiede gibt. Jetzt haben wir darüber gesprochen, wie man den sektoralen Heilpraktiker erwerben kann. Mich interessiert natürlich auch, welcher Nutzen daraus im Praxisalltag entsteht. Sie haben langjährige Erfahrung damit. Was hat sich in Ihrer Arbeit geändert durch den sektoralen Heilpraktiker Podologie? Es gibt eine Vielzahl von Vorteilen. Den ersten, den ich nennen möchte, wenn ich einmal alle rechtlichen Vorteile beiseitelasse, ist der Wissensgewinn, der Wissenszuwachs, den man selbst dadurch hat. Man sieht den Menschen ganz anders. Ich finde, ein Hauptaspekt unseres Berufes als Podologinnen und Podologen ist die Beratung und die Informationsvermittlung an den Patienten. Als Therapeut habe ich während der praktischen Behandlung zwanzig Minuten Zeit, um mit dem Patienten über sein Problem am Fuß, sein körperliches Problem oder bei Diabetikern über sein Stoffwechselproblem zu sprechen. Welche weiteren Vorteile fallen Ihnen ein? Der zweite große Vorteil ist der rechtliche Aspekt. Der Heilpraktiker ist neben dem Arzt der einzige Beruf, der selbstverantwortlich Heilkunde ausüben kann. Das heißt, ich habe als Heilpraktiker juristisch ganz andere Möglichkeiten. Alle anderen medizinischen Hilfs- und Heilberufe dürfen nicht selbstständig arbeiten, sondern nur auf ärztliche Anordnung. Mit dem sektoralen Heilpraktiker ist man also juristisch abgesichert, weil man eine Diagnose stellen darf. Als Podologe darf ich ja formaljuristisch betrachtet keine Diagnose stellen. Da muss ich mich immer etwas vage ausdrücken. Ich denke, das ist bei den anderen Heilmittelberufen ähnlich. Als Heilpraktiker hingegen darf ich eine Diagnose stellen und private Rezepte verordnen. Daraus ergibt sich dann natürlich auch ein anderes Abrechnungspotenzial mit privaten Krankenversicherungen und Kostenträgern. Es gibt eine Vielzahl von Therapien, die mit der podologischen Behandlung einhergehen, die man dann auch ausüben kann. Ich fasse die Vorteile des sektoralen Heilpraktikers noch einmal kurz zusammen: Der erste ist der Wissenszuwachs, der zweite die rechtliche Absicherung und der dritte Vorteil ist, dass man fiskalisch nicht mehr angreifbar ist, denn die Heilpraktikerleistung ist generell nicht mehrwertsteuerpflichtig. Das gilt in der Praxis nicht nur für meine eigene Arbeitsleistung, sondern auch für die der Mitarbeitenden. Außerdem eröffnet man sich den Weg zu neuen Patienten, neuen Behandlungsleistungen und es macht einfach auch Freude. Was muss ich beachten, wenn ich neben meiner Praxis mit Kassenzulassung auch als sektoraler Heilpraktiker arbeite? Es gibt die Möglichkeit, als sektoraler Heilpraktiker heilkundlich tätig zu sein. Das müssen Sie in der Praxis dann allerdings räumlich trennen. Die Kassenzulassung sieht u. a. vor, dass man keine anderen Gewerbe in der Praxis haben darf. Nun ist der Heilpraktiker kein Gewerbe, aber auch aus Sicht des Heilpraktikergesetzes muss man dafür mindestens einen separaten Raum in der Praxis vorhalten. Das ist die Mindestanforderung. Darüber hinaus sollte man sich aber auch bei seinem Gesundheitsamt vor Ort über weitere Vorgaben informieren. Wie hat sich Ihre Arbeit durch den sektoralen Heilpraktiker verändert? Der Beruf des Podologen befindet sich jetzt schon im Wandel von einem Pflegeberuf zu einem Therapieberuf. Sie wissen, der Beruf hat seinen Ursprung in der Fußpflege, da steckt der Begriff Pflege schon mit drin – und das ist nach wie vor aktuell. Manche Kolleginnen und Kollegen betrachten ihren Beruf vornehmend pflegerisch. Das kann man tun, das ist auch nicht verwerflich, aber der Anteil der Kolleginnen und Kollegen, die in ihrem Beruf auch einen therapeutischen Auftrag sehen, wächst. Mit dem sektoralen Heilpraktiker geht man noch einen weiteren Schritt in diese Richtung. Außerdem hebelt man durch den sektoralen Heilpraktiker die Unterscheidung zwischen Patienten, die ohne ärztliche Verordnung in die Praxis kommen, den sogenannten Selbstzahlern, und denen mit ärztlicher Verordnung aus. Was heißt das genau? Wir haben ja drei Patientengruppen in den Praxen. Da sind die Kassenpatienten, die mit ärztlicher Verordnung zu uns kommen, die Privatpatienten, die ebenfalls eine ärztliche Verordnung haben und eben die Selbstzahler, die ohne ärztliche Verordnung kommen. Bei Letzteren sagt dann der Gesetzgeber, wenn keine ärztliche Verordnung vorliegt, handelt es sich nicht um eine medizinische, sondern um eine kosmetische Behandlung, und die ist mehrwertsteuerpflichtig. Das ist durch den sektoralen Heilpraktiker anders, denn dann kann ich selbst die Diagnose stellen. Es ist also wichtig, dass ich diese Patienten, die direkt in die Praxis kommen, am Anfang einmal sehen und diagnostizieren kann. Darauf muss in der Praxis im Rahmen des Qualitätsmanagements geachtet werden. Zudem benötige ich als Heilpraktiker ein paar Papiere, so etwas wie einen kleinen Rezeptblock zum Beispiel. Den brauche ich, wenn ich für Patienten etwas notieren möchte, ein Rezept oder eine Verordnung schreibe. Auch wichtig, ich muss nach bestandener Prüfung die Niederlassung beim zuständigen Gesundheitsamt formlos anzeigen. Das heißt, ich muss die Behörde darüber informieren, dass ich nun als sektoraler Heilpraktiker tätig bin. Darüber führen die Kommunen eine Liste. Das ist eher die organisatorisch-administrative Seite. Wie sieht es therapeutisch aus? Auf der therapeutischen Seite muss ich mir überlegen, was ich machen möchte. Da gibt es eine große Bandbreite an Möglichkeiten, rein auf den Fuß bezogen, die beispielsweise die Gelenke betreffen, Mobilisation oder Taping. Das sind ganz einfache Maßnahmen. Es hängt sehr davon ab, was ich als Therapeut möchte. Bei der Gelenkmobilisation oder beispielsweise Schleimbeutelentzündungen, wie man das im Zehenbereich öfters hat, gibt es einige schöne Möglichkeiten der Behandlung. Es gibt auch recht invasive Verfahren, die heilkundlich möglich sind, zum Beispiel bei der Krampfadertherapie. Da gibt es beispielsweise ein Verfahren, bei dem eine Salzlösung in die Vene gespritzt wird. Für solche Behandlungen muss man heilkundlich sehr versiert sein und sollte ein paar Mal bei einem Heilpraktiker hospitiert haben, um zu lernen, wie das gemacht wird. Da möchte ich auch an das Verantwortungsgefühl der Therapeuten appellieren. Würden Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen die Fortbildung zum sektoralen Heilpraktiker empfehlen? Auf jeden Fall, der sektorale Heilpraktiker ist eine sehr schöne Möglichkeit, unseren Beruf relativ unkompliziert zu erweitern. Ich kann die Kolleginnen und Kollegen wirklich nur dazu einladen, davon Gebrauch zu machen. Herr Seibt, vielen Dank für die Einblicke und dieses schöne Schlusswort. Hörtipp: Torsten Seibt im up-podcast Das komplette Gespräch mit Torsten Seibt könnt Ihr Euch im up-podcast anhören: Tipp: Den up-podcast findet Ihr auch bei Spotify und Apple Podcasts.