„Die Blankoverordnung ist für alle ein Gewinn“

Wir feiern in diesem Monat Geburtstag. Die Blankoverordnung in der Ergotherapie wird ein Jahr alt. Herzlichen Glückwunsch. Wir sind gespannt, was sich in dem einen Jahr getan hat, und haben mit der Praxisinha- berin und Ergotherapeutin Nora Sophia Hoss gesprochen. Sie berichtet im up-podcast unserem Kollegen Björn Schwarz, wie sie mittlerweile mit der Blanko-VO arbeitet, welche Vorteile sich für das Team und die Patient:innen daraus ergeben haben und auch, wie sie kleine Stolper- steine wie die Zuzahlung geregelt hat. Nora, nun habt Ihr ein Jahr lang mit der Blanko-VO gearbeitet. Wie hat das funktioniert? Natürlich war ich am Anfang auch unsicher, ob das alles so klappt, und wir mussten uns einspielen, aber jetzt freue ich mich sehr über die Blankoverordnung. Wir sind damit einen großen Schritt weiter in der Direktversorgung. Wir können die Therapie selbst planen, sind frei in der Therapiegestaltung und müssen nicht stumpf eine Verordnung abarbeiten. Es ist auch mittlerweile viel weniger Aufwand als noch am Anfang. Wie hoch ist denn der Anteil an Blanko-VO in Deiner Praxis? Bei uns sind mittlerweile 90 Prozent der Verordnungen Blankoverordnungen. Wir haben allerdings den Schwerpunkt Handtherapie. Das bedeutet, zu uns kommen hauptsächlich Patient:innen, die frisch an der Hand operiert wurden. War das von Anfang an so? Oder musstet Ihr die Ärzt:innen aufklären? Wir haben den April 2024 erstmal abgewartet. Da kamen zwar erste Blanko-VO bei uns an, aber eher wenige. Da wir aber mit den Arztpraxen sehr eng zusammenarbeiten, haben wir schnell Kontakt aufgenommen und erklärt: Stellt doch eine Blankoverordnung aus, die fällt auch nicht in Euer Budget. Zu einer Praxis bin ich auch hingefahren und habe der Rezeptionskraft erklärt, bei welchen Diagnosegruppen Blanko-VO ausgestellt werden können usw. Bei einigen Ärzt:innen ist es noch schwierig, aber wenn sie hören, dass Blanko-VO extrabudgetär sind, lassen sich viele doch noch umstimmen. Wie plant Ihr denn die Termine? Ist das überhaupt kurzfristig nach einer OP möglich? Wir haben mit den Ärzt:innen ein gutes Konzept entwickelt. Die Chirurgiepraxen sagen den Patient:innen schon beim Vorgespräch zur OP, dass sie sich bei uns melden und Termine vereinbaren sollen. Dann planen wir die ersten Termine und selbst, wenn sich der Therapiebeginn dann noch einmal um ein paar Tage verzögert, bleibt nach hinten raus genug Zeit bei 16 Wochen. Habt Ihr ein Konzept entwickelt für Blankoverordnungen oder wie geht Ihr konkret vor? Wir planen die ersten drei Wochen durch mit zwei bis drei Terminen pro Woche. Dann schauen wir gemeinsam mit den Patient:innen, ob das so passt oder mehr Intensität nötig ist. Anschließend legen wir die Termine für die verbleibenden 13 Wochen fest. Das machen wir ganz individuell, sodass wir auch mal eine Pause machen oder doch noch zusätzliche Termine einplanen können. Wie habt Ihr dieses Vorgehen entwickelt? Habt Ihr die Ärzt:innen einbezogen oder im Team einen Plan entwickelt? Das haben wir im Team entschieden. Anfangs haben wir erstmal so weitergemacht wie mit den normalen 10er-Verordnungen und die Patient:innen zweimal die Woche eingeplant. Wir haben dann aber ganz schnell festgestellt, dass wir die neue Flexibilität auch nutzen wollen. In der Akutphase behandeln wir nun immer etwas intensiver und nutzen die Möglichkeiten, die uns die Blanko-VO bietet. Nach hinten raus lassen wir die Behandlung dann langsam ausschleichen und wir planen auch Pausen ein, in denen die Patient:innen zu Hause selbst üben und schauen, wie sie ohne Therapie im Alltag zurecht- kommen. Dann erhalten sie in der Regel noch ein bis zwei Termine, um ihnen die Sicherheit zu geben. Meistens können wir die Betroffenen nach 16 Wochen entlassen. Kannst Du vergleichen, was für das Team und auch die Patient:innen mit einer Blanko-VO besser oder schlechter läuft als mit normalen Verordnungen? Die Patientinnen und Patienten müssen nicht für neue Verordnungen alle fünf bis zehn Wochen wieder in die Arztpraxis. Das ist für viele eine Erleichterung. Vor allem, weil sie dann auch nicht mehr hören: Ich kann nicht noch eine Verordnung ausstellen. Ich komme in den Regress, das Budget ist ausgeschöpft. Denn die Blanko-VO fallen ja nicht ins Budget der Ärzte. Wir können im Gegenzug über einen längeren Zeitraum viel effektiver planen. Wenn wir eine Pause für sinnvoll halten, bauen wir sie in den Plan ein, aber es entsteht keine Zwangspause, weil ein Arzt keine neue Verordnung ausstellen möchte. Blankoverordnungen sind für alle weniger frustrierend. Und selbst wenn Patient:innen eine zweite Blanko-VO erhalten, müssen wir ja nicht 16 Wochen lang konsequent Therapie machen, sondern können ganz individuell entscheiden, was Sinn macht. Die Zuzahlung ist immer ein Thema in den Praxen, besonders bei der Blanko-VO. Denn hier müssen die Patient:innen ja häufig einen größeren Betrag auf einmal an Zuzahlung leisten. Wie geht Ihr damit um? Wir klären unsere Patient:innen wirklich sehr intensiv auf. Ja, der Betrag, den sie zahlen müssen, ist erst einmal höher als bei einer 10er-Verordnung. Wir erklären ihnen dann aber genau, dass es am Ende nicht mehr ist, was sie bezahlen – im Gegenteil. Wenn sie drei oder vier normale Verordnungen bekämen, müssten sie jedes Mal die zehn Euro Verordnungsblattgebühr zahlen. Wir hatten am Anfang auch viele Diskussionen, mittlerweile ist unsere Aufklärung wirklich gut. Wir ziehen die Zuzahlung dann gegen Ende ein, wenn absehbar ist, wie hoch diese ausfällt. Wenn es Patient:innen gibt, die diese Beträge nicht auf einmal aufbringen können, finden wir immer individuelle Lösungen. Die meisten Patient:innen freuen sich über die Blanko-VO, weil es für sie insgesamt einfacher wird und die Versorgung besser ist. Dann akzeptieren sie auch die Zuzahlungshöhe besser. Etwas, wovor viele Praxen Angst hatten, ist die rote Phase, in der es Abschläge gibt. Wie geht Ihr damit um? Also, ich hätte gerne das Personal, um mal in die rote Phase zu kommen. Wir sind im letzten Jahr noch nicht einmal in die gelbe Phase gekommen, obwohl wir am Anfang wirklich hochfrequente Therapie machen. In den nächsten Verhandlungsrunden soll die Blankoverordnung auf weitere Diagnosegruppen erweitert werden. Hast Du einen Wunsch, den Du den Verbänden mit auf den Weg geben möchtest? Wenn es machbar wäre, die Blankoverordnung für alle Diagnosegruppen einzuführen, wäre das auf jeden Fall ein Vorteil. Es macht gar keinen Sinn, sie nicht für alle einzuführen, auch in der Physiotherapie. Für die Ärzt:innen ist es ebenfalls eine Erleichterung. Dieses Feedback bekommen wir auch immer wieder. Am Ende ist die Blankoverordnung für alle ein Gewinn. Das gesamte Gespräch könnt Ihr im up-podcast unter www.up-aktuell.de/podcast-ein-jahr-blanko hören.