Gewerbesteuer, ja oder nein?

Viele Praxisinhaber:innen in den Heilmittelberufen gehen davon aus, keine Gewerbesteuer zahlen zu müssen – schließlich üben sie eine therapeutische, freiberufliche Tätigkeit aus. In der Regel stimmt das, doch es gibt Konstellationen, in denen Physiotherapie-, Ergotherapie-, Logopädie- oder Podologie-Praxen gewerbesteuerpflichtig werden. Wann das der Fall ist und wie Ihr das vermeiden könnt, erfahrt Ihr hier. Physiotherapeut:innen, Ergotherapeut:innen, Logopäd:innen und Podolog:innen gehören laut § 18 EStG zu den „Katalogberufen“. Sie üben grundsätzlich eine freiberufliche Tätigkeit aus, für die eine bestimmte Zulassung erforderlich ist. Vorteil: Freiberufler:innen zahlen keine Gewerbesteuer – ein bedeutender Pluspunkt für kleine und mittlere Praxen. Damit Eure Tätigkeit als freiberuflich anerkannt wird, müsst Ihr fachlich leitend und eigenverantwortlich tätig sein – durch eigene Behandlungen oder aktive fachliche Anleitung der Mitarbeitenden. Wann wird eine Heilmittelpraxis gewerbesteuerpflichtig? Die Abgrenzung zwischen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit ist nicht immer eindeutig. Folgende Fälle bergen ein erhöhtes Risiko: 1 | Verwaltung statt Behandlung Wenn Ihr kaum noch therapeutisch tätig seid und Euch primär um Organisation und Management kümmert, kann Eure Praxis als gewerblich eingestuft werden – besonders bei großen Betrieben. Tipp: Dokumentiert Eure fachlichen Tätigkeiten. Bei mehreren Standorten solltet Ihr genau festhalten, wann Ihr wo fachlich tätig wart. Delegiert Verwaltung möglichst, um therapeutisch aktiv zu bleiben. 2 | Größe und Struktur der Praxis Wächst Eure Praxis stark, prüfen Finanzbehörden genauer, ob Ihr noch fachlich leitet. Ist das nicht der Fall, droht die gewerbliche Einstufung. 3 | Zusatzangebote mit Gewerbecharakter Ergänzende Leistungen wie Fitnesskurse oder Wellnessmassagen können als gewerblicher Betrieb gewertet werden. Hier empfiehlt sich eine klare Trennung – z. B. über getrennte Buchführung oder separate Unternehmen. 4 | Gesellschaftsformen und Kooperationen Gründet Ihr eine GmbH, arbeitet mit Investoren oder betreibt ein MVZ, prüfen Behörden, ob wirtschaftliche Interessen überwiegen. Auch eine Übernahme durch Angehörige ohne Katalogberuf führt zur Gewerbesteuerpflicht. Wann wird Gewerbesteuer tatsächlich fällig? Auch wenn Eure Praxis als gewerblich gilt, fällt die Steuer nicht sofort an. Es gibt einen Freibetrag von 24.500 Euro Gewinn pro Jahr. Erst darüber entsteht Steuerpflicht – abhängig vom Hebesatz der Gemeinde. Beispiel: Eure Praxis erwirtschaftet 60.000 Euro Gewinn aus gewerbesteuerpflichtigen Leistungen. Nach Abzug des Freibetrags bleiben 35.500 Euro. In Kiel mit einem Hebesatz von 450 Prozent ergibt sich eine Belastung von etwa 5.590 Euro (siehe Kasten). Da die Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer angerechnet wird (bis 400 Prozent zu 100 Prozent, darüber anteilig), ist die tatsächliche Mehrbelastung oft geringer. Auch wenn gewerbliche Einnahmen mehr als drei Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen, kann anteilige Gewerbesteuer fällig werden. Was bedeutet das für Euch als Praxisinhaber:innen? Führt Ihr Eure Praxis persönlich und fachlich verantwortlich, seid Ihr meist auf der sicheren Seite. Bei Expansion, Kooperationen oder strukturellen Änderungen solltet Ihr prüfen lassen, ob Eure Tätigkeit noch als freiberuflich gilt. Unser Tipp: Holt Euch rechtzeitig Rat von spezialisierten Steuerberater:innen. In Zweifelsfällen schafft eine verbindliche Auskunft beim Finanzamt Planungssicherheit – insbesondere vor größeren unternehmerischen Entscheidungen. Was ist der Hebesatz bei der Gewerbesteuer? Der Hebesatz legt fest, wie teuer die Gewerbesteuer an Deinem Standort ist. Jede Gemeinde legt selbst fest, wie hoch ihr Hebesatz ist. Große Städte verlangen oft mehr (450 bis 490 Prozent), kleinere Orte oft weniger (320 bis 380 Prozent). Hörtipp: Gewerbesteuer – auch wichtig für Heilmittelpraxen Weitere Informationen findet Ihr im up-podcast „Gewerbesteuer – auch wichtig für Heilmittelpraxen“ bei Spotify und bei Apple Podcasts.