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„Wir melden uns zu Wort!“

Interview mit Petra Krätsch-Sievert, Arbeitsgemeinschaft Qualitätsbericht Logopädie Baden-Württemberg

„Wir melden uns zu Wort!“

Die Arbeitsgemeinschaft Qualitätsbericht Logopädie Baden-Württemberg hat den ersten Qualitätsbericht der Heilmittelbranche veröffentlicht. Nicht mehr nur reagieren, sondern selbstbewusst den eigenen Berufsstand einer breiten Öffentlichkeit präsentieren – das war das erklärte Ziel der Arbeitsgemeinschaft. Nicht bei allen Kollegen stieß dieses Engagement auf Begeisterung. Heidi Kohlwes sprach mit Petra Krätsch-Sievert über Motive, Arbeitsschweiß und Reaktionen.

Frau Krätsch-Sievert, Sie haben gemeinsam mit einigen Kolleginnen den ersten Qualitätsbericht in der Heilmittelbranche veröffentlicht. Wie kamen Sie auf die Idee?

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Die Logopädin Petra Krätsch-Sievert ist eine der Initiatoren des Qualitätsberichts. Foto: privat

Im Gesundheitswesen herrscht ein ständiger Verteilungskampf. Es geht seit Jahren vorrangig ums Geld. Wir sehen die Gefahr, dass in diesem Kampf die Interessen des Patienten untergehen und die Sinnhaftigkeit von medizinischen und therapeutischen Leistungen gar nicht mehr inhaltlich, sondern nur noch aus wirtschaftlicher Perspektive diskutiert wird. Diese ganze Fragestellung wollten wir umdrehen und zeigen, dass wir nicht über die Sinnhaftigkeit von Heilmitteltherapie diskutieren müssen, weil diese erwiesener Maßen sinnvoll ist. Zum anderen dominieren in der medialen Berichterstattung Meldungen von Krankenkassen, die behaupten, es wurden zu viele Heilmittel verordnet werden. Die AOK sagte zum Beispiel im Oktober 2010, es gäbe in Baden-Württemberg zu viel Logopädie. Als Therapeut steht man dann erst mal da und fragt sich: „Wie kommen die da drauf?“. Wir wollten uns nicht ständig gegen solche Behauptungen rechtfertigen, sondern selber ein Zeichen setzen und zeigen, wie gut die Zahlen eigentlich sind und wie gut auch die Qualität unserer Arbeit ist. Unser Qualitätsbericht ist als Gegengewicht zu der medialen Berichterstattung über Heilmittelerbringung gedacht. Damit wollen ein Statement über uns und unsere Arbeit abgeben.

Ein Qualitätsbericht braucht Daten. Welche Zahlen haben Sie als Grundlage benutzt?

Wir haben zwei Quellen benutzt. Zum einen haben wir die Zahlen des GKV-HIS verwendet und zum anderen die einer Patientenbefragung, die von der Firma buchner in Baden-Württemberg durchgeführt wurde. Dafür wurden im Februar 2011 ca. 2.500 Patienten in 46 Praxen standardisiert befragt und die Ergebnisse dann nach den klassischen Kriterien der Struktur-, Prozess-, und Ergebnisqualität ausgewertet. Diese zwei Datenpools sind die Grundlage für unseren Bericht gewesen.

In dem Bericht werden ja nicht nur die Zahlen vorgestellt. Was war Ihnen noch wichtig bei der Präsentation in der Öffentlichkeit?

Zahlen sind ja erst mal etwas Trockenes und wenig verlockend zu konsumieren, auch wenn diese in einer schönen Verpackung dargestellt werden. Deswegen wollten wir das Ganze auflockern, in dem wir praktische Aspekte unserer Arbeit hinzugenommen haben. Dazu haben wir zwei Schwerpunkte in der Logopädie ausgewählt, nämlich die Entwicklung der Kindersprache und die neurologischen Störungen. Für diese Bereiche nennen wir dann in dem Bericht konkrete Beispiele, was unsere logopädische Arbeit bewirken kann. Zum Beispiel die Frau, die nicht essen konnte und jetzt wieder in einem Chor singt oder der Mann mit dem Schlaganfall, der es geschafft hat, in seinen alten Beruf zurückzukehren. Dann haben wir uns noch mit der Frage beschäftigt, in welchem Gefüge wir uns als Therapeuten in der Sprachtherapie bewegen. Das ist zum einen die Kommunikation mit den Ärzten und Krankenkassen aber auch das Networking untereinander. Zusammenfassend wollten wir zeigen, wie wir Logopäden uns in das Netz der Gesundheitsversorgung einbinden.

Wo wurde der Bericht erstmals veröffentlicht?

Wir haben eine Vorabversion auf dem jährlich stattfindenden Bundeskongress des dbl präsentiert, also der Berufsverbandsöffentlichkeit. Das Feedback, das wir dort bekommen haben, war ein sehr gemischtes und sehr lebhaftes.

Inwiefern „gemischt“?

Wir haben diesen Bericht auch gemacht, um ihn als Marketinginstrument zu nutzen. Die Marketingstrategie ist, unseren Berufsstand in ein gutes Licht zu rücken. Und zwar in ein berechtigt gutes Licht, denn das beweisen ja unsere Zahlen. Diese offensive Art, sich selber zu präsentieren, entspricht aber nicht unbedingt dem Selbstbild eines therapeutisch handelnden Menschen. Da müssen sich noch einige dran gewöhnen, dass man auch offensiv damit umgehen kann. Vielleicht empfanden einige das neue Instrument auch nur als befremdlich und konnten es nicht richtig einschätzen, denn einen Qualitätsbericht für den Heilmittelbereich gab es vorher ja noch nicht.

Wem oder was bringt denn nun der Qualitätsbericht etwas?

Meines Erachtens profitiert der gesamte Berufsstand von so einem Qualitätsbericht. Wir haben festgestellt, dass wir in den Kassenverhandlungen, die wir seitdem geführt haben, ganz anders und viel entspannter mit den Zahlen umgehen und viel besser argumentieren können. Denn wir kennen jetzt unsere Zahlen ganz genau. Wenn einem in Verhandlungen dann die Zahlen um die Ohren gehauen werden, ist das nicht mehr einschüchternd, sondern wir können sofort fachlich kontern. Ich denke, wir haben mit dem Bericht ein Stück weit Augenhöhe zu unseren Verhandlungspartnern erreicht und können selbstbewusster als Berufsstand in die Öffentlichkeit gehen. Dadurch sind wir auch ein ernstzunehmender Partner.

Das große Ganze kann ja manchmal etwas abstrakt sein. Hilft der Bericht auch dem einzelnen Therapeuten?

Natürlich. Wenn sich zum Beispiel ein Praxisinhaber bei seinen Ärzten vorstellen oder in Erinnerung bringen möchte, kann der Bericht eine gute Hilfe bei seiner Präsentation sein. Denn die eigene professionelle Expertise wird haufig unter den Scheffel gestellt und nicht jedem fällt es leicht, sich gut zu präsentieren. Ich denke, jemand, der trotzdem gerne etwas für seine Praxis machen möchte, kann diesen Qualitätsbericht nehmen und muss dann nicht sagen: „Ich bin aber toll“, sondern kann sagen: „Ich gehöre einer Berufsgruppe an, die toll ist“. Das ist etwas von dem wir hoffen, dass die Kollegen davon profitieren können.

Halten Sie es für wichtig, dass Kollegen und auch andere Heilmittelerbringer Ihrem Beispiel folgen?

Ja, das halte ich für wichtig. Ich hoffe, dass wir als eigene Berufsgruppe das auch auf breitere Füße stellen. Es wäre natürlich toll, wenn man auch für andere Bundesländer so etwas erstellen könnte und so zeigen könnte, dass die Zahlen und die Qualität der Arbeit dort ebenso gut und zeigenswert sind wie in Baden-Württemberg. Natürlich gilt das Gleiche für die anderen Heilmittelberufe. Wenn man sich überlegt, dass die Heilmittel insgesamt noch nicht mal zwei Prozent des gesamten Gesundheitsetats brauchen, dann ist das eine sehr, sehr kleine Gruppe im Gesundheitswesen mit im Gegenzug ganz, ganz großen Playern. Dann muss man einfach aufstehen und sagen: „Hallo? Ich bin auch da!“. Und das tun wir mit unserem Qualitätsbericht.

Vielen Dank für das Gespräch.

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