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Farbe bekennen im Heilmittelbereich

Farbe bekennen im Heilmittelbereich

Grün, rot, schwarz – up hat Gesundheitspolitiker der im Bundestag vertretenen Parteien zu ihren Plänen und Prognosen für die nahe Zukunft der Heilmittelerbringer befragt. Das kam dabei heraus:

„Es geht um die Gelder der Versicherten“

Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Bundestag

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Jens Spahn, CDU Fotocredit: Stephan Baumann

Herr Spahn, welche Themen stehen für die nächsten ein bis drei Jahre für die nichtärztlichen Heilmittelerbringer auf der politischen Agenda Ihrer Partei?

Zum Kern eines freiheitlichen Gesundheitswesens gehören freie Gesundheitsberufe, wie beispielsweise niedergelassene Haus- und Fachärzte, Apotheker oder Physiotherapeuten und Ergotherapeuten, sowie Therapiefreiheit und freie Arzt- und Krankenhauswahl. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Im Mittelpunkt muss die gute Versorgung der Patienten stehen. Hier können wir insbesondere an den Schnittstellen noch besser werden.

Was würden Sie sich als Unterstützung Ihrer Positionen von den niedergelassenen Praxen und deren Verbänden konkret wünschen?

Der Patient steht im Mittelpunkt aller, die im Gesundheitswesen tätig sind. Wir sollten uns konstruktiv darüber unterhalten, wie wir das erreichen. In den kommenden Jahren wird uns insbesondere der demographische Wandel vor neue Herausforderungen stellen. Die meistern wir am besten gemeinsam.

Wie stehen Sie und Ihre Partei zu den Forderungen und Zielen der Therapeutenverbände für die nächsten Jahre?

Zu Honoraren und der Grundlohnsummenbindung im Heilmittelbereich: Wir reden ja immer über Gelder der Versicherten. Sie haben ein Recht darauf, dass wir damit sorgsam umgehen. Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden, die Beiträge dürfen nicht unbegründet steigen. Nichtsdestotrotz sind es sicher nicht die Kosten für Heilmittel, die die Ausgabenanstiege zu verantworten haben. Insofern müssen wir schauen, ob die reine Grundlohnsummenbindung noch gerechtfertigt ist.

Zum Direct Access: Die Union hat maßgeblich das Gesetz zur Einführung einer Modellklausel in die Berufsgesetze der Physiotherapeuten, Logopäden, Hebammen und Ergotherapeuten vorangebracht. Auf dieser Grundlage können die Berufsbilder zukunftsweisend weiterentwickelt werden und den veränderten und höheren Anforderungen im Gesundheitswesen Rechnung tragen. Schön wäre es, wenn es mehr Modellprojekte und Forschung zum Direct Access gäbe.

Zur Abschaffung der Heilmittelrichtgrößen: Wir werden uns dafür einsetzen, dass die heutigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen bis Ende 2014 durch regionale Vereinbarungen von Krankenkassen und Kassenärztlicher Selbstverwaltung ersetzt werden. Damit tragen wir dazu bei, dass die Vertragspartner vor Ort bessere und praktikablere Lösungen finden.

 

„Grundsätzlich weg von der Grundlohnsumme“

Hilde Mattheis, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion

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Hilde Mattheis, SPD

Frau Mattheis, welche Themen stehen für die nächsten ein bis drei Jahre für die nichtärztlichen Heilmittelerbringer auf der politischen Agenda Ihrer Partei?

Wir haben uns mit unserem Koalitionspartner im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass die heutigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch regionale Vereinbarungen von Krankenkassen und Kassenärztlicher Selbstverwaltung ersetzt werden. Unberechtigte Regressforderungen bei Retaxationen gegenüber Heilmittelerbringern wollen wir zudem unterbinden. Die genaue Ausgestaltung wollen wir in einem Gesetzgebungsverfahren im Jahr 2015 regeln.

Was würden Sie sich als Unterstützung Ihrer Positionen von den niedergelassenen Praxen und deren Verbänden konkret wünschen?

Wir wünschen uns immer einen intensiven Dialog bei unseren Gesetzgebungsverfahren. Dazu gehören offene Diskussionen, in denen es nicht nur um Einzelinteressen geht. Ein Austausch mit Patienten und Leistungserbringern dient zielgenauen Regelungen. Daher kommt es immer darauf an, die Beteiligten mitzunehmen.

Wie stehen Sie und Ihre Partei zu den Forderungen und Zielen der Therapeutenverbände für die nächsten Jahre?

Zu Honoraren und der Grundlohnsummenbindung im Heilmittelbereich: Für den Wunsch nach Abkoppelung der Vergütung von der Grundlohnsumme haben wir Verständnis. Wir werden dieses Thema zu gegebener Zeit mit unserem Koalitionspartner diskutieren und sind grundsätzlich bereit, aus der Grundlohnsummenentwicklung auszusteigen.

Zum Bürokratieabbau zwischen Praxis und Krankenkassen: Wir wollen ein effizientes, patientenorientiertes Gesundheitswesen, das mit dem geringstmöglichen bürokratischen Aufwand auskommt. Auf Details der Zusammenarbeit zwischen den Praxen und den Krankenkassen hat die Politik aber keinen Einfluss.

 

„Ärzte und Heilmittelerbringer müssen mehr kooperieren“

Elisabeth Scharfenberg, Sprecherin für Pflegepolitik und Altenpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

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Elisabeth Scharfenberg, Bündnis 90/Die Grünen

Frau Scharfenberg, welche Themen stehen für die nächsten ein bis drei Jahre für die nichtärztlichen Heilmittelerbringer auf der politischen Agenda Ihrer Partei?

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wollen wir vor allem eine ausreichende und bezahlbare Grundversorgung gewährleisten. Die Versorgung soll stärker vor Ort geplant werden. Ein wichtiges Element solcher dezentral organisierter Versorgungsstrukturen ist eine stärkere Kooperation der Gesundheitsberufe untereinander – – sowohl im Hinblick auf neue Organisationsformen als auch im Hinblick auf eine neue Arbeitsteilung zwischen den Gesundheitsberufen. Gerade die Angebote der Heilmittelerbringer werden in einer alternden Gesellschaft gefragt sein. Und die Patienten werden profitieren, wenn auch im ambulanten Sektor zunehmend interdisziplinär gearbeitet wird.

Was würden Sie sich als Unterstützung Ihrer Positionen von den niedergelassenen Praxen und deren Verbänden konkret wünschen?

Grundsätzlich wünschen wir uns im Sinne der Patientinnen und Patienten eine größere Offenheit gegenüber einer verbesserten Kooperation der ärztlichen und nichtärztlichen Gesundheitsberufe. Das gilt allerdings für die Ärzte mindestens so sehr wie für die Heilmittelerbringer. Auch wünschen wir uns größere Transparenz, sowohl was die Unterversorgung als auch die Überversorgung mit Heilmitteln in den Regionen betrifft.

Wie stehen Sie und Ihre Partei zu den Forderungen und Zielen der Therapeutenverbände für die nächsten Jahre?

Zu Honoraren und der Grundlohnsummenbindung im Heilmittelbereich: Wir stehen der Grundlohnsummenbindung skeptisch gegenüber – vor allem, weil die Einnahmen der GKV fast ausschließlich durch Löhne und Gehälter erzielt werden, während Vermögenseinkommen und Gewinne nicht beitragspflichtig sind. Die von uns Grünen geforderte Bürgerversicherung würde zu einer breiteren Einnahmebasis führen. Eine Orientierung an der Morbidität der Versicherten in einer Region könnte zudem zu einem Anstieg der Vergütungen führen. Deren konkrete Höhe sollten aber weiterhin Leistungserbringer und Krankenkassen verhandeln.

Zum Direct Access: Wir sind gespannt auf die Ergebnisse des ersten Modellprojekts. Auch der Verordnung bestimmter Leistungen durch besonders qualifizierte Angehörige bestimmter Gesundheitsberufe stehen wir grundsätzlich offen gegenüber – die Verordnung von Therapeuten ganz ohne ärztliches Zutun sehen wir dagegen skeptisch. Auch hier plädieren wir im Sinne des Patienten für eine engere Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Heilmittelerbringern.

Zur Abschaffung der Heilmittelrichtgrößen: Wir Grünen begrüßen, dass mit dem Versorgungsstrukturgesetz Regresse bei Überschreitungen des Richtgrößenvolumens in den ersten beiden Jahren begrenzt wurden. Heilmittelbehandlungen sollen bei Bedarf langfristig genehmigt werden dürfen und dann nicht den Wirtschaftlichkeitsprüfungen unterliegen. Ein Vergütungssystem, das auf morbiditätsorientierten Fallpauschalen anstelle der ärztlichen Arznei- und Heilmittelverordnungen basiert, ist unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen noch nicht möglich. Insofern werden wir auch auf Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Regresse nicht gänzlich verzichten können.

Zum Bürokratieabbau zwischen Praxis und Krankenkassen: Die zunehmende Bürokratisierung durch die GKV bei den Verordnungen ist ein grundsätzliches und zugleich schwer lösbares Problem. Grundlegend wird sich die Entwicklung hin zu immer mehr Bürokratie, Dokumentation und Überprüfungen nur aufhalten oder umkehren lassen, wenn wir die ökonomischen Anreize innerhalb des Gesundheitssystems stärker auf den Gesundheitsnutzen der Patientinnen und Patienten ausrichten.

 

„Mindestens eine einmalige Honorarerhöhung“

Birgit Wöllert, Obfrau der Fraktion DIE LINKE Gesundheitsausschuss

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Birgit Wöllert, DIE LINKE

Frau Wöllert, welche Themen stehen für die nächsten ein bis drei Jahre für die nichtärztlichen Heilmittelerbringer auf der politischen Agenda Ihrer Partei?

Weg mit Zuzahlungen! Diese lehnen wir im Sinne der PatientInnen aus sozialen Gründen entschieden ab, für die Heilmittelerbringer sind sie eine sinnlose bürokratische Belastung. In die Bedarfsplanung für die ärztliche Versorgung sind auch Heilberufs-, Pflege- und therapeutischen Leistungen aufzunehmen, um eine wohnortnahe und bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung für alle sicherzustellen – dies hatten wir schon in der letzten Legislaturperiode beantragt.. Zu verbessern ist auch die Versorgung von nur eingeschränkt mobilen PatientInnen – Hausbesuche sollten höher vergütet werden.

Wie stehen Sie und Ihre Partei zu den Forderungen und Zielen der Therapeutenverbände für die nächsten Jahre?

Zu Honoraren und der Grundlohnsummenbindung im Heilmittelbereich: Hier besteht unbedingt großer Nachholbedarf, notwendig ist mindestens eine einmalige deutliche Honorarerhöhung unabhängig von der Grundlohnsumme. Die Ost-Honorare sind an das Westniveau anzugleichen. Zudem sollten spezielle Leistungen, wie etwa Berichte an ÄrztInnen, angemessen vergütet werden.

Zum Direct Access: Die HeilmittelerbringerInnen verfügen über ein spezifisches Wissen und spezifische Fertigkeiten, das ÄrztInnen in der Regel nicht anbieten können. Daher ist es im Sinne der Patientinnen und Patienten, HeilmittelerbringerInnen in ihrer generellen Position zu stärken, sie mehr als bisher in die Ausgestaltung der Therapie einzubinden und mit mehr Entscheidungskompetenz über Art und Häufigkeit der medizinischen Therapien auszustatten. DIE LINKE begrüßt deshalb die bisherigen Modellvorhaben. Bei positiver Evaluierung sollte der Gesetzgeber rasch handeln. In Modellvorhaben könnte dies auch für den direkten Zugang ergebnisoffen erprobt werden.

Zur Abschaffung der Heilmittelrichtgrößen: Modellprojekte sollten ebenfalls probieren und evaluieren, ob eine Anhebung der Richtgrößen oder deren Abschaffung den Nutzen für die Patienten erhöhen kann – und in welchem Ausmaß dadurch den eventuell erhöhten Kosten gesunkene Kosten an anderer Stelle gegenüberstehen.

Zum Bürokratieabbau zwischen Praxis und Krankenkassen: Bürokratieabbau unbedingt! Ein Beispiel: Wenn ÄrztInnen Rezepte falsch ausstellen, muss auch in den Arztpraxen die Korrektur erfolgen.

Zur Akademisierung: Grundsätzlich sollten Gesundheitsberufe die Ausbildungsform erhalten, die größtmögliche Qualität der Leistungen und größtmöglichen Zugang zur Ausbildung miteinander verbinden. Ob sich die Einführung der Modellklausel zur Erprobung von Ausbildungsangeboten in die Berufsgesetze der Hebammen, Logopädinnen und Logopäden, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten sowie Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten bewährt hat, können wir zurzeit noch nicht einschätzen. DIE LINKE macht ihre Zustimmung von den Ergebnissen der Evaluation abhängig.

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