Willkür der Krankenkassen nicht einfach hinnehmen: Aufsichtsbehörden gehen Beschwerden über Sozialversicherungsträger nach
Für sogenannte bundesunmittelbare Krankenkassen hat das Bundesversicherungsamt die Aufsicht. Bei landesunmittelbaren gesetzlichen Krankenversicherungen sind es die Gesundheits- bzw. Sozialministerien der jeweiligen Länder. Leistungserbringer können an die zuständige Aufsichtsbehörde eine Eingabe, also eine Beschwerde, richten und so Entscheidungen oder Verhalten der Sozialversicherungsträger prüfen lassen. Neben den Krankenkassen gehören dazu übrigens auch die Pflege-, Unfall- und Rentenversicherungsträger.
Bundesversicherungsamt oder Landesministerium zuständig
An welche Stelle sich Praxisinhaber mit ihrer Beschwerde richten können, hängt davon ab, ob es sich bei der betreffenden Krankenkasse um eine bundesunmittelbare oder eine landesunmittelbare Versicherung handelt. Erstreckt sich ihr Zuständigkeitsbereich über mehr als drei Bundesländer, handelt es sich um eine bundesunmittelbare Krankenkasse. Insbesondere die Ersatzkassen und die meisten Betriebskrankenkassen zählen dazu, da sie deutschlandweit tätig sind. Von den derzeit 110 gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland (Stand März 2018) sind 65 bundesunmittelbar und unterstehen damit der Aufsicht durch das Bundesversicherungsamt. Die Behörde prüft und bearbeitet Beschwerden über diese Versicherungen. Wie der Beschwerdeprozess genau funktioniert, lesen Sie im Interview mit Antje Domscheit, Referatsleiterin Grundsatzkrankenversicherung im Bundesversicherungsamt.
Länder zuständig für AOK
Gesetzliche Krankenversicherungen, deren Zuständigkeitsbereich nicht über das Gebiet eines Bundeslands hinausgeht, werden als landesunmittelbare Krankenkassen bezeichnet. Hierzu zählen in der Regel die Allgemeinen Ortskrankenkassen, aber auch manche Betriebskrankenkassen. Die Aufsicht über diese Krankenkassen liegt bei den Ländern und wird in der Regel von den jeweiligen Gesundheits- oder Sozialministerien ausgeübt. Ebenfalls der Landesaufsicht unterliegen Krankenkassen, die in bis zu drei Bundesländern tätig sind. Welches Bundesland die Aufsicht führt, bestimmen die beteiligten Länder.
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Beschwerdeverfahren am Beispiel Niedersachsen
Die AOK-Niedersachsen, die BKK-EWE und die BKK Public zählen zu den landesunmittelbaren Krankenkassen, über die das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung die Rechtsaufsicht hat. Haben Praxisinhaber eine Beschwerde über eine dieser Krankenkassen, können sie sich schriftlich an das Ministerium wenden. „Für eine Beschwerde gibt es grundsätzlich keine Fristen oder formalen Vorgaben“, berichtet Naila Eid, Pressesprecherin des Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. „Eine schriftliche Beschwerde mit der Schilderung des Sachverhalts, also der Nennung des konkreten Anliegens und der beteiligten Krankenkasse, ist jedoch notwendig, damit dem Anliegen konkret nachgegangen werden kann.“
Verfahren wird eingeleitet
„Wenn eine Beschwerde eingegangen ist, bittet das Niedersächsische Sozialministerium die zuständige Krankenkasse um eine ausführliche Stellungnahme“, erklärt die Pressesprecherin. Dabei werde die Eingabe, also die Beschwerde des Heilmittelerbringers, an die Krankenkasse übermittelt. Dieser erhalte zudem eine Eingangsbestätigung bzw. eine entsprechende Zwischennachricht zu seiner Eingabe. „Sobald die Stellungnahme der Krankenkasse vorliegt, prüft das Ministerium den Sachverhalt und informiert den Heilmittelerbringer nach Abschluss der aufsichtsrechtlichen Prüfung schriftlich über den Ausgang des Verfahrens“, erklärt Eid das weitere Vorgehen.
Bei Rechtsverstoß wird Aufsichtsbehörde tätig
Das Niedersächsische Sozialministerium hat die Rechtsaufsicht über die landesunmittelbaren Krankenkassen. Das bedeutet, „dass die Aufsichtsbehörde prüft, ob das Verhalten des Sozialversicherungsträgers rechtlich vertretbar ist“, erläutert Naila Eid. Nur wenn ein evidenter Rechtsverstoß vorliege, könne die Aufsichtsbehörde tätig werden. „Die Möglichkeiten der Rechtsaufsicht sind in § 89 SGB IV geregelt und setzen zuerst eine Beratung des Sozialversicherungsträgers durch die Aufsicht voraus“, so Eid. „Im Rahmen dieser Beratung soll darauf hingewirkt werden, dass der Sozialversicherungsträger sein rechtswidriges Verhalten ändert. Sollte er dieser Aufforderung nicht nachkommen, kann die Aufsichtsbehörde einen entsprechenden Verpflichtungsbescheid erlassen. An diesen ist der Sozialversicherungsträger gebunden.“ Der Rechtsweg sei jedoch möglich. Das heißt, die Krankenkassen können gegen diese Entscheidung rechtlich vorgehen.
Beschwerde unabhängig von Widerspruchs- oder Klageverfahren
Es sei zudem wichtig zu wissen, „dass das Widerspruchs- bzw. Klageverfahren unabhängig von der aufsichtsrechtlichen Prüfung steht“, betont Pressesprecherin Eid. Heilmittelerbringer sollten daher unabhängig vom Beschwerdeverfahren überlegen, ob sie gegen die Entscheidung der Krankenkasse von Rechtsbehelfen wie Widerspruch oder Klage Gebrauch machen möchten. Entscheiden sie sich dafür, müssen sie die geltenden gesetzlichen Fristen beachten.
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