Extrabudgetäre Verordnungen werden vereinheitlicht

Da helfen alle Gesetzesänderungen und Beteuerungen der Gesundheitspolitik nicht: Die Angst, das Heilmittelbudget zu überschreiten, ist bei manchen Ärzten so groß, dass sie trotz vorliegender Indikation zur Therapie einfach nicht verordnen. Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten, Verordnungen so auszustellen, dass sie nicht in das arztindividuelle Budget einfließen. Mit der Neufassung der Heilmittelrichtlinie 2020 werden diese Möglichkeiten der extrabudgetären Verordnung noch einmal konkretisiert und vereinfacht. Damit sollte es ab dem 1. Oktober 2020 einfacher sein, Ärzte zu motivieren, außerhalb des Budgets zu verordnen. Langfristiger Heilmittelbedarf besteht weiter Aktuell können Ärzte Verordnungen für Patienten mit einem langfristigen Heilmittelbedarf (LHB) ausstellen, ohne dabei vorher den Regelfall durchlaufen zu müssen (siehe Box). Diese Vereinfachung bleibt mit der Neufassung der Heilmittel-Richtlinie bestehen. Entsprechende Patienten können die notwendigen Heilmittel je Verordnung weiterhin unmittelbar für eine Behandlungsdauer von bis zu zwölf Wochen verordnet bekommen. Diese Verordnungen belasten nicht die Budgets und unterliegen nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Allerdings muss aktuell auf dem Verordnungsblatt eine medizinische Begründung geliefert werden. Diese Begründung auf der Verordnung fällt in Zukunft weg. Stattdessen hält der Arzt die medizinischen Gründe in der Patientendokumentation in seiner Praxis fest. Besonderer Verordnungsbedarf deutlich einfacher Etwas anders sah es bisher bei Indikationen mit besonderen Verordnungsbedarf (BVB, siehe Box) aus. Hier musste erst der Regelfall durchlaufen werden, bevor eine Verordnung außerhalb des Regelfalls mit einer Verordnungsmenge für zwölf Wochen ausgestellt werden konnte. Außerdem wurden die BVBs in der Heilmittel-Richtlinie bisher gar nicht erwähnt. Die Akzeptanz bei verordnenden Ärzten war geringer als beim LHB. Durch die Erwähnung des BVB im Richtlinientext werden sich Ärzte in Zukunft sicherer fühlen, hier extrabudgetäre Verordnungen auszustellen. Das hängt auch damit zusammen, dass mit der Neufassung ab 1. Oktober 2020 gilt, dass Indikationen mit besonderem Verordnungsbedarf genauso behandelt werden, wie Indikationen mit langfristigem Heilmittelbedarf. Beim Vorliegen einer entsprechenden Indikation kann der Arzt also sofort eine Verordnung für zwölf Wochen ausstellen und die medizinische Begründung muss nicht mehr auf der Verordnung dokumentiert werden, sondern es reicht die Dokumentation in der Arztpraxis. Frequenzdiskussion beendet Aktuell und auch in der Neufassung der Heilmittel-Richtlinie muss bei LHB- und BVB-Verordnungen die Verordnungsmenge in Abhängigkeit der Therapiefrequenz so kalkuliert werden, dass ein Zeitraum von bis zu zwölf Wochen nicht überschritten wird. Bisher haben die meisten Krankenkassen bei einer Frequenzspanne (von – bis) dabei immer auf den niedrigsten Wert zur Berechnung der Höchstmenge zurückgegriffen. Das ändert sich mit der Neufassung ab 1. Oktober 2020, denn in § 7 Abs. 6 HeilM-RL wird klargestellt, „dass im Falle der Angabe einer Frequenzspanne immer auf den höchsten Wert zur Berechnung der Höchstmenge je Verordnung zurückzugreifen ist.“ Ganz konkret bedeutete das für verordnende Ärzte ab 10/2020: Langfristiger Heilmittelbedarf bleibt extrabudgetär Wegfall der medizinischen Begründung auf der Verordnung Weniger Änderungen von Verordnungen wegen Frequenzspannen Besonderer Verordnungsbedarf kann sofort für zwölf Wochen verordnet werden Identische Abläufe bei LHB und BVB vereinfachen die Umsetzung Ganz konkret bedeutet das für Therapeuten ab 10/2020: Bessere Akzeptanz des besonderen Verordnungsbedarfs bei Ärzten Bessere und umfangreichere Versorgung von Indikationen des BVB Wegfall der medizinischen Begründung reduziert Korrekturbedarf Klare Regelung bei Frequenzspannen reduziert Kürzungen Ganz konkret bedeutet das für Patienten ab 10/2020: Reduzierung der Zuzahlung bei BVB-Verordnungen durch Wegfall des Regelfalls Reduzierung der Arztbesuche durch zwölf Wochen Verordnungen von Anfang an Einfacherer Zugang zu Verordnungen bei entsprechender Indikation (BVB) Langfristiger Heilmittelbedarf (LHB) Bei welchen Erkrankungen vom Vorliegen eines langfristigen Heilmittelbedarfs auszugehen ist, definiert der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) unter anderem in einer Diagnoseliste. Bei diesen Diagnosen ist ein Antrags- und Genehmigungsverfahren bei der Krankenkasse nicht mehr erforderlich. Ist die Erkrankung nicht auf der Diagnoseliste enthalten, kann der Patient einen individuellen Antrag bei seiner Krankenkasse stellen. Für die Genehmigung ist es jedoch maßgeblich, dass die schweren dauerhaften funktionellen und/oder strukturellen Schädigungen mit denen der Diagnoseliste vergleichbar sind. Verordnungen im Rahmen des langfristigen Heilmittelbedarfs unterliegen nicht den Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Besonderer Verordnungsbedarf (BVB) Die KBV und der GKV-Spitzenverband vereinbaren in einer gesonderten Diagnoseliste, bei welchen Erkrankungen Patienten oftmals mehr Heilmittel benötigen und daher einen „besonderen Verordnungsbedarf“ haben. Die Kosten für diese Verordnungen werden bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen aus dem Verordnungsvolumen des Vertragsarztes herausgerechnet. 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