Intransparent, undemokratisch und unseriös!

Der G-BA hat den Start der Neufassung der HeilM-RL gestern auf den 1. Januar 2021 verschoben. Ursache sind einige – nicht alle – Arztsoftwareanbieter, die die Zertifizierung des Heilmittel-Verordnungs-Module nicht geschafft haben. Die KBV befürchtet, dass dadurch fehlerhafte Heilmittelverordnungen ausgestellt werden könnten, was dann wiederum zu einem erhöhten Prüfaufwand bei den Heilmittelerbringern führen würde. Wir erinnern uns, die Telematikinfrastruktur, die elektronische Patientenakte, der Berliner Flughafen etc. … Alles um viele Jahre zu spät und ohne Konsequenzen, da kommt es bei den Heilmitteln auf ein Quartal Verzug wohl auch nicht mehr an. Ach ja, deswegen gilt die Neufassung der zahnärztlichen Heilmittel-Richtlinie auch erst ab dem 1. Januar 2021. Warum allerdings das Bundesgesundheitsministerium die Fristen für das Inkrafttreten der bundeseinheitlichen Rahmenverträge und der neuen Vergütungsvereinbarungen um ein Quartal, also ebenfalls auf den 1. Januar 2021 verschieben will, bleibt vollkommen unklar. Jedenfalls wenn man der Pressemitteilung des SHV, des sogenannten „Spitzenverband der Heilmittelverbände“ zur Verschiebung der HeilM-RL Glauben schenken will. „Der SHV und seine Mitgliedsverbände haben auf diese Entwicklung auf Seiten der KBV höchst verärgert reagiert und sofort das Gespräch mit dem BMG und dem GKV-Spitzenverband gesucht,“ heißt es dort. Und dann weiter: „Kommt der Beschluss [des G-BA] zustande, wird der Bundestag auch die bundesweiten Verträge zur Heilmittelversorgung verschieben müssen.“ Oh, wieso denn das? Die ursprüngliche Prä-Corona Planung sah vor, das neue Rahmenverträge und Preislisten am 1.7.2020, also genau ein Quartal vor dem ursprünglich geplanten Inkrafttreten der Neufassung der HeilM-RL am 1.10.2020 fertig sein sollten. Warum muss es also jetzt eine Verschiebung geben? Diese Erklärung liefert der SHV leider nicht. Insgesamt ist das, was da in Berlin hinter den Kulissen läuft, intransparent und entbehrt jeder demokratischen Grundlage. Im BMG hat angeblich eine gemeinsame Videokonferenz mit allen Verbänden stattgefunden, auf der „alle der Verschiebung zugestimmt haben“ oder „vom BMG vor vollendete Tatsachen gestellt“ worden sind. Kommt nur darauf, mit wem man darüber spricht. Auch die Rahmenbedingungen der Verschiebung, nämlich eine angeblich gesetzlich vorgegebene lineare 3,5 prozentige Anpassung der GKV-Vergütung ab dem 1. Oktober – die vom SHV schon mal am 26.8.2020 gemeldet wurde – scheint nicht mehr der aktuelle Stand zu sein. Denn schon einen Tag später ist von dieser Regelung nicht mehr die Rede. Das ist auch gut so, denn die Verschiebung der Preisanpassung vom 1. Juli auf den 1. Oktober wäre damit als Null-Runde zementiert worden. Dazu noch eine Anmerkung: Die 3,5 Prozent ab 1.10. sind ein Witz, wenn man allein die durch Corona gestiegenen Hygieneanforderungen berücksichtigt. Fragt sich, wer da im Hintergrund die Strippen zieht und unnötige Terminverschiebungen und unseriöse Preisanpassungen durchdrücken will? Und man fragt sich: Warum das alles? Und mit welcher demokratischen Legitimation? Wenn es denn diese gesetzliche Verschiebung wirklich geben sollte, wer hat dazu wie Stellung genommen? Und vom wem stammt dieser unseriöse Preiserhöhungsvorschlag? Mit welchem Recht werden solche Entscheidungen für die Branche ohne Notlage einfach über die Köpfe aller Beteiligten hinweg getroffen? Tatsache ist, dass die bundeseinheitlichen Rahmenverträge bis heute noch nicht vereinbart sind. Tatsache ist auch, dass die Preisverhandlungen mit der GKV ebenfalls weder abgeschlossen noch offiziell gescheitert sind. Offizielles Scheitern wäre auch ein richtiges Problem, denn der vom Gesetzgeber vorgegebene Termin für die Zusammenstellung einer Heilmittel-Schiedsstelle vom 15.11.2019 (!) ist jetzt 10 Monate überfällig und erst seit dieser Woche finden sich die ersten Namen der Schiedspersonen auf der offiziellen Internetseite der Schiedsstellen. Die Geschäftsordnung und die Träger der Schiedsstelle fehlen weiterhin. Man sieht, nicht nur die Verträge und neuen Preise sind nicht fertig, selbst die Instrumente für ein Scheitern der Verhandlung sind nicht bereit. Fast könnte man denken, dass die Verschiebung der HeilM-RL durch den G-BA ein willkommener Vorwand war, um von anderen, viel größeren Baustellen abzulenken. Wie es wirklich war und ist, das bleibt den Praxisinhabern, die es betrifft, verborgen. Die müssen hinnehmen, was hinter verschlossener Tür gemauschelt wird. Das ist wahrlich intransparent, zutiefst undemokratisch und außerordentlich unseriös! Optimismus zum Schluss: Vielleicht besinnt sich das BMG noch eines Besseren, verschiebt nicht und die neuen Verträge liegen zum 1.10. vor – mit einer kurzen Übergangsregelung bis zum 1.1.2021, damit sich alle schon mal in Ruhe mit den neuen Gegebenheiten vertraut machen können. Und bis zum 1.10. erklären alle Heilmittelbereiche die Preisverhandlung für gescheitert und anschließend wird vor dem Schiedsgericht der Preis für eine Minute Heilmitteltherapie pauschal auf 2 Euro festgelegt. Das wäre doch mal ein großartiger Jahresausklang, drücken wir uns fest die Daumen! Ihr Ralf Buchner Außerdem interessant: G-BA beschließt 1. Januar 2021 als neuen Stichtag für überarbeitete HeilM-RL Mit 10 Monaten Verspätung: Heilmittel-Schiedsstelle nimmt ihre Arbeit auf