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Raus aus der Behandlung

Die besten Gründungsideen entstehen aus der Praxis heraus

Die Sprachtherapeutin Dr. Hanna Jakob berichtet über die Gründung von neolexon
Logopädie zuhause am Tablet, Smartphone oder PC und in der Therapiestunde – das ermöglichen die Apps von neolexon. Neben einer Artikulations-App für Kinder und einer Aphasie-App für Patienten haben die beiden Gründerinnen Dr. Hanna Jakob und Dr. Mona Späth auch eine App speziell für Sprachtherapeuten entwickelt. Sie hilft dabei, die Therapie zu organisieren, durchzuführen und anzupassen. Wir haben mit Dr. Hanna Jakob über den Gründungsprozess gesprochen – was die einzelnen Schritte waren, über das Thema Geld und auch darüber, was sie Therapeuten rät, die ebenfalls mit einer eigenen Businessidee durchstarten wollen.
Die besten Gründungsideen entstehen aus der Praxis heraus
© Circle Creative Studio

Die besten Gründungsideen entstehen aus der Praxis. So war es 2014 auch bei den studierten Sprachtherapeutinnen Dr. Hanna Jakob und Dr. Mona Späth. Beide waren zu diesem Zeitpunkt als Therapeutinnen in einer Praxis und Klinik tätig und haben anschließend als Doktorandinnen an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München promoviert. „Ich hatte in der Klinik viel mit Schlaganfallpatienten zu tun“, so Frau Jakob. „Für die Sprachtherapie hatten wir jedoch oft zu wenig Zeit. Das war ein echtes Problem.“ Dr. Mona Späth arbeitete zu dieser Zeit in einer Praxis als Sprachtherapeutin. Ihr ist etwas ganz anderes im Alltag aufgefallen: Zwar hatte sie ein Tablet für die Sprachtherapie zur Verfügung, jedoch gab es einfach keine passenden Apps oder digitale Anwendungen. Da geht noch mehr, dachten sich die beiden während eines gemeinsamen Urlaubs. So reifte die Idee für neolexon heran: ein digitales Therapiesystem für Patienten mit Aphasie.

Gründungstipendium: Check!

„Nach dem Urlaub haben wir dann erst einmal die Idee zu Papier gebracht“, berichtet die Sprachtherapeutin. „Mit dieser Idee sind wir zum Gründungsbüro an der LMU gegangen.“ Solche Anlaufstellen gebe es in der Regel an jeder Hochschule. „Die Idee wurde ziemlich kritisch geprüft, insbesondere dahingehend, ob sich die Gründung wirtschaftlich lohnt“, berichtet Jakob weiter. „Wir haben dann aber die Zustimmung bekommen und konnten den Förderantrag auf Gründungsstipendium stellen.“ Das war das erste Geld, das die beiden für die Ausgründung eingeworben haben. Sie konnten damit das Projekt vorantreiben, einen Proto-Typen entwickeln und 2017 die erste Version der App herausbringen.

Es geht auch ohne Uni

Als ein Ausgründungsprojekt der Uni haben die beiden Sprachtherapeutinnen weitere staatliche Fördergelder eingeworben. „Der Weg der Gründung war etwas untypisch, weil wir nicht von Investoren Geld bekommen haben, wie das häufig der Fall ist“, weiß Frau Jakob. Das Grundstipendium war aber nicht nur eine wichtige Finanzspritze, im Rahmen dessen fanden auch monatliche Meetings zu Gründungsthemen statt, etwa zu Verträgen oder Mitarbeiterführung. Zudem konnten sie sich mit anderen Gründern austauschen, auch das sei sehr hilfreich gewesen.

Jakob ist aber natürlich auch bewusst, dass nicht jeder Gründer die Chance hat, über die Uni gefördert zu werden. Dann lohnt es sich, sich nach Netzwerken speziell für Startups umzuschauen. „In Bayern gibt es beispielsweise BayStartUP“, so die Sprachtherapeutin. „Es gibt Workshops, man kann sich mit Gleichgesinnten austauschen und mit potenziellen Investoren ins Gespräch kommen.“ Auch die Bundesagentur für Arbeit unterstützt Gründer mit unterschiedlichen Angeboten.

Mit jedem Mitarbeiter wächst die Verantwortung

Trotz der Unterstützung war die Gründung natürlich kein Spaziergang. „Im medizinischen Bereich sind die Regularien enorm streng, etwa beim Datenschutz“, erzählt Jakob. Aber auch die Zulassung der App als Medizinprodukt war sehr aufwändig. „Das waren für uns ganz neue Felder, auf denen wir uns zunächst nicht auskannten“, erinnert sich die Sprachtherapeutin. „Wir mussten uns Beratung holen, die auch kostenintensiv war.“ Dazu zählten insbesondere Anwälte, die sich mit den speziellen Gesetzen auskennen, sowie Datenschutzjuristen.

„Wir sind selbst zudem keine Programmiererinnen“, ergänzt Jakob. „Wir benötigten also schon recht früh im Gründungsprozess weitere Teammitglieder.“ Gemeinsam haben sie das Produkt immer wieder mit Patienten abgestimmt, sich Feedback von Therapeuten eingeholt und das Produkt daraufhin angepasst. Mit jedem Mitarbeiter wachse auch die Verantwortung. Irgendwann sei man dann nicht mehr primär Sprachtherapeutin sondern Geschäftsführerin.

Mit Durchhaltevermögen ans Ziel

Aus einer Festanstellung heraus gründen – das habe für Jakob einen entscheidenden Vorteil: „Der finanzielle Druck, dass die Neugründung einem sofort den Lebensunterhalt stellen muss, ist nicht ganz so groß.“ Allerdings dauere dann der Gründungsprozess auch länger, je nachdem, wie viele Stunden man neben der Anstellung investieren kann und möchte. Doch egal, ob man direkt voll einsteigt oder nebenbei gründet: Viel Durchhaltevermögen sei immer notwendig. „Die Geschichten, die man hört, dass man sehr schnell sehr große Unternehmen aufzieht, das ist nicht der Normalfall“, weiß Jakob. Dennoch würde sie alles wieder so machen und ist sich sicher: „Jeder kann gründen, auch ohne ein BWL-Studium absolviert zu haben.“ Von Vorteil sei natürlich, wenn man in dem Bereich gründet, in dem man beruflich angesiedelt ist. Alles andere könne man sich aneignen, das hätten sie nicht anders gemacht. „Wenn man eine Idee hat, an die man glaubt, dann lohnt es sich aber in jedem Fall!“

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