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Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung

Kampf gegen einen Alltag ohne Lesen und Schreiben
Wer davon ausgeht, dass es Analphabetismus nicht mehr gibt, täuscht sich sehr. Mehr als 12 Prozent der Erwerbsfähigen in Deutschland zählen zur Gruppe der funktionalen Analphabeten, die Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben. Sprich, ihre Kompetenzen darin reichen nicht aus, um den unterschiedlichen gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden zu können. Funktionaler Analphabetismus ist ein Phänomen, das alle gesellschaftlichen Bereiche umfasst und trotz Schulpflicht besteht. Das Schamgefühl der Betroffenen ist groß, aus Furcht vor Stigmatisierung verstecken viele das Problem.
Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung
© SilviaJansen

Zum Lesen und Schreiben motivieren

Der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung wurde 1984 gegründet. Etwa 400 Personen und Institutionen engagieren sich deutschlandweit für Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit. Projekte werden durch Mittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, betroffene Erwachsene zu ermutigen und zu fördern, damit sie ihre Lese- und Schreibfähigkeiten verbessern. Um Aufmerksamkeit auf das Thema Analphabetismus zu lenken, richtet der Verband eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit an Betroffene, an deren Umfeld und an die Gesellschaft.

Die Fachzeitschrift des Verbandes, ALFA-Forum, widmet sich aktuellen Themen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung und veröffentlicht wissenschaftliche Beiträge, praxisorientierte Berichte sowie herausnehmbare Kursmaterialien. Im ALFA-Shop können Unterrichtsmaterialien, Fachliteratur und leicht lesbare Bücher kostenpflichtig bestellt werden. Außerdem kümmert sich der Verein darum, das bestehende Kursangebot für Lese- und Schreibunkundige zu optimieren.

Mit dem ALFA-Telefon wird ein kostenloser Zugang zu Beratung angeboten: Betroffene können offen über ihre Sorgen aufgrund der eingeschränkten Lese- und Schreibkompetenzen sprechen, Fragen werden beantwortet, und bei Bedarf wird die Teilnahme an einem Lese- und Schreibkurs finanziell unterstützt. Wer nicht telefonieren mag, kann sich Rat per E-Mail oder WhatsApp holen.

In speziellen Kursen, in denen Lese- und Schreibkompetenzen ohne Druck und angepasst an das individuelle Lerntempo vermittelt werden, können Erwachsene ihr Lesen und Schreiben verbessern. Viele finden an Volkshochschulen statt. In der Regel machen Teilnehmende schnell Fortschritte und merken, dass ihnen ihr Alltag leichter fällt.

Für diejenigen, die sich noch nicht in einen Kurs wagen, stehen Mehrgenerationenhäuser und Lerncafés offen. Dort werden Betroffene und Interessierte beraten und treffen auf andere Betroffene, mit denen sie sich austauschen können. So kann Scham abgebaut und ein angstfreier Umgang mit der Situation gelernt werden.

Auf der Website des Verbands können Interessierte in der Kursdatenbank Lese- und Schreibkurse nebst Kontaktdaten sowie die Angebote der Mehrgenerationenhäuser aufrufen. Sie liefert übrigens auch Tipps, wie Familie, Freunde, Kollegen und Interessierte helfen können.

Auf Bildungstour durch die Republik

Aktuell verfolgt der Verband zwei Projekte: das ALFA-Mobil und iCHANCE.
Das ALFA-Mobil reist von Innenstadt zu Innenstadt, informiert über Analphabetismus in Deutschland und bewirbt Lese- und Schreibkurse. Lernbotschafter mit ehemals analphabetischem Hintergrund erzählen von ihren Erfahrungen. Darüber hinaus bietet das ALFA-Mobil kostenfreie Schulungen für Personen in Schlüsselstellen an, wie Jobcenter-Mitarbeitende, Lehrende und medizinisches Personal. Sie werden sensibilisiert, funktionalen Analphabetismus zu erkennen, anzusprechen und damit mitfühlend und konstruktiv umzugehen.

1,8 Millionen der funktionalen Analphabeten, das sind 30 Prozent, sind laut der LEO Studie von 2018 zwischen 18 und 35 Jahre alt. Junge Erwachsene haben noch viele biographische Momente vor sich, bei denen Lesen und Schreiben besonders wichtig sein werden. An sie richtet sich die Kampagne iCHANCE. Es geht darum, bei ihnen ein Problembewusstsein zu schaffen, den Weg zu Hilfsangeboten aufzuzeigen und die Lernmotivation zu fördern.

Weltalphabetisierungstag am 8. September

Der Weltalphabetisierungstag wird alljährlich seit 1966 begangen und soll an die Problematik des Analphabetismus erinnern. Die UNESCO hat ihn 1965 im Anschluss an die Weltkonferenz zur Beseitigung des Analphabetentums in Teheran ins Leben gerufen. Weltweit weisen am 8. September Veranstaltungen auf die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Analphabetismus hin. Der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung bietet 2020 von einem Künstler erschaffene Alphabet-Collagen aus antiken Holz-Drucklettern zum Kauf an. Mit dem Erlös sollen Kurse für funktionale Analphabeten finanziert werden, die sich kein Lernangebot leisten können.

Quelle: Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e. V.

Betroffene erkennen und unterstützen

Funktionale Analphabeten verbergen ihr Problem. Sie versuchen, Situationen zu vermeiden, in denen sie lesen und schreiben müssen. Sie reagieren nicht auf schriftliche Aufforderungen und delegieren das Schreiben. Eine Aussage wie: „Ich habe meine Brille vergessen“, soll über das Problem hinwegtäuschen. Sprachlich drücken sie sich eher einfach aus.

So können Sie helfen: Sprechen Sie Ihren Patienten darauf an, das erleichtert die meisten Betroffenen. Wählen Sie dafür einen ruhigen und entspannten Zeitpunkt. Sichern Sie die Anonymität, die Vertraulichkeit muss verlässlich sein. Achten Sie auf wertschätzende Formulierungen. Sprechen Sie an, was Sie wahrnehmen und vermuten. Hören Sie dem Patienten zu, ermutigen Sie ihn und zeigen Sie Lösungen auf. Die Vorstellung positiver Auswirkungen ist besonders motivierend. Manchmal klappt das Gespräch nicht, kann aber eventuell später wieder aufgenommen werden.

Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e. V.

Geschäftsstelle

Berliner Platz 8-10

48143 Münster

Telefon 0251 490 99 60

www.alphabetisierung.de

 

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