Das zu kurze Zungenband

Das Thema Zungenband (frenulum linguae) findet in Deutschland in der logopädischen Ausbildung und den Studiengängen nur wenig Beachtung, weshalb die Patientenversorgung auf medizinischer und therapeutischer Ebene noch ausbaufähig ist. Das Zungenband (ZB) verbindet die Zunge mit dem Mundboden und läuft über Faszien bis in die Füße. Ist das ZB restriktiv, kann dies zu verschiedensten Symptomen führen. Eine Trennung des ZB (Frenotomie) kann helfen. Das zu kurze Zungenband (Ankyloglossie) kann viele Gesichter haben Fakt ist: Das zu kurze ZB ist angeboren und verwächst sich nicht. Die Symptome können sehr unterschiedlich sein, und auch nicht jedes Neugeborene mit einer Ankyloglossie zeigt sofort klare Anzeichen. Bei manchen Menschen werden die Symptome erst Jahre später deutlich. Das verkürzte ZB ist tatsächlich ein Symptomwandler. Häufige Symptome bei Säuglingen und Kindern: Stillprobleme Koliken/Blähungen Reflux Schiefhals Mundatmung Die Probleme beim Stillen können zu Beschwerden bei der Mutter und unfreiwilligem Abstillen führen, etwa wegen: Schmerzenden/verformten Brustwarzen Zu wenig/viel Milch Milchstau Mit zunehmendem Alter entstehen oftmals weitere Symptome, beispielsweise: Zahn-/Kieferfehlstellungen Karies trotz regelmäßigen Zähneputzens Manifestierte Mundatmung Aussprachestörungen Haltungsauffälligkeiten Schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS) wie Schnarchen, Knirschen, Schlafapnoe Einige Symptome bleiben dauerhaft oder ändern sich mit der Zeit, sodass es auch im Erwachsenenalter zu Problemen wie diesen kommen kann: Zahn-/Kieferfehlstellungen Kiefergelenksprobleme SBAS Häufige Kopfschmerzen/Migräne Da nicht immer ein zu kurzes ZB Ursache für jedes dieser Symptome ist, ist eine fundierte Differentialdiagnostik enorm wichtig. Für eine erfolgreiche Behandlung wiederum ist ein interdisziplinäres Team unerlässlich – das verdeutlichen die unterschiedlichen Anzeichen, die sich vom Säugling bis zum Erwachsenen zeigen. Von der Diagnostik zur Therapie In der logopädischen Diagnostik wird die Zunge vor allem hinsichtlich ihrer Funktion und ihres Aussehens begutachtet. Auch eine entsprechende Anamnese kann wichtige Hinweise liefern. Das ZB wird ebenfalls untersucht: Sitzt es vorne/hinten, ist es dünn/dick/kurz/gespannt? Hebt sich der Mundboden, ergibt sich eine Eiffelturm-Form? Ruft eine Ankyloglossie keine Symptome hervor, sollte keine Frenotomie durchgeführt werden. Liegt jedoch der Verdacht eines restriktiven ZB vor – Therapeuten dürfen einen Verdacht äußern, die Diagnose stellt der Arzt – dann ist je nach Alter und Symptomatik an weitere Stellen zu verweisen, etwa an einen Stillberater, Zahnarzt oder Kieferorthopäden, Physio- oder Körpertherapeuten. Eine Frenotomie benötigt sorgfältige Vor- und Nachsorge Der Eingriff ist sinnvoll, wenn dadurch eine Verbesserung zu erwarten ist. Er sollte unbedingt von einem entsprechend qualifizierten Facharzt (meist Zahnarzt oder HNO) durchgeführt werden. Wichtig: Nur weil das restriktive Band dann getrennt ist, wissen die Zunge und der restliche Körper nicht zwangsläufig, was zu tun ist. Vorbereitende Maßnahmen der Zungenbandtrennung sind sehr individuell und hängen vom Symptomkomplex des jeweiligen Patienten ab. In der Logopädie können es zum Beispiel die Verbesserung der oralen Wahrnehmung und die Toleranz der aktiven Arbeit in diesem Bereich sein. Der Patient kann möglicherweise bereits einzelne Funktionen wie die Zungenruhelage oder die Nasenatmung erarbeiten. Manche dieser Ziele sind allerdings aufgrund des restriktiven ZB ohne Frenotomie noch nicht erreichbar. In der Nachbereitung geht es darum, das operierte ZB zu dehnen und die Zungenbeweglichkeit und -funktionen aufzubauen. Die Struktur des unoperierten ZB selbst ist nicht dehnbar. Durch Dehnung ohne Frenotomie kommt es vermeintlich zu einer Verbesserung, jedoch werden lediglich Mundboden und Zunge gedehnt. Der Effekt geht ohne andauerndes Dehnen verloren. Nach der Frenotomie empfiehlt sich das Dehnen während der Wundheilung, aber nicht länger als vier bis sechs Wochen. Persönlicher Erlebnisbericht Ich habe mein Zungenband im März 2022 trennen lassen. Es zeigte einen deutlichen Eiffelturm auf. Die Einhaltung der ZRL war mit viel Kompensation verbunden (Spannung in orofazialer Muskulatur), eine Kopfvorhalte lag ebenfalls vor. Nachts schlief ich mit offenem Mund, biss oder knirschte. Ich bereitete mich vor allem im Bereich der Körpertherapie vor. Nach der Frenotomie lösten sich Verspannungen, was zu Schmerzen in Ohren und Kiefergelenk führte; auch das Essen fiel mir anfangs schwer. Sprechen konnte ich die ganze Zeit nahezu problemlos. Seit dem Eingriff habe ich keine Kopfschmerzen mehr, meine Verspannungen im Kiefer- und Nackenbereich haben sich deutlich reduziert und die ZRL kann kompensationsfrei eingehalten werden. Das Ergebnis bestärkt mich, weiterhin in diesem Bereich aktiv zu sein, um Patienten gut zu versorgen, aber auch Fachpersonal dafür zu gewinnen. Autorin: Laura Dullmaier