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Der Verband der Osteopathen argumentiert unehrlich – das ist nicht im Sinne der physiotherapeutischen Osteopathen

Ein Kommentar von Ralf Buchner

Die physiotherapeutische Ausbildung soll Osteopathie vermitteln – damit Therapeuten sie später nach einer Zusatzausbildung ohne Heilpraktikerprüfung ausüben können. Das sieht ein Gesetzesentwurf der Großen Koalition vor. Während Ärzte- und Therapeutenvertreter den Entwurf begrüßen, betreibt ein Osteopathie-Verband Lobbyarbeit dagegen – mit irreführenden Argumenten.
Der Verband der Osteopathen argumentiert unehrlich – das ist nicht im Sinne der physiotherapeutischen Osteopathen
© iStock, aerogondo

Hiermit schlage ich den Verband der Osteopathen e.V. (VOD) für den deutschen Theaterpreis vor. Und zwar für die Inszenierung der „Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages am 17.10.2016“. Thema des Stücks: Die Integration der Osteopathie in die Ausbildungs- und Prüfungsordnung der Physiotherapeuten. Hauptdarsteller: Kein geringerer als Herbert Landau, Bundesverfassungsrichter a. D. In seiner mündliche Stellungnahme baute er eine gewaltige Drohkulisse gegen die geplante Gesetzesänderung auf. Sogar einen Verfassungsbruch sah er in dem Gesetzesentwurf. Ein Mitglied des Ausschusses wies ihn schließlich darauf hin, dass sie schon wissen, was sie täten und „mit beiden Beinen auf dem Grundgesetz“ stünden.

Doch derartiger Theaterdonner wirkt. Schon munkelt man in Berlin, dass das Gesundheitsministerium überlegt, die Gesetzesänderung zurückzuziehen. Die Angst, sich eine Klage vor dem Verfassungsgericht einzufangen, ist offensichtlich groß.

Dabei hat sich sogar die Bundesärztekammer für die geplante Gesetzesänderung ausgesprochen, die Deutsche Gesellschaft für Manuelle Medizin ebenso, die Physiotherapieverbände sowieso. Bundesärztekammer und Therapeutenverbände vertreten vermutlich mehr als 400.000 Ärzte und Therapeuten – Osteopathen gibt es vielleicht 10 oder 15 Tausend. Trotzdem dominiert die deutlich kleinere Gruppe immer wieder die öffentliche Debatte. Ein schönes Lehrstück in Sachen Lobbyarbeit.

Ausbildungsstandard wird nicht sinken

Der VOD stellt die Sachlage folgendermaßen dar: Der Gesetzgeber wolle die Osteopathie-Ausbildung in ihrer jetzigen Form von 1.350 Stunden durch eine 60-stündige Schmalspurausbildung im Rahmen der Physiotherapieausbildung ersetzen.

Das ist jedoch schlicht und ergreifend falsch – niemand versucht, Ausbildungsstandards zu senken. Ganz im Gegenteil zielt die Gesetzesänderung darauf ab, die osteopathischen Verfahren so zu vermitteln, dass jeder Physiotherapeut anschließend die Rahmenbedingungen der Methode innerhalb seines Fachgebietes einschätzen kann. Um sie anwenden zu können, müssen die Therapeuten dann nach wie vor eine osteopathische Zusatzausbildung absolvieren – brauchen aber keine Heilpraktikerprüfung mehr.

Die 60 Stunden in  der Ausbildung sollen also den Fachhorizont der angehenden Physiotherapeuten erweitern. Genauso funktioniert es bei der Methode Manuelle Therapie in der Ausbildung, die aus einem Physiotherapeuten noch keinen Manualtherapeuten macht. Auch das Fach Chirurgie in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung befähigt Therapeuten nicht dazu, Operationen durchzuführen.

Dem VOD geht es um das „eigenständige Berufsbild“

Das ist auch dem VOD klar. In Wirklichkeit es geht ihm nicht um die Physiotherapeuten, sondern darum, dass der VOD im Gesetzesentwurf die „Eigenständigkeit des Berufsbilds der Osteopathen negiert“ sieht. Der Verband verfolgt sein langfristiges Ziel, die Osteopathie als Berufsbild neben Ärzten und Therapeuten zu etablieren. Nun lässt sich grundsätzlich nichts dagegen sagen, wenn ein Verband pointiert die Interessen seiner Mitglieder vertritt – nur wessen Interessen sind das im Fall des VOD genau? Die eigene Mitgliederliste des VOD und die Untersuchungen anderer Verbände zeigen, dass vermutlich über zwei Drittel der in Deutschland tätigen Osteopathen von Haus aus Physiotherapeuten sind.

Osteopathie ohne überflüssige Heilpraktikererlaubnis

Weil die Rechtslage unklar ist, sind diese osteopathisch ausgebildeten Physiotherapeuten entweder gezwungen, die inhaltlich vollkommen überflüssige Heilpraktikerprüfung abzulegen. Oder sie hoffen darauf, dass niemand sie dabei ertappt, wenn sie ohne formale Erlaubnis „Heilkunde“ betreiben. Denn ein Physiotherapeut, so hat das OLG Düsseldorf entschieden, dürfe nicht einmal auf ärztliche Verordnung hin Osteopathie ausüben – eben weil sie nicht in die Ausbildungs- und Prüfungsordnung der Physiotherapeuten eingebunden ist.

Genau an dieser Stelle greift der vorliegenden Gesetzesentwurf, der vielen osteopathischen Physiotherapeuten das Leben erleichtern würde. Durch ihn müssten osteopathische Physiotherapeuten keine unsinnige Ausbildung zum Voll-Heilpraktiker mehr machen.

Physiotherapeuten haben die Osteopathie erst groß gemacht

Doch der VOD will das nicht. Es müsse, so der VOD, verhindert werden, dass „nicht dazu befähigte Therapeuten, wie Physiotherapeuten, Behandlungsmethoden der Osteopathie anwenden“. Diese Trennung ergibt aber keinerlei Sinn, schließlich geben Osteopathen nach ihrer Zusatzausbildung ihren Status als Physiotherapeut nicht ab. Warum spielt der VOD also die Fähigkeiten seiner eigenen Mitglieder herunter?

Die Osteopathie in Deutschland hat jedenfalls maßgeblich davon profitiert, dass tausende von Physiotherapeuten ihre knappen Honorare dafür nutzten, an Fortbildungen der Osteopathen teilzunehmen. Außerdem bezuschusste die GKV die von Physiotherapeuten durchgeführte Osteopathie mit mehreren Hunderten von Millionen Euro.

Dieses Geld scheint der VOD nun herzunehmen, um teure Gutachter zu bezahlen, die Physiotherapeuten bescheinigen, nicht „befähigt“ zu sein. Das ist unehrlich – und auf keine Fall im Sinne der ostepathischen Physiotherapeuten!

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41 Kommentare
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vin
31.12.2016 17:45

irgendwie wird die ganze debatte missverstanden.es geht den physios doch… Weiterlesen »

Therapeut PT
11.02.2017 21:25
Antworten an  vin

Top Top Top Top ????????????
??????

M.K.
11.11.2016 16:42

Im Namen aller Osteopathen, die über eine fundierte Ausbildung verfügen… Weiterlesen »

Alex Hackenberg
12.11.2016 17:16
Antworten an  M.K.

Warum nur decken sich so auffallend häufig die Aussagen der… Weiterlesen »

Physiotherapeut Aka Osteosympathisant
11.11.2018 14:04
Antworten an  Alex Hackenberg

Herr Hackenberg, wenn wir uns mal die Nachbarländer anschauen, dann… Weiterlesen »

Martin
28.10.2016 13:55

Es gilt grundsätzlich mal zu unterscheiden was die deutschen Osteopathieverbände… Weiterlesen »

Blume
25.10.2016 21:10

Auch ich bin Physiotherapeutin mit Leib und Seele!!! und befinde… Weiterlesen »

Simon Traut
22.10.2016 10:25

Prinzipiell ist ja gegen diesen Gesetzesentwurf als solches nicht viel… Weiterlesen »

Simon Traut
21.10.2016 15:56

Sehr geehrter Herr Buchner, wenn mit diesem Vorhaben, über 60… Weiterlesen »

Philipp
21.10.2016 20:00
Antworten an  Ralf Buchner

Sehr geehrter Herr Buchner, 1. diese geplante Gesetzesänderung, wann soll… Weiterlesen »

Petra S.
21.10.2016 8:17

Ich hoffe nur im Sinne aller Osteopathen, dass dieser Gesetzesentwurf… Weiterlesen »

Jonas
20.10.2016 22:58

Ich finde es eine Frechheit was die Physiotherapieverbände sich jetzt… Weiterlesen »

Martina
20.10.2016 15:46

Damit ein vollständig ausgebildeter Osteopath seine Arbeit ausüben darf, ohne… Weiterlesen »

Marco
20.10.2016 13:31

Meiner Meinung nach kann eine Heilkunde, die ihre eigenen Herangehensweisen… Weiterlesen »

Alex Hackenberg
20.10.2016 14:19
Antworten an  Marco

…und schon wieder findet eine “Verguruisierung” der Osteopathie statt! Hier… Weiterlesen »

Jonas
20.10.2016 22:37
Antworten an  Alex Hackenberg

Lesen Sie doch erstmal was er schreibt. Es fehlen nicht… Weiterlesen »

Marco
20.10.2016 23:07
Antworten an  Alex Hackenberg

Habe selber Mailand absolviert. Aber darum ging es auch überhaupt… Weiterlesen »

Wolfgang Schmid
20.10.2016 13:06

Sehr geehrte Teilnehmer dieser Diskussion. Herr Buchner ich bedanke mich… Weiterlesen »

Nikita
21.10.2016 17:06
Antworten an  Wolfgang Schmid

Danke für den ersten sachlich kompetenten Beitrag????? Vielleicht wäre es… Weiterlesen »

Verband der Osteopathen Deutschland (VOD)
20.10.2016 11:59

Herr Buchner stellt in diesem Bericht mehrere falsche Behauptungen auf:… Weiterlesen »

Alex Hackenberg
20.10.2016 11:24

Die Reaktion meiner “ehemaligen” Berufskollegen ist an Arroganz wirklich nicht… Weiterlesen »

Wolfgang
20.10.2016 8:37

Sehr geehrter Herr Buchner Ich selbst bin Physiotherapeut und Osteopath.… Weiterlesen »

Ralf
20.10.2016 8:32

Wie Sven schon schrieb , hat der Beruf Osteopath mit… Weiterlesen »

Barbara H.
21.10.2016 11:35
Antworten an  Ralf Buchner

In der täglichen Ostoepathie-Praxis ist inzwischen die Patienten, die einen… Weiterlesen »

Tim
20.10.2016 8:00

Sehr geehrter Herr Buchner, wenn die Physiotherapieverbände zeitlebens nicht so… Weiterlesen »

Steffen Barth
20.10.2016 7:30

Wer hat bestimmt oder festgelegt wer auf einmal Osteopath ist?… Weiterlesen »

Ts
20.10.2016 7:28

Der Verband macht das was er soll und denkt an… Weiterlesen »

Marco
20.10.2016 13:25
Antworten an  Ralf Buchner

Wie soll die Honorierung der ärztlich verordneten Osteopathie dann aussehen?… Weiterlesen »

Manuel Kriegs
19.10.2016 23:35

Wenn ich mir anschaue wie hier Wahrheiten verdreht werden, dann… Weiterlesen »

Oliver Richter
19.10.2016 22:37

Ein Physiotherapeut der seine 5 jährige Ausbildung mit 1350 Std… Weiterlesen »

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