Wie steht es um die Versorgung von CF-Patienten?

Im Herbst 2019 sprachen wir mit Herrn Stephan Kruip, Bundesvorsitzender des Mukoviszidose e. V., über die prekäre Situation in der ambulanten Versorgung von Mukoviszidose-Patienten (up 12-2019). Ein großes Thema war eine Petition des Vereins, die genau darauf aufmerksam macht und am 26. Juni 2019 vom Bundestag an die Petitionsausschüsse der Länder übergeben wurde. Über ein Jahr ist das nun her – ein guter Zeitpunkt, um uns bei Herrn Kruip zu erkundigen, wie sich die Lage in der Versorgung von CF-Patienten in den letzten Monaten entwickelt hat. Herr Kruip, in einem Jahr kann viel passieren. Trifft das auch auf das Thema Petition zu? KRUIP: Die zuständigen Behörden haben sich zum Teil an die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder gewendet und Daten zur Versorgungssituation von Mukoviszidose-Patienten erfragt. An sich sehr erfreulich, leider verfehlte die Befragung den Sinn und Zweck. Denn es wurden ausschließlich Daten niedergelassener Fachärzte berücksichtigt. Der Haken: Diese Ärzte behandeln fast keine CF-Patienten, die Versorgung findet überwiegend in Ambulanzen und Hochschulkliniken statt, auch Therapiepraxen betreuen die Patienten. Das Ergebnis, die Versorgung sei gesichert, ist daher wenig aussagekräftig. Letztendlich haben wir selbst damit begonnen, die Ambulanzen und Kliniken hinsichtlich deren Finanzierung und Fachkräfteausstattung zu befragen. Das dauert immer noch an, wir geben die Daten kontinuierlich weiter. Der Mukoviszidose e. V. hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das erstmalig die aktuelle Versorgungssituation mit Fachkräften für die Behandlung von CF-Patienten ermittelt und bis 2030 prognostiziert. Was kam dabei heraus? KRUIP: Die Zahlen sind alarmierend. Bereits heute fehlen 44 Prozent bzw. 480 Fachkräfte in der CF-Versorgung – ein Großteil davon nicht-ärztliches Personal wie Physiotherapeuten. Laut Prognose für 2030 wird sich die Situation sogar noch weiter verschärfen. Wir werden dann einen geschätzten Mangel an Fachkräften von 50 Prozent haben, das sind 590 fehlende Fachkräfte insgesamt, 430 davon im nicht-ärztlichen Bereich. Bewahrheitet sich das auch nur ansatzweise, ist das eine Katastrophe für alle Mukoviszidose-Patienten. Sie sind auf die lebenslange Versorgung durch ein interdisziplinäres Team aus Fachärzten, Pflegekräften, Diabetesberatern und Physiotherapeuten angewiesen. In unserem Interview im Herbst 2019 sprachen Sie die besonders großen Versorgungsdefizite in Bayern an. Gab es speziell dort Fortschritte? KRUIP: Für die Versorgung von Mukoviszidose-Patienten gibt es von Seiten des Gesetzgebers deutschlandweit bereits unterschiedliche finanzielle Unterstützung. In Form von Zuschlägen kommen diese insbesondere Zentren für seltene Erkrankungen zu, Hochschulambulanzen erhalten Pauschalen und für die ambulante spezialfachärztliche Versorgung gibt es eine extra Abrechnungsverordnung. In einem Rundtischgespräch im Dezember 2019 zwischen Universitätskliniken, Kliniken und Krankenkassen aus Bayern stellte sich dann aber heraus, dass die Finanzierungsinstrumente einfach nicht umfänglich genutzt werden, um die multimodale ambulante Versorgung zu sichern. Das ärgert mich sehr. Was wir aber absolut als Schritt in die richtige Richtung werten, ist, dass wir inzwischen Teil solcher Gespräche und in die Entwicklungen eingebunden sind – nicht nur in Bayern, sondern deutschlandweit. Erst Anfang Mai 2020 hatten wir eine Videokonferenz mit Herrn Dr. Thomas Gebhart, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Gesundheit. Was genau war Gegenstand des Gesprächs mit Herrn Dr. Gebhart? KRUIP: Es ging unter anderem um die Abrechnungsverordnung für die ambulante spezialfachliche Versorgung (ASV), anhand derer Ärzte die Betreuung der CF-Patienten nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abrechnen können. Hier bestehen große Defizite. Um die Abrechnung über die ASV zu verbessern, wurde uns zugesichert, unsere Vorschläge hierzu an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zur Prüfung weiterzuleiten. Wenn sich hier etwas bewegen würde, wäre das ein großer Erfolg. Die Versorgung von CF-Patienten erfolgt ja nicht nur in Ambulanzen und Kliniken, sondern u. a. auch in Physiotherapie-Praxen. Der Fachkräftemangel wächst auch hier. Wie kann Abhilfe geschaffen werden? KRUIP: Das stimmt, und wir arbeiten stetig daran, auch die Rahmenbedingungen in den Praxen weiter zu verbessern. Die Patienten sind auf gut ausgebildete Physiotherapeuten vor Ort angewiesen. Bei der jetzigen chronischen Unterfinanzierung ist es aber schwierig, Fachkräfte für den Bereich zu begeistern. Um dem entgegenzuwirken, ist es ein wichtiger Punkt, dass die Abrechnungsposition für Therapeuten verbessert wird. Zudem muss die Fort- und Weiterbildung von Fachpersonal gezielt gefördert werden. An beiden Aspekten sind wir dran – eine Lösung herbeizuführen ist bei den Strukturen des Gesundheitswesens aber nicht ganz einfach. Herr Kruip, vielen Dank für das Gespräch. Außerdem interessant: "Die Weichen für eine bessere Versorgung von Mukoviszidose-Patienten sind gestellt." Mukoviszidose: 100 Kilometer zum nächsten Therapeuten