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Infos zu den Würzburger Aphasie-Tagen vom 24. bis 26. März 2023

Dr. Barbara Wellner im Gespräch mit Beate Hechtle-Frieß
Das Zentrum für Aphasie und Schlaganfall Unterfranken richtet vom 24. bis 26. März 2023 die Würzburger Aphasie-Tage online aus. Eine jährliche Veranstaltung, die sich lohnt – für Therapeutinnen und Therapeuten, Betroffene und Angehörige. Anmeldungen sind ab Februar 2023 möglich.
Infos zu den Würzburger Aphasie-Tagen vom 24. bis 26. März 2023

Seit wann gibt es die Würzburger Aphasie-Tage (WAT), wie kam es dazu?

Mein ehemaliger Chef Dr. Erich Rieger, der selbst aphasischer Patient war, hatte sich 1996 in den Kopf gesetzt, den internationalen Aphasie-Kongress zu veranstalten. Er hat unser Team quasi „genötigt“ (zwinker), knapp 1.000 aphasische Patientinnen und Patienten, Angehörige und Therapierende auf internationaler Ebene zu uns nach Würzburg einzuladen. Wir haben den Kongress damals gewuppt, mit Unterstützung von Prof. Walter Huber und der leider kürzlich verstorbenen Luise Lutz. Es war eine Riesensache: Wir hatten Simultanübersetzungen ins Englische und Französische. Im Anschluss waren wir so beseelt, dass wir beschlossen, die Veranstaltung einmal jährlich für den deutschsprachigen Raum durchzuführen. Ab 1998 haben wir das in einem kleinen Rahmen umgesetzt, der bis heute stetig gewachsen ist.

Was zeichnet die Veranstaltung aus?

Das Charakteristische gegenüber anderen Aphasie-Fachtagungen ist, dass nicht nur über Aphasie und aphasische Menschen gesprochen wird, sondern auch mit ihnen. Das heißt, sie partizipieren, sowohl die Betroffenen als auch die Angehörigen. Neben dem rein wissenschaftlichen Programm, das sich eher an die Fachleute richtet, gibt es für sie Workshops und Vorträge. Viele Angebote ermöglichen, dass Erkrankte und Therapierende in Kontakt kommen, gemeinsam diskutieren und sich austauschen. Das wird von allen sehr begrüßt. Ich glaube, genau das macht den Kongress so einmalig.

Wie hat sich der Kongress durch Corona verändert?

Wir setzen die Veranstaltung digital um, das funktioniert ganz gut. Uns wird oft zurückgemeldet, dass auch der digitale Austausch, etwa in den Foren und Podien, sehr intensiv sein kann. Denn durch Zoom sind die Teilnehmenden nah am Geschehen, nah an den Personen und Emotionen. Die persönlichen Begegnungen in den Pausen und zwischen den Veranstaltungen lassen sich natürlich nicht digital umsetzen. Wir versuchen aber, persönliche Kontakte im Rahmen der digitalen Möglichkeiten herzustellen, zum Beispiel können Betroffene beim Pausenplausch aufeinandertreffen, und wir bieten einen Abendplausch für Angehörige.

Wird es die Aphasie-Tage zukünftig wieder als Präsenzveranstaltung geben?

2023 feiern wir 25jähriges Jubiläum. Vorausgesetzt, es gibt keine pandemischen Entwicklungen, wird es auf jeden Fall einen Anteil in Präsenz vor Ort geben. Wir favorisieren einen Mix aus Live- und digitalen Angeboten – vielleicht gibt es außerdem Vorträge in Hybrid. Die „alten Hasen“ brennen darauf, nach Würzburg zu kommen und alle zu treffen. Es ist schön, das zu sehen. Und das gesamte Drumherum ist so nett: Austausch, der sich bis in den Abend zieht und bei einem Schoppen fortgesetzt wird. Würzburg und der Frankenwald sind eine tolle Gegend. Aber wir müssen auch berücksichtigen, dass gerade die jungen Kolleginnen und Kollegen und die Studierenden die Reisekosten fürchten. Für diese Gruppe ist ein digitaler Kongress finanziell besser machbar. Daher denken wir über eine Mischform nach. Ich bin gespannt, wie es in Zukunft laufen kann.

Inwiefern profitieren Betroffene und Angehörige von diesem Kongress?

Die, die bisher teilgenommen haben, sind so begeistert, dass sie an Bord bleiben und jedes Jahr wieder dabei sind. Betroffene und Angehörige haben die Chance, Wissenschaftler:innen und Therapeut:innen auf einer ganz anderen Ebene als in der Klinik oder in der Praxis zu begegnen. Mehr Augenhöhe ist gegeben. Es wurden lebenslange Kontakte hergestellt, und eine enorme Vernetzung ist entstanden. Aus den digitalen Veranstaltungen der letzten Jahre sind digitale Angehörigengruppen hervorgegangen.

Warum sollten Logopädinnen und Logopäden aus ambulanten Heilmittelpraxen den Kongress besuchen?

Die Aphasie-Tage lohnen sich, weil sie interdisziplinär sind und Betroffene und Angehörige teilnehmen. Die Darstellung persönlicher Schicksale und deren Bewältigung beeindruckt gerade die jungen Absolventinnen und Absolventen nachhaltig und prägt ihre therapeutische Arbeit. Da erleben wir wirkliche Glanzlichter des individuellen Umgangs mit Aphasie. Menschen, die es sehr hart getroffen hat, die bis heute kaum sprechen können, die global aphasisch sind, es aber trotzdem schaffen, sich in diesem Format zu präsentieren und ihr Leben und ihre Möglichkeiten aufzuzeigen. Sie machen nicht nur anderen Mut, sondern zeigen auch den therapierenden Kolleginnen und Kollegen, dass sich Therapie bei allen aphasischen Betroffenen lohnt. Egal, wie schwer die Diagnose ist, jede Person mit Aphasie hat eine Perspektive, und genau das können Logopädinnen und Logopäden begleiten. Eine großartige Motivation für die therapeutische Arbeit!

Hinzu kommen die Inhalte. Bei der kommenden Tagung geht es zum Beispiel um das Thema „Aphasie – nur Sprachstörung oder auch traumatische Erfahrung?“. Darin wird darüber nachgedacht, wie wir mit den Emotionen, mit den Erfahrungen und der Verzweiflung von Patientinnen und Patienten in der Sprachtherapie umgehen, ob und wie wir dafür Raum schaffen können, ohne eine effektive Behandlung zu beeinträchtigen. Was machen wir als enge und langjährige Bezugspersonen mit diesen Nöten? Das sind wichtige Fragen, auf deren Beantwortung ich sehr gespannt bin.

Würde er sich auch für Ergo- und Physiotherapeutinnen und -therapeuten lohnen?

Es nehmen regelmäßig Kolleginnen und Kollegen aus der Ergo- oder Physiotherapie teil. Wir hatten auch schon Referentinnen und Referenten aus diesen Disziplinen, etwa zur Dysphagietherapie. Manche Themen berühren die Arbeit gleich mehrerer oder sogar aller Berufsgruppen, beispielsweise hypnotherapeutische Anteile in der neurologischen Therapie oder Verhaltensänderungen aufgrund neuropsychologischer Phänomene und der Umgang damit in der Therapie. Oder auch die Auseinandersetzung mit innerpsychischen Prozessen – vieles ist für Ergo- und Physiotherapeut:innen interessant und für ihre Arbeit nützlich.

Wie steht es derzeit um den Stellenwert von Aphasie- und Schlaganfallgruppen im Allgemeinen?

Das ist eine interessante Frage, der wir uns letztes Jahr im Forum kritisch angenommen haben. Denn es ist eine neue Generation an Betroffenen entstanden, die andere Dinge und Formate benötigt. Daneben gibt es aber auch die schon lange Erkrankten bzw. die älteren Patientinnen und Patienten. Unser Fazit war: Die klassische Selbsthilfegruppe, die sich einmal im Monat trifft, Aktivitäten und Austausch anbietet (gerne mit den Angehörigen), hat ihren Sinn.

Es gibt aber mittlerweile noch viel mehr: So betreue ich bundesweit digitale Angehörigengruppen. Ein Format, das sich besonders eignet, wenn man nicht reisen kann oder wenn es keine regionale Gruppe gibt. Außerdem bestehen Gruppen auf Instagram und Facebook. Und das funktioniert. Wir haben bei den Aphasie-Tagen junge Talker wie Matthias Beck und Marina Fraas, die sich mit Leuten auf eine ganz andere Weise treffen. Sie bieten eine andere Art der Selbsthilfe. Jeder kann für sich schauen, welches Format passt und den gewünschten Austausch ermöglicht.

Die wichtigsten Links und Infos

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