Von unbegrenzten Möglichkeiten im Familienbetrieb

Der Therapieberuf bietet unbegrenzte Möglichkeiten, wie das Beispiel von Patricia Köper zeigt. Sie ist Ergotherapeutin mit vielen Facetten: Sie arbeitet selbstständig in einem Familienbetrieb und leitet dort den Bereich Ergotherapie. Ihr Spezialgebiet ist die Linkshänderberatung, ein therapeutischer Schwerpunkt und ein Ansatz, über den sie auch ein Buch veröffentlicht hat. Und ihr macht der Umgang mit den sozialen Medien „einfach Spaß“, und sie nutzt diese für ihre Webinare. Patricia Köper ist mittlerweile in dritter Generation Therapeutin. „Ich bin in der Praxis groß geworden“, sagt die 34-Jährige. Dass sie sich für die Ausbildung zur Ergotherapeutin entschieden hat, lag an dem Wunsch ihrer Mutter, unbedingt interdisziplinär zu arbeiten und auch Ergotherapie anzubieten. „Klar war mir jedoch immer, dass ich Therapeutin werden wollte“, sagt sie. „Wir waren damals sogar die einzige Praxis in Stuttgart und auch eine der wenigen in Deutschland, die diese beiden Berufe unter einem Dach vereinten.“ Familiäre Zusammenarbeit hat Tradition Die berufliche Kooperation hat in der Familie schon Tradition: Auch ihre Mutter, die Diplom-Sprecherzieherin und Sprachtherapeutin Ariane Willikonsky, begann ihre Karriere wiederum bei ihrer Mutter, die in Leonberg bei Stuttgart schon 1974 eine logopädische Praxis unter dem Namen Institut FON gegründet hatte. „Da beide allerdings Sprechtherapeutinnen waren, wuchs bei meiner Mutter der Wunsch nach Selbstständigkeit“, erinnert sich die Tochter. „So wagte sie es schließlich, mit ihrem Institut zur Schulung sprachlicher und stimmlicher Kompetenzen, dem FON Institut, auf eigenen Füßen zu stehen.“ Das liegt schon über 20 Jahre zurück. Inzwischen beschäftigt das FON Institut 42 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an vier Standorten – drei in Stuttgart und einen im Allgäu. Während anfangs nur Logopäd:innen und Sprechtrainer:innen dort tätig waren, gibt es nun auch ein großes Team von Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, verschiedene Sprechberufe sowie eine klassische Sängerin, eine Theaterpädagogin und eine Schauspielerin im Team. Jeder lässt jedem frei Hand Für Patricia Köper ist Selbstständigkeit im Familienbetrieb kein Widerspruch. Ihr Erfolgsrezept für eine reibungslose Zusammenarbeit; „Wir arbeiten in unterschiedlichen Berufen, und jeder lässt jedem freie Hand.“ Schwierig sei lediglich die Abgrenzung von Beruf und Privatem: „An Heiligabend sollte das Institut kein Thema sein!“ Wohlfühl-Atmosphäre als Philosophie Gerade die familiäre Atmosphäre werde neben der interdisziplinären Zusammenarbeit im Betrieb geschätzt, meint die Therapeutin. „In Jahresgesprächen mit den Mitarbeitern wird immer wieder dieser Punkt genannt. Sie empfinden uns als familiär, warmherzig und offen. Und genau das ist unsere Philosophie: eine Wohlfühl-Atmosphäre für unsere Therapeuten, Klienten sowie Kunden zu schaffen.“ Kreative Köpfe im Familienbetrieb Besonders die Beziehung zwischen Mutter und Tochter werde als äußerst anregend empfunden. Die beiden sind die kreativen Köpfe im Familienbetrieb und sprudeln vor Ideen. Diskutiert werden diese unter den vier Gesellschaftern, die natürlich zur Familie gehören: Neben Patricia Köper ihre Mutter, ihr Vater Oliver Willikonsky, der als Betriebswirt für die Verwaltung des Instituts verantwortlich ist, und ihre Schwester Vanessa Baumgärtner, die sich nach ihrem Management-Studium um das Personalwesen und andere betriebswirtschaftliche Vorgänge kümmert. Leitung des Bereichs Ergotherapie und Linkshänderberatung Nach ihrem Abschluss im April 2010 stieg Patricia Köper zunächst als Angestellte im Praxisbereich im FON Institut ein und übernahm vier Jahre später die Leitung des Bereichs Ergotherapie und der Linkshänderberatung. „Das war purer Zufall“, erinnert sie sich, die selbst Linkshänderin ist. In einem Interview mit Antenne 1 Stuttgart im August 2010 wurde ihr bewusst, dass Linkshändigkeit auch ein Problem sein kann. Sie bekam nach der Sendung immer mehr Anfragen von Betroffenen, die darunter litten, vom Links- auf Rechtshänder umgeschult worden zu sein, wie es bis in die 1990er Jahre noch gemacht wurde. 60 Berater für Linkshändigkeit ausgebildet Neben der Beratung von Betroffenen bot sie auch Online-Kurse für Therapeut:innen, Erzieher:innen sowie Pädagog:innen an. Die Ausbildung zum Schreib-, Schrift- und Linkshänderberater im FON Institut umfasst acht Module und dauert etwa dreieinhalb Monate. Die kompletten Kosten betragen 1.500 Euro. Seit 2020 haben 60 Absolventen ihren zertifizierten Abschluss als FON Händigkeitsberater:in gemacht. Parallel dazu bietet die Ergotherapeutin beispielsweise das Webinar „Das linkshändige Kind“ an, in dem es darum geht, wie man linkshändige Kinder zu Hause, in der Kita und in der Schule fördern kann. Webinare zu Themen der Ergotherapie in der FON Akademie Die Webinare laufen unter dem Dach der FON Akademie, die 2011 neben der FON Praxis entstanden ist. Schon immer hatte Patricia Köper danach gestrebt, auch im Familienbetrieb etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. „Eine Spezialisierung in der Ergotherapie ist enorm wichtig“, sagt sie, und die Beschäftigung mit den sozialen Medien boten ihr den Raum, neben ihrer Linkshänderberatung weitere Fortbildungen zu verschiedenen Themen aus der Ergotherapie zu präsentieren. Die Palette reicht von „Verhaltensauffälligkeiten“ über „Fein- und Grafomotorik“ bis hin zu „Pädiatrie Basics“ und „Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation“. Mit diesen Online-Auftritten wolle das Institut allerdings nicht in erster Linie für das Unternehmen werben – im Gegenteil: Für alle Bereiche gäbe es Wartelisten von bis zu sechs Monaten, aber die sozialen Medien machten ihr „einfach Spaß“. Fortbildung zu Neurofeedbacktrainerin und Outdoortherapeutin Die Online-Angebote sind nur ein Standbein der Ergotherapeutin. Sie absolvierte verschiedene Zusatzausbildungen u. a. als Outdoortherapeutin bzw. Erlebnispädagogin. „Das war mein Herzensprojekt“, schwärmt sie. In Kooperation mit dem Hochseilgarten in Stuttgart bot sie drei- bis viermal pro Jahr Outdoorkurse für Kinder an – eine Präventivmaßnahme, die lange Zeit von der AOK unterstützt wurde. Leider habe die Kasse ihr Kursprogramm geändert, sodass die Kurse mit 150 Euro für vier Stunden kaum noch finanzierbar seien, bedauert die Therapeutin. „Schade, denn es war einfach nur schön zu sehen, wie Kinder andere für die Bewegung begeistern können – beispielsweise auch autistische Kinder.“ Buch im institutseigenen Verlag veröffentlicht Auch als Autorin machte sich Patricia Köper einen Namen: Das Buch „Mit dem Stift zur Schrift – Das schaff’ ich mit links!“, ein Trainingsprogramm zur Stärkung der links- und rechtsseitigen Grafomotorik, ist 2015 – natürlich im familieneigenen Verlag, dem FON Verlag – erschienen. „Mein Vater kommt aus dem Verlagswesen“, erläutert sie, „und was lag da näher, als unsere Bücher, Übungshefte für unsere Fortbildungen im eigenen Verlag herauszugeben …“ Weitere Projekte in Planung Es wird sicherlich nicht das letzte Projekt der kreativen Therapeutin bleiben. Ein Herzensprojekt von ihr:Die FON Akademie um den Bereich Erwachsenenbildung zu erweitern. Außerdem werde ihr zunehmend bewusster, „dass unsere Wartelisten immer länger werden und viele Eltern einfach große Schwierigkeiten haben, einen Therapieplatz zu bekommen.“ Daher sei die Schulung von Fachpersonal in Kitas und Schulen dringend erforderlich, sodass diese Fachkräfte in die Lage gebracht werden, bereits eine SOS-Beratung bei den Kindern vorzunehmen. Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtert Patricia Köper hat ihren Einstieg in das Familienunternehmen nie bereut – im Gegenteil, denn „dadurch kann ich auch noch als dreifache Mama meine Berufung als Ergotherapeutin ausleben. Meine Kinder sind oft in der Praxis wie ich es schon in meiner Kindheit war. Während der Corona-Pandemie und des Lockdowns sagte meine zehnjährige Tochter eines Tages zu mir, sie hätte Glück, dass ihre Mama diesen Beruf macht. Der Motorikraum ist natürlich auch ein Spielparadies – sogar sie kann sich derzeit gut vorstellen, auch ins Familienunternehmen einzusteigen …“ Ruf der Praxen verbessern Für die Zukunft wünscht sich Patricia Köper, dass sich der Ruf der Praxen verbessert. „Eine Praxis kann einen ganz tollen Arbeitsplatz bieten – mit viel Abwechslung, einer schönen Atmosphäre und vielen Freiheiten.“ Nach wie vor arbeitet sie am Patienten, und nach wie vor mit wachsender Begeisterung. Ihr größter Wunsch und zugleich ein Thema, über das sich die Ergotherapeutin aktuell aber am meisten den Kopf zerbricht, ist der Fachkräftemangel in den Heilmittelberufen. Wird eine Kollegin schwanger oder verlässt die Praxis aus anderen Gründen, sei es ganz schwer, einen Ersatz zu finden. Daher freut sie sich auf ihren neuen Mitarbeiter, der seit dem 1. März sie und ihr Team verstärkt. Und „ich freue mich besonders, dass es bei dem Frauenüberschuss im Institut endlich mal ein männlicher Kollege ist – neben meinem Vater und einem Rederhetoriker der dritte Mann im Team“.