„Fast ein Drittel unseres Teams sind ehemalige Praktikanten“

Die beiden Physiotherapeutinnen kümmern sich mit großer Begeisterung um die Betreuung der Praktikanten in der Praxis. Sie möchten positive Aspekte fortführen und dafür sorgen, dass sich negative Erfahrungen, die auch sie selbst während der Ausbildung in Praktika gemacht haben, bei ihnen in der Praxis nicht wiederholen. Im Interview erzählen sie, wie sie das im Alltag umsetzen. Aileen, Kirsten, was sind Eure Aufgaben in der Praktikumsbetreuung? Warum habt Ihr diese Rolle übernommen? AILEEN | Ich habe während meiner Ausbildung selbst ein Praktikum hier in der Praxis gemacht. Dadurch kannte ich den Ablauf bei den Praktika schon von der anderen Seite. Als ich dann hier angefangen habe, habe ich direkt signalisiert, dass ich an dieser Aufgabe Interesse hätte, sollte die Stelle mal freiwerden. Darum hatte die Praxisleitung mich also schon im Hinterkopf, als es soweit war, die Aufgabe neu zu vergeben. Kirsten war auch sofort von der Idee begeistert, als sie gefragt wurde. Uns beiden ist es einfach wichtig, dass die Praktikant:innen ein gutes Praktikum bei uns erleben. Wie ist der zeitliche Aufwand der Praktikantenbetreuung einzuschätzen? Habt Ihr ein festen Zeitkontingent? KIRSTEN | Nein, wir haben kein festes Zeitkontingent. Wir erledigen die Aufgaben immer dann, wenn zwischendurch etwas Luft ist oder nehmen uns die Zeit, wenn gerade bestimmte Aufgaben anstehen. AILEEN | Während die Praktikant:innen hier sind, gibt es für uns gar nicht so viel zu tun. Die meiste Arbeit haben wir in den zwei bis drei Wochen vor Praktikumsbeginn. Dann organisieren und führen wir die Vorstellungsgespräche, bereiten die Pläne vor, planen Reflexionsgespräche ein, die wir während des Praktikums mit den angehenden Therapeut:innen führen, und so weiter. Aber selbst das hält sich vom Zeitaufwand in Grenzen. Das sind dann für jede von uns vielleicht zwei Stunden pro Woche. Die Praktikantenbetreuung bedeutet zusätzliche Arbeit. Was hat denn die Praxis davon, Praktikumsplätze anzubieten? KIRSTEN | Aileen, zum Beispiel. Aileen ist eine von vielen Therapeut:innen bei uns, die erst ein Praktikum gemacht haben und nach der Ausbildung dann ins Team gekommen sind. Das steht bei uns auch im Vordergrund: Wir kümmern uns um den Nachwuchs für die Praxis. Wir möchten durch die Praktika einen gutes Bild von uns vermitteln und einen positiven Eindruck hinterlassen, sodass wir eben gute Therapeutinnen und Therapeuten nach der Ausbildung als Mitarbeiter:innen gewinnen können. Wir bekommen während des Praktikums ebenfalls einen guten Eindruck von den angehenden Therapeutinnen und Therapeuten. Wenn wir dann denken, dass könnte passen, versuchen wir natürlich, sie durch die positiven Erfahrungen bei uns an uns zu binden. Im Idealfall endet das Abschlussgespräch mit dem Satz: Wir würden uns freuen, wenn wir Deine Bewerbung bekommen. AILEEN | Und das funktioniert auch ziemlich gut. Fast ein Drittel unserer Mitarbeiter:innen sind ehemalige Praktikantinnen und Praktikanten, so wie ich. Das gilt sowohl für die Physiotherapie wie auch die Logopädie. In der Ergotherapie ist es etwas weniger, da kommen aber auch weniger Praktikant:innen zu uns. Wie häufig kommen Praktikant:innen zu Euch in die Praxis? AILEEN | Eigentlich durchgängig das ganze Jahr über, die Praktikant:innen wechseln sich quasi ab. Die Schulen achten darauf, dass sich die Praktikumszeiten der einzelnen Jahrgänge möglichst wenig überschneiden. Die Praktika dauern je nach Jahrgang und Praktikum acht bis elf Wochen. Manchmal haben wir dann ein oder zwei Wochen Lücke zwischen dem Ende des einen und Beginn des nächsten Praktikums, aber mehr ist es auch nicht. Wie gehen die Patientinnen und Patienten damit um? KIRSTEN | Größtenteils haben die Patient:innen kein Problem damit. Wir geben vorab Bescheid, dass jemand dabei ist. Dann haben sie Gelegenheit, etwas zu sagen, wenn sie das nicht möchten. AILEEN | Es gibt Patient:innen, die eine schwere Erkrankung haben, und eben bis an ihr Lebensende Therapie bekommen. Diese sagen dann auch mal, dass sie jetzt mal mit ihrem Therapeuten allein sein möchten. In der Orthopädie hingegen, wo die meisten Patientinnen und Patienten für zwei oder drei Rezepte kommen, ist es eigentlich kein Problem, wenn die Praktikant:innen dabei sind. KIRSTEN | Gerade in der Orthopädie haben wir so auch die Möglichkeit, dass sich die Praktikant:innen Patientinnen und Patienten herauspicken, die sie dann vor oder nach der Behandlung entsprechend der Verordnung auch nochmal selbst behandeln. So können sie selbst üben und Praxiserfahrung sammeln. Das hat auch den Vorteil, dass sich die Praktikant:innen so therapeutisch ausprobieren können, ohne auf Zeitlimits schauen zu müssen. Also behandeln bei Euch die Praktikant:innen nur zusätzlich und arbeiten keine Verordnungen ab? KIRSTEN | In vielen Fällen ja. Wir haben natürlich auch die Wirtschaftlichkeit im Auge und schauen, dass es irgendwann auch in Richtung Rezeptbehandlung geht, da ist es aber auch einfach schwierig, immer die Krankheitsbilder zu finden, die mit der jeweiligen Qualifikation des Praktikanten zusammenpassen. Seid Ihr die Ansprechpartnerinnen für die Praktikant:innen oder wird jeder Person eine Therapeutin bzw. ein Therapeut zugeteilt? AILEEN | Das kommt ein bisschen auf den Fachbereich an. In der Pädiatrie und Neurologie gibt es nochmal feste Ansprechpartner:innen, die für den jeweiligen Bereich zuständig sind. Wir sind die Ansprechpartnerinnen für alles Organisatorische, für die Abläufe, den Kontakt mit der Schule und den Dozent:innen. Das läuft alles über uns. Die Praktikant:innen bekommen am Anfang ein Heft, in dem nochmal Informationen über die Praxis und die Abläufe festgehalten sind und dort stehen auch die jeweiligen Ansprechpartner:innen für die einzelnen Fachbereiche. Die helfen dann bei fachlichen Fragen weiter. KIRSTEN | Natürlich können die Praktikant:innen jeden fragen und ansprechen. Das betonen wir auch immer wieder. Das ist uns auch ganz wichtig. Was würdet Ihr anderen Praxen raten, die sich bisher vielleicht davor gescheut haben, Praktikumsplätze anzubieten, auch weil sie den zusätzlichen Aufwand scheuen? Wie lässt sich die Praktikantenbetreuung möglichst reibungslos in die Praxisabläufe einbauen? KIRSTEN | Man muss vorher einen Invest leisten. Das ist zwar zeitaufwändig und wirtschaftlich in dem Moment nicht lohnend. Aber die Zeit, die man in die Planung und Betreuung investiert, zahlt sich eben später aus. Sei es, dass man eben trotz Fachkräftemangel auf diese Art neue Mitarbeiter:innen für die Praxis gewinnt. Oder auch, dass man durch eine gute Betreuung und Einarbeitung, die Praktikant:innen schon während des Praktikumszeit auch auf Rezept behandeln lassen kann, also bei der Arbeit auch Unterstützung hat. Bei diesem Punkt befinden wir uns gerade in der Planung. Wichtig ist, man darf sich nicht davor scheuen, erstmal Zeit in die Praktikant:innen zu investieren. AILEEN | Hinzu kommt, dass die Praktikanten einem auch ganz viel zurückgeben. Auch erfahrende Therapeut:innen können davon profitieren. Man sollte die Praktikant:innen also nicht als Last sehen, sondern vielmehr als Bereicherung Tipp: Hier erfährst Du, welche Voraussetzungen jemand mitbringen sollte, der sich in der Praxis um die Betreuung und Organisation rund um die Praktika kümmert. 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