Schwierige Patienten: 10 Tipps, wie die Kommunikation mit ihnen ganz einfach gelingt

Sie sind laut, fordernd, unverschämt, respektlos, halten sich nicht an Regeln – und vieles mehr. Alle Therapeutinnen und Therapeuten begegnen beruflich vielen verschiedenen Menschen. Dass da nicht mit jedem die Chemie stimmt, ist ganz natürlich. Dennoch gehört es auch zum Job, mit Patientinnen und Patienten umzugehen, deren Verhalten wir als schwierig empfinden. Wir haben Tipps, die Euch die Kommunikation in solchen Fällen erleichtern. Tipp 1: Nehmt die Rolle des Gastgebers ein Eure Praxis, Eure Spielregeln – Ihr seid die Gastgeber, also bestimmt Ihr auch, welche Regeln bei Euch gelten. Die Patientinnen und Patienten sind Gäste in Eurer Praxis, also ist es auch völlig in Ordnung, sie darum zu bitten, Eure Spielregeln einzuhalten. Wenn sie das nicht möchten, können sie leider nicht länger zu Gast sein und müssen die Praxis verlassen. Wenn Ihr diese Grundeinstellung verinnerlicht, ergeben sich viele der folgenden Verhaltenstipps ganz von selbst. Tipp 2: Vom eigenen Standpunkt überzeugt sein Ihr legt die Regeln fest, also steht Ihr auch dahinter. Nur so könnt Ihr auch Eurem Gesprächspartner gegenüber überzeugend auftreten. Seid Ihr beispielsweise gegen die Ausfallgebühr, wird diese immer wieder ein Thema bei den Patienten sein. Denn Ihr signalisiert, dass dieses Thema zur Diskussion steht. Um das zu verhindern, legt gemeinsam im Team klare Standpunkte zu Themen fest, bei denen es immer wieder zu Diskussionen kommt. Nehmt, wenn nötig, die rechtlichen und vertraglichen Grundlagen (Versorgungsverträge, Bürgerliches Gesetzbuch, ...) zur Hand, um Eure Entscheidung zu untermauern. Tipp 3: Auf andere Autoritäten berufen Auf die rechtlichen und vertraglichen Vorgaben könnt Ihr Euch auch Patienten gegenüber berufen. Solche Autoritäten akzeptieren diskussionsfreudige Patienten oftmals leichter. Ihr könnt dann sogar gemeinsam den Kopf über merkwürdige Regeln schütteln. Denn Ihr in der Praxis habt diese ja nicht gemacht. Dennoch muss klar sein, dass die Vorgaben eingehalten werden. Ein gutes Beispiel ist die Zuzahlung. Die Krankenkassen verlangen von den Heilmittelpraxen, dass diese die Zuzahlung einziehen. Die Praxen selbst haben davon nichts – außer unbezahlte Mehrarbeit. Ihr könnt also gemeinsam mit den Patient:innen die Sinnhaftigkeit der Zuzahlung infrage stellen. Es steht aber nicht zur Diskussion, ob und in welcher Höhe Patienten diese zu leisten haben bzw. wer davon befreit ist. Denn dazu gibt es klare Regeln, die die Praxis nicht gemacht hat und auch nicht beeinflussen kann. Tipp 4: Nicht in die Rechtfertigungsfalle tappen Begrüßt nun nicht jede Patientin mit dem BGB in der Hand. Wenn die Patienten Themen nicht von selbst ansprechen, liefert auch keine Erklärungen. Sonst seid Ihr schnell in die Rechtfertigungsfalle getappt. Denn eine Erklärung ohne vorhergehende Frage weckt beim Gegenüber ganz schnell Misstrauen und das Verlangen, nachzufragen. Und schon steckt man in einer Diskussion, die es gar nicht hätte geben müssen. Wie lässt sich das vermeiden? Beantwortet nur Fragen, die auch tatsächlich gestellt wurden. Und beantwortet die Frage ruhig kurz und knapp. „Oh, die Preise sind ja ordentlich gestiegen, seitdem ich das letzte Mal hier war.“ – „Ja, das stimmt. Wir haben die Preise Anfang des Jahres angepasst.“ Fertig. Oftmals können wir diese vorauseilende Rechtfertigung besser bei anderen erkennen als bei uns selbst. Hier hilft es also, wenn sich das Team gegenseitig Feedback gibt und sich freundlich darauf hinweist, wenn mal wieder jemand in die Rechtfertigungsfalle getappt ist. Tipp 5: Weichmacher ausmerzen „Weichmacher“ sind sprachliche Formulierungen, mit denen Ihr Aussagen relativiert oder zur Diskussion stellt. Klassische Beispiele sind: „vielleicht“, „möglicherweise“, „eigentlich“, „falls“, „quasi“ und alles, was im Konjunktiv steht, also „hätte“, „könnte“, „müsste“ usw. „Die Übung könnten Sie auch zu Hause machen.“ Wenn Ihr hier den Konjunktiv verwendet, formuliert Ihr es als Möglichkeit. Das heißt, der Patient kann die Übung zu Hause fortführen, oder auch nicht. Verwendet den Konjunktiv nur dann, wenn Ihr die Entscheidung wirklich dem Patienten überlassen möchtet. „Sie müssten für den ausgefallenen Termin letzte Woche eine Ausfallgebühr zahlen.“ Nein, die Ausfallgebühr zu zahlen oder nicht, ist keine Wahl, die die Patientin treffen kann. Entweder ist eine Ausfallgebühr fällig oder nicht. Wenn Ihr den Patientinnen und Patienten sprachlich eine Wahlmöglichkeit signalisiert, dürft Ihr Euch nicht wundern, wenn sie eine Wahl treffen. Und im nächsten Schritt ist es auch keine Überraschung, wenn sie darüber mit Euch diskutieren, warum die gewählte Option jetzt doch nicht infrage kommt. Wenn alle in der Praxis Weichmacher aus ihrem Vokabular streichen, erspart Ihr Euch viele unnötige Diskussionen, Unzufriedenheit und Ärger. Tipp 6: Streit unter allen Umständen vermeiden Schnell ergibt ein Wort das andere, der Ton wird ruppiger und plötzlich hat sich eine Diskussion zum Streit entwickelt. Spätestens jetzt ist es Zeit, die Reißleine zu ziehen. Sagt einfach „Entschuldigung, lassen Sie uns hier kurz unterbrechen. Wir wollen doch nicht streiten.“ Warum wollen wir keinen Streit mit Patient:innen? Ganz einfach, wir können damit nichts gewinnen. Gehen wir als vermeintlicher Sieger aus dem Streit hervor, verliert die Praxis vermutlich die Patientin. Gewinnt die Patientin, verliert die Praxis. Wir haben also nichts davon, zu streiten, ganz im Gegenteil. Nachdem wir uns also dafür entschuldigt haben, dass es zum Streit gekommen ist, fangen wir nochmal bei Null an. Worüber sind wir uns uneinig? Häufig liegt es daran, dass wir Begriffe unterschiedlich definieren. Ein Beispiel: „Pünktlich“ heißt in der Praxis, die Patientin ist fünf bis zehn Minuten vor ihrem Termin da, damit sie noch Zeit hat, ihre Jacke aufzuhängen, auf Toilette zu gehen, sich ggf. umzuziehen usw. Dann kann die Therapie pünktlich starten. Das war der Patientin aber bisher überhaupt nicht klar. Sie dachte, sie ist pünktlich, wenn sie um Punkt 10 Uhr durch die Praxistür tritt. Sie fühlte sich dann gehetzt und hatte den Eindruck, ihr Therapeut hat nicht wirklich Zeit für sie. Solche kleinen Missverständnisse, unterschiedliche Definitionen und abweichende Erwartungen gibt es im Alltag ganz häufig. Sie zu identifizieren, hilft allen Betroffenen viel mehr, als sich darüber zu streiten. Tipp 7: Konflikte aushalten Ihr bestimmt über Euer Verhalten – nicht Euer Gegenüber. Wenn eine Patientin versucht, Druck auf Euch auszuüben, indem sie ihrem Ärger Luft macht, müsst Ihr Euch davon nicht beeindrucken lassen. Ihr könnt darauf reagieren, indem Ihr es thematisiert: „Ich sehe, Sie sind gerade richtig sauer. Das ist in Ordnung.“ Ihr könnt sogar Verständnis dafür zeigen, nur ändert es nichts an den Fakten oder an Eurem Standpunkt. Ihr möchtet das eine, die Patientin das andere. So ist das manchmal. Den Konflikt kann man aushalten. Da Ihr Euch in Eurer Praxis befindet, gelten aber Eure Regeln. Die Patientin kann sich darüber ärgern. Das ist ihr gutes Recht. Sie muss sich nur an die Regeln halten. Tipp 8: Auf Augenhöhe kommunizieren Ein autoritärer oberlehrerhafter Ton fordert Abwehr und Diskussionen heraus. Verzichtet darum auf Belehrungen und Zurechtweisungen. Sie kommen bei Eurem Gegenüber nicht gut an und erschweren die Kommunikation. Klar müsst Ihr bei Bedarf Eure Regeln erklären, aber das geht auch nett, freundlich und auf Augenhöhe. Auch hier ist es hilfreich, sich das Feedback einer anderen Person einzuholen, denn man selbst merkt häufig nicht, wie man auf andere wirkt. Tipp 9: Bewertungen vermeiden Solange niemand nach Eurer Meinung fragt, behaltet sie doch einfach für Euch. Ihr müsst das Verhalten von anderen nicht ständig bewerten. Besonders wenn Eure Bewertung negativ ausfällt, kommt das bei Eurem Gegenüber in den seltensten Fällen gut an. Vielmehr öffnet es die Tür für Auseinandersetzungen und Konflikte, denn der andere fühlt sich angegriffen, will sich verteidigen oder rechtfertigen. Nicht gleich alles zu bewerten, gibt Euch auch die Chance, weiter über einen Sachverhalt nachzudenken, offen zu bleiben und Fragen zu stellen. Tipp 10: Mehr fragen als reden Mit Fragen lenkt Ihr die Gedanken Eures Gesprächspartners. Mit den Fragen, die Ihr an der Rezeption oder bei der Anamnese stellt, könnt Ihr beeinflussen, in welche Richtung Eure Patientinnen und Patienten denken. Indem Ihr fragt, zeigt Ihr zudem Interesse an Eurem Gegenüber. Fragt Ihr nach konkreten Sachverhalten, erzeugt das Nähe. Stellt Ihr Fragen, die Patient:innen an etwas Positives denken lassen, bewirkt das Sympathie. Auch Suggestivfragen können hilfreich sein. „Sie wollen doch auch, dass wir Erfolge sehen ...?“ Und schon steht Ihr mit den Patient:innen auf derselben Seite. Fragen eignen sich auch hervorragend, um zu schauen, ob die Patientin das, was Ihr gerade erklärt habt, auch wirklich verstanden hat. Also, fragt mehr als Ihr redet! So gelingt die Umsetzung: Rollenspiele und Erfolgsgeschichten Um Kommunikation zu trainieren, braucht Ihr ein Gegenüber. Übt darum im Team, wie Ihr – nicht nur mit schwierigen – Patient:innen am besten kommuniziert. Rollenspiele eigenen sich dazu, denn dann könnt Ihr die verschiedenen Tipps direkt anwenden, werdet sicherer und erhaltet sofort ein Feedback. Beim nächsten Teammeeting tauscht Ihr Euch dann über Eure Erfahrungen aus. Sprecht dabei nicht nur über die Probleme und Herausforderungen, sondern räumt auch den Erfolgsgeschichten Platz ein. Selbst wenn es nur kleine Erfolge sind, teilt sie und motiviert Euch so gegenseitig.