Wieso, weshalb, warum… – sind manche Patienten eigentlich so „schwierig“?

Alle, die in einer Therapiepraxis arbeiten, begegnen hin und wieder „schwierigen“ Patientinnen und Pa- tienten. Müsste aber nun Jede und Jeder beschreiben, was genau eine Person „schwierig“ macht, wür- den die Ergebnisse ganz unterschiedlich aussehen. Denn was wir an unserem Gegenüber als schwierig empfinden, hat auch viel mit uns selbst zu tun. Die folgenden Fragen zeigen Euch, dass wir in vielen Fällen unseren eigenen Teil beitragen, wenn aus einem Patienten ein „schwieriger“ Patient wird. Während der eine Therapeut einen Patienten als schwierig empfindet, der ständig um Anerkennung buhlt, lässt dieses Verhalten die andere Therapeutin völlig kalt. Sie nimmt denselben Patienten mit demselben Verhalten nicht als problematisch wahr. Ihre „schwierigen“ Patienten sind diejenigen, die auf Distanz gehen, nicht mitarbeiten, keine Fragen beantworten und so tun, als wäre es allein Aufgabe der Therapeutin, sie gesund zu machen. Wie kommen diese unterschiedlichen Wahrnehmungen zustande? Frage 1: An wen erinnert mich diese Patientin? Als Menschen sind wir ständig auf der Suche nach Mustern und bekannten Schubladen, um unsere vielfältigen Erfahrungen einzuordnen. Das ist auch bei Begegnungen mit Menschen so. Häufig erleben wir unser Gegenüber nur kurz, die Person erinnert uns an jemanden und wir übertragen unsere guten oder schlechten Erfahrungen, Erwartungen und Befürchtungen auf sie. Mit der Person selbst hat das aber überhaupt nichts zu tun. Was tun? Frag Dich bei jeder neuen Begegnung, an wen Dich die Person erinnert. So wird Dir bewusst, wenn Du Probleme auf sie überträgst, die Du eigentlich mit jemand anderem hast. Und schon ist eine Patientin vielleicht gar nicht mehr so „schwierig“. Frage 2: Was regt mich eigentlich gerade auf? Ist es wirklich der Patient, der gerade schwierig ist, oder liegt es an mir? Auch das ist eine wichtige Frage. Denn vielleicht ist das Verhalten des Patienten gerade nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Tatsächlich warst Du nämlich bereits schlecht gelaunt, bevor Du den Behandlungsraum überhaupt betreten hast. Du hast verschlafen, musstest Dich beeilen, hast entdeckt, dass Dein Auto einen neuen Kratzer hat und standst dann auch noch im Stau. So hattest Du vor Deinem ersten Termin nicht mal Zeit, einen Kaffee zu trinken und richtig anzukommen. Und jetzt hat der Patient auch noch direkt Sonderwünsche. Mit Abstand betrachtet, ist das Verhalten des Patienten aber gar nicht so herausfordernd. An normalen Tagen würdest Du mit ihm völlig entspannt umgehen. Frage 3: Ist die Patientin schwierig oder haben wir sie schwierig gemacht? Neben den Assoziationen, die wir selbst mit der Patientin haben, und dem Rucksack an Emotionen, den wir gerade selbst mitbringen, spielt auch die Einstellung der Kolleginnen und Kollegen eine Rolle. „Oh, heute kommt Frau Schneider. Viel Spaß, da war die Terminvereinbarung bereits ein Drama. Da beneide ich Dich wirklich nicht.“ Und schon gehen wir mit einer bestimmten Erwartungshaltung in den Termin und interpretieren das Verhalten von Frau Schneider so, dass es zu unseren Erwartungen passt. Unbewusst überträgt sich unsere Einstellung zudem auf die Patientin und sie wird wirklich „schwierig“. Wir haben eine schwierige Patientin geschaffen. In solchen Fällen spricht man von einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Wir erwarten ein bestimmtes Ergebnis und tragen unbewusst dazu bei, dass es auch eintritt. Dabei war Anni an der Rezeption am Tag von Frau Schneiders Anruf nur gerade besonders gestresst, weil zwei Kollegen krank waren. Frau Schneider hatte wenige Tage zuvor einen neuen Job angefangen und war darum zeitlich nicht so flexibel. Kurz und knapp: Es liegt nicht immer nur an den Patienten, wenn wir sie als „schwierig“ wahrnehmen. Treten wir einen Schritt zurück und beziehen auch unsere Erwartungen und Gefühle ein, können wir die eine oder andere Person schnell wieder aus dieser Schublade herausholen – und das macht uns allen das Leben leichter.