„Geht einmal durch die Praxis und betrachtet die Räumlichkeiten mit der Patientenbrille“

„Irgendetwas möchte ich in meiner Praxis anders machen, aber was eigentlich?“ Wenn Ihr Eure Praxisräume auch verändern wollt, aber nicht genau wisst, was aktuell im Trend ist: Interior Designerin Ina Schönack gibt Euch Tipps. Ina, Du hast als Interior Designerin viel Erfahrung mit der Gestaltung von Büros und Praxen. Warum sind „schöne“ Praxisräume so wichtig? INA | Gerade der Eingangsbereich einer Praxis hinterlässt einen ersten Eindruck. Er ist quasi das Aushängeschild. Hier sehen Patienten direkt, wie die Praxis funktioniert. Ist sie eher spirituell, gemütlich, einfühlsam oder sehr clean und hochmodern. Man kann so inhaltlich direkt zeigen, wer man ist. Außerdem sollen sich Patienten und auch Mitarbeiter gleichermaßen wertgeschätzt fühlen. Praxisräume sollten zum Wohlbefinden und zum Gesundwerden beitragen. Auch für die Mitarbeitersuche können kleine Verschönerungsmaßnahmen wertvoll sein, wenn sich die Praxen so von der Konkurrenz abheben können. Wer richtig umbauen möchte, kann damit auch die Arbeitsabläufe verbessern und effizienter gestalten. Was gibt es denn aktuell für Trends, die auch in Heilmittelpraxen sinnvoll wären? INA | Ich würde von kurzlebigen Trends in Praxen tat- sächlich abraten. Was aktuell modern ist, sind erdige, natürliche und warme Töne, die die etwas kühleren Graunuancen gerade ablösen. Solche Farben sind auch recht unaufgeregt und zeitlos, so dass sie auch noch in zwei Jahren gut aussehen. Das heißt aber nicht, dass man nicht in der eigenen Praxis auch auf Grün oder Blau setzen kann. Auch solche Töne können, richtig angewendet, modern wirken. Ein eher Megatrend und damit ein Dauerbrenner ist das Thema Nachhaltigkeit: natürliche und/oder nachhaltig produzierte Materialien und langlebige Möbelstücke. Aber auch Beton ist wieder modern, womit sich gerade Böden sehr schön gestalten lassen. Der Trend geht hier aber zu wärmeren Nuancen, wie Beige oder Greige. Auch der Mix aus kühlen und natürlichen Materialien ist eine gute Idee. Wer seinen Boden neu machen möchte, kann guten Gewissens auf Holz oder Beton setzen. Das sind zeitlose Materialien, die sicherlich nicht so bald richtig out sein werden. Also empfiehlst Du: Farbe nur gezielt einsetzen und lieber auf Schlichtheit setzen? INA | Ja, ich würde schauen, dass ich mich bei der Ausstattung, wie den Behandlungsliegen und zum Beispiel den Pezzibällen sowie weiteren Trainingsmaterialien auf eine Farbe konzentriere. Das sollte dann eine Farbe sein, die ich lange Zeit behalten möchte. Dafür eignen sich neutrale Farben, wie schwarz, weiß oder grau. Wenn ich eine neutrale Grundfarbe in der Praxis wähle, dann kann ich, wie zuhause auch, die kleineren Dinge immer mal wieder ändern. Das können dann zum Beispiel mal neue Handtücher in einer Trendfarbe sein oder auch eine Wand im Wartebereich. Die teureren Investitionen, wie die Grundfarbe der Wände, Böden, die hochwertigen Möbelstücke, würde ich hingegen immer neutral halten. Welche typischen Fehler gibt es, die Praxisinhaberinnen und -inhaber bei der Gestaltung ihrer Räume häufig machen und was können sie stattdessen besser machen? INA | Manchmal wird die Corporate Identity etwas zu sehr eins zu eins in die Praxisräume übertragen. Dann finden sich die Farben aus dem Logo zum Beispiel an allen Wänden wieder. Das ist oft zu viel. Je nach Farbton kann man natürlich mit den Logofarben spielen, sollte sich dann aber auf eine Wand beschränken – wie ein Highlight. Es kann auch toll aussehen, wenn dann zum Beispiel alle Stühle im Wartebereich in einer knalligen Farbe sind. Aber das muss gut gemacht sein. Manche Praxisinhaberinnen und -inhaber konzentrieren sich auch nur auf einen Bereich der Praxis und machen zum Beispiel den Empfangsbereich neu, vergessen dabei aber die anderen Räume. Ja, der Empfangsbereich ist wichtig, aber der Wartebereich und die Behandlungsräume sind die Räume in der Praxis, in denen sich die Patienten am längsten aufhalten. Das Wichtigste ist: Auch wenn man nicht alles auf einmal erneuert, sollten Praxisinhaber einen Plan und ein Konzept haben, was sie wollen und wo die Reise hingehen soll. Dann können sie nach und nach umgestalten. Was ich sehr oft sehe, ist, dass die Spielecke vergessen wird. Sie passt häufig nicht zum Design der übrigen Praxis. Da kann der Wartebereich noch so stimmig sein, wenn dann die Spielecke aus zusammengewürfelten bunten ausrangierten Kinderstühlen besteht, dann ist auf dieser Ecke das Augenmerk. Die Stühle und Kindertische können ebenfalls in das Farbkonzept des Raumes integriert werden. Auch ein Ordnungssystem schafft Ruhe. Die Kinderbücher kommen dann in ein passendes Regal und die Buntstifte in eine schöne Box. Oh ja, stimmt. Ausrangierte Möbel und Deko-Elemente sollten also nicht in der Praxis landen? INA | Nein, lieber nicht. Ich sehe auch oft, dass Praxisinhaber Dekoration wie Bilder, Vasen oder Blumentöpfe, die zuhause nicht mehr gebraucht werden, mit in die Praxis bringen. Häufig passen sie aber überhaupt nicht zur Ausstattung oder es stehen am Ende viele verschiedene Gegenstände herum, die gar nicht zueinander passen. Dadurch sehen Räume schnell unordentlich aus. Ein weiterer Fehler ist, alles neu machen zu wollen, aber dann auf qualitativ minderwertige Möbel, Deko und so weiter zu setzen. Man merkt und sieht dann leider oft, dass die neuen Stücke günstig waren. Das macht keinen guten Eindruck. Ich würde dann eher Schritt für Schritt erneuern. Oft ist ein Mix aus hochwertigen und schönen sowie günstigeren Dingen eine gute Option. So kann es toll wirken, wenn Praxisinhaber im Wartebereich in einen teuren Tisch investieren, aber dazu günstigere Stühle stellen. Es muss immer einige Teile geben, die einem Raum eine gewisse Wertigkeit geben. Wie gehe ich denn im ersten Schritt vor, wenn ich etwas verändern möchte? INA | Insgesamt ist es wichtig, sich einmal die Patientenbrille aufzusetzen. Was sehen die Patientinnen und Patienten eigentlich hauptsächlich? Wo verbringen sie die meiste Zeit? Es gibt so viele Kleinigkeiten, die sie viel eher sehen als Praxisinhaber. Ich würde zum Beispiel durch die Praxis gehen und alles einsammeln, was nicht unbedingt nötig ist – so genannte „Stehrümmchen“. In der Regel sind Praxen schon durch Trainingsgeräte, Übungsmaterialien und Behandlungsliegen bunt. Daher braucht es hier keine zusätzlichen Deko-Elemente, die vielleicht sogar noch Stolperfallen für Patienten sein könnten. Die meisten von uns neigen dazu, gewisse Dinge selbst machen zu wollen. Ein klassisches Beispiel ist wahrscheinlich das Wände streichen. Was empfiehlst Du Praxisinhaber:innen? Welche Tätigkeiten können sie ruhig selbst angehen und wann sollten Profis ran? INA | Ich würde Praxisinhabern immer raten, von Malern streichen zu lassen. Gerade bei dunklen Farben wird der Anstrich schnell fleckig. Viele schrauben dann beispielsweise die Steckdosen und Lichtschalter nicht ab, sondern kleben sie ab. Dann entstehen immer unschöne Ränder oder sogar Farbflecken auf den Steckdosen. Wenn ein Maler Wände streicht, streicht er an der Decke und an den Seiten exakt bis an die Ränder. Der Profi hat dafür die richtige Technik und Erfahrung, um diese Arbeiten sauber und ordentlich auszuführen. Das ist für Laien schwer. Häufig wird mit Klebeband ein Rahmen abgeklebt, dadurch entsteht der typische weiße Streifen um die Wand herum. Ich werde sogar von Kunden manchmal gefragt, ob wir denn auch diesen weißen Rahmen um die Wand machen. Das gilt auch für das Verlegen eines neuen Bodens. Wenn Praxisinhaber das wirklich gut können, ist das kein Problem. Einen Betonboden zu gießen, ist hingegen tatsächlich etwas für die Fachleute. Ansonsten würde ich sagen, es hängt stark vom handwerklichen Geschick und den gestalterischen Fähigkeiten ab, was Praxisinhaber selbst machen können. Es ist aber sehr schwer, ein ganzheitliches Konzept für eine gesamte Praxis zu erstellen. Wer also einmal neu denken möchte, dem empfehle ich, sich beraten zu lassen. Also kann ich mich auch von Innenarchitekten nur beraten lassen, ohne gleich den Full Service buchen zu müssen? INA | Ja, das ist ganz üblich. Das mache ich auch im privaten Bereich. Kunden rufen mich an und sagen: Wir wollen ein neues Sofa, aber wir wissen nicht welches und wie groß es sein soll. Und dann komme ich in die Wohnung und wir stellen das Sofa einfach nur mal um und schon wirkt der Raum völlig anders. Es kann also sein, dass ich in eine Praxis komme und wir nur ganz kleine Veränderungen vornehmen, die einen großen Effekt haben. Es heißt nicht, dass man immer gleich alles komplett neu machen muss. Praxisinhaber bekommen nach einer Beratung einen Leitfaden an die Hand, an dem sie sich dann orientieren können. Ich schlage dann zum Beispiel Veränderungen und Farbkonzepte vor, wie: Ich würde als Grundfarbe einen Sandton nehmen und die Farbakzente werden ein abgetöntes Blaugrau und Ihr geht nun los und besorgt die Seifenspender und Handtücher in den passenden Farbtönen. Das gilt auch für die Positionierung und die Größenauswahl von Bildern. Vorschläge umsetzen können die meisten aber in der Regel selbst. Ina, vielen Dank für das Gespräch. So geht es weiter Du möchtest nun konkrete Ideen, was Du in Deiner Praxis alles verändern kannst? Dann findest Du auf den folgenden Seiten Anregungen, wie Du mit 1.000 Euro, 5.000 Euro, 10.000 Euro und 50.000 Euro Verschönerungsmaßnahmen durchführen kannst, die einen tollen Effekt haben. Diese Artikel gehören zum Themenschwerpunkt “Einsatz in vier Praxiswänden”: Themenschwerpunkt 06.2023: Einsatz in vier Praxiswänden - So verschönerst Du Deine Räumlichkeiten auch mit einem geringen Budget Kleines Budget, große Wirkung: Mit diesen (fast) kostenfreien Maßnahmen pimpst Du Deine Praxisräume auf Budget bis 1.000 Euro: eine große oder viele kleine Maßnahmen Budget bis 5.000 Euro: kleine Umbauten und Renovierungen sind möglich Budget bis 10.000 Euro: Kombinationen aus verschiedenen Maßnahmen Budget bis 50.000 Euro: Licht? Boden? Möbel? Vieles ist drin „Ein klinisch reines Weiß an den Wänden lässt unsere Gesichter fahl und grau wirken" - Interview mit Katrin Trautwein, Farbforscherin und Gründerin von ktCOLOR – Die Farbmanufaktur „Wir haben ein Grundkonzept entwickelt, das langlebig und so auch wirtschaftlich sehr nachhaltig ist“ - Interview mit Praxisinhaber Robert Hess zu Komplettrenovierungen von Praxen