„Es sind immer nur wenige schwarze Schafe, die ein Fehlverhalten oder gar Betrug begehen.“

468 neue Hinweise auf Falschabrechnungen erhielt die Prüfgruppe Abrechnungsbetrug der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) im Jahr 2022. 139 Fälle entfielen auf die Pflegedienste, auf Platz zwei folgten mit 101 gemeldeten Fällen die Physiotherapiepraxen. Das sind bei den Therapeuten mehr als doppelt so viele Meldungen wie im Vorjahr. Wie diese Zahlen einzuordnen sind, welches Fehlverhalten bei Heilmittelerbringern besonders häufig auftritt und wie man damit umgeht, wenn man Post von einer Fehlverhaltensstelle erhält, verrät uns Emil Penkov, stellvertretender Beauftragter für Fehlverhalten im Gesundheitswesen der KKH. Herr Penkov, Sie kümmern sich bei der KKH um die Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen. Was heißt das genau? Wir gehen Sachverhalten nach, die auf ein Fehlverhalten im Gesundheitswesen hindeuten. Das heißt, wir kümmern uns um alles, was irgendwie ein Fehlverhalten im Sinne des Gesetzes darstellen könnte, versuchen es aufzudecken und zu bekämpfen. Ist Fehlverhalten das Gleiche wie Betrug oder gibt es da einen Unterschied? Betrug ist ein Unterfall des Fehlverhaltens. Das heißt, nicht jedes Fehlverhalten impliziert gleichzeitig einen Betrugstatbestand. Sie haben kürzlich die Top Fehlverhalter des vergangenen Jahres veröffentlicht. An der Spitze stehen die Pflegedienste, an zweiter Stelle die Physiotherapiepraxen. Woran liegt es, dass die Physiotherapeuten so weit nach oben gerutscht sind? Man darf nicht vergessen, dass es sich letzten Endes nur um eine Statistik handelt. Jetzt war es im letzten Jahr zufälligerweise so, dass sehr viele Leistungserbringer aus dem Heilmittelbereich Fehlverhalten begangen haben. Die Schadenssumme war entsprechend hoch. Es genügt aber schon ein Ausreißer, also ein Fall mit einer hohen Schadenssumme, der dann die gesamte Branche in der Statistik nach oben pusht. Oder es kann Sachverhalte geben, die auf viele Leistungserbringer zutreffen und die entsprechend hohe Fallzahlen generieren. Das ist also von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Darum würde ich das jetzt nicht so eng sehen und sagen, dass die Heilmittelerbringer beim Fehlverhalten immer ganz weit vorne sind. Und es ist auch ganz wichtig zu sagen: Es sind immer nur wenige schwarze Schafe, die ein Fehlverhalten oder gar Betrug begehen. Es sind also nur wenige, das ist eine gute Nachricht. Haben Sie eine Top 10 Liste der Fehlverhalten bei den Heilmittelerbringern? Die zwei prominentesten Beispiele, die man immer auf dem Schirm haben muss, sind die sogenannten Luftleistungen oder auch Luftrezepte im Fachjargon. Das sind verordnete Leistungen, die abgerechnet, aber nicht erbracht wurden, oder auch Leistungen, die zusätzlich zu den verordneten und erbrachten Leistungen dazu gedichtet werden. Dann wurde zum Beispiel Krankengymnastik verordnet und auch erbracht, es wird aber auch noch Fango oder Bobath abgerechnet, obwohl die Leistung nicht erbracht worden ist. Ein zweites häufiges Fehlverhalten ist der Einsatz von Personal, das nicht über die erforderliche Qualifikation verfügt. Das liegt dann vor, wenn eine Physiotherapiepraxis nicht über das erforderliche Personal mit Zusatzqualifikation etwa für Manuelle Therapie oder Bobath verfügt, diese Leistungen aber dennoch erbringt. Wie erfahren Sie von solchem Fehlverhalten? In der Regel kommt das durch zum Teil anonyme Hinweise heraus, die wir über unser Hinweisgebersystem unter kkh.de/abrechnungsbetrug erhalten – sei es beispielsweise durch Patienten oder Konkurrenten. Wenn ein Patient bereits Anzeige erstattet hat, kommen auch die Ermittlungsbehörden auf uns zu und weisen darauf hin, dass wir betroffen sein könnten, sprich uns ein Schaden entstanden sein könnte. Ich hätte jetzt erwartet, dass Krankenkassen ganz viele Daten haben und anhand statistischer Auswertungen auf Fehlverhalten aufmerksam werden. Überschätze ich Sie da oder machen Sie das auch? Natürlich haben wir die Möglichkeit, auf Abrechnungsdaten zuzugreifen. Das impliziert aber nicht, dass wir entsprechende Anwendungen haben, die uns solche Auswertungen ermöglichen. Der Datenschutzaspekt ist dabei auch nicht zu vernachlässigen. Einfach so geht das also nicht. Wenn ich von Ihnen eine Rückforderung bekommen habe, verliere ich dann auch gleich meine Zulassung? Nein, die Zulassung verliert man nicht automatisch, wenn man ein Fehlverhalten begangen hat. Es ist eine mögliche Maßnahme, aber wirklich die Ultima Ratio und kommt eher selten vor. Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, die zu viel gezahlten Gelder zurückzuholen. Das sind Gelder der Versicherten, der Solidargemeinschaft. Darüber hinaus ist dann noch eine Vertragsstrafe möglich. Es ist aber nicht unser Ziel, alle Praxen, die ein Fehlverhalten begangen haben, vom Markt zu nehmen. Wie verhalte ich mich denn, wenn ich ein Schreiben von Ihnen oder einer anderen Fehlverhaltensstelle bekomme? In dem Fall ist es nie verkehrt, sich direkt mit der Krankenkasse bzw. der Fehlverhaltensstelle in Verbindung zu setzen. Es wird auch immer ein Ansprechpartner genannt. Insbesondere wenn es Fragen gibt oder man die Berechnung nicht nachvollziehen kann, ist es zweckdienlich, sich mal auszutauschen. Herr Penkov, vielen Dank für das Gespräch.