Schadenersatz bei Infektion mit Covid-19

Die Angst, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, ist bei vielen Patienten, aber auch Therapeuten nach wie vor groß. Es gibt Situationen, in denen der empfohlene Mindestabstand von eineinhalb Metern nicht eingehalten werden kann – nicht nur in Therapiepraxen. Auch beim Einkaufen etwa kann es passieren, dass ein anderer Kunde plötzlich hustet oder ein Bekannter sich meldet und verkündet, SARS-CoV-2-positiv zu sein. Hier stellt sich nun die Frage: In welchen Fällen können Patienten, aber auch Praxisinhaber Schadenersatzansprüche geltend machen? Beispiel 1: Sie gehen einkaufen. Am Eingang steht eine Security, die darauf achtet, dass nicht zu viele Menschen gleichzeitig im Markt sind. Durchsagen erinnern an die Abstandregeln und an den Kassen sind Abstandsmarkierungen auf den Boden geklebt. Bei den Äpfeln steht plötzlich ein anderer Kunde dicht neben Ihnen und hustet. Sie können nicht mehr ausweichen. Acht Tage später verspüren Sie ebenfalls Husten und bekommen Fieber. Da Sie Patientenkontakt und den Verdacht haben, Kontakt zu einem Infizierten gehabt zu haben, lässt Ihr Hausarzt einen Coronatest durchführen: Sie sind positiv. Können Sie nun den Supermarkt auf Schadenersatz verklagen, weil Sie sich dort infiziert haben? Geschäfte unterliegen der Verkehrssicherungspflicht. Das heißt, sie müssen Maßnahmen ergreifen, „die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren“ (Senatsurteile vom 6. März 1990 – VI ZR 246/89, mwN). Für die aktuelle Coronakrise heißt das: Hat der Supermarktbetreiber alle Maßnahmen ergriffen, die momentan empfohlen werden, haftet er nicht grundsätzlich dafür, wenn Sie sich dort anstecken. Anders wäre es, wenn er wüsste, dass einer seiner Mitarbeiter Kontakt zu einer infizierten Person hatte und trotzdem ohne häusliche Isolation von zwei Wochen wieder zur Arbeit gekommen wäre. Hätte dieser Mitarbeiter Sie schließlich angesteckt, könnte der Inhaber haftbar gemacht werden. Beispiel 2: Sie verlassen die Praxis, um die Post zu holen. Gedanken verloren schauen Sie auf die Briefe und bemerken gar nicht, dass der Nachbar neben Ihnen auch am Briefkasten steht. Erst als Sie spüren, dass er direkt neben ihnen hustet, schrecken Sie auf. „Tschuldigung, ich bin krankgeschrieben. Ich habe dieses Coronavirus.“ Erst denken Sie, er scherzt, aber als Sie ein paar Tage später Symptome verspüren, wissen Sie: Das war kein Witz. In diesem Fall ist die Situation relativ klar. Wer weiß, dass er mit SARS-CoV-2 infiziert ist oder Kontakt zu einer infizierten Person hatte und andere ansteckt, kann zur Verantwortung gezogen werden. Als Grundlage dient hier ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus den 1980er Jahren zu wissentlichen HIV-Infektionen (BGH, Urteil vom 04. November 1988 – 1 StR 262/88). Hier waren vor allem drei Punkte relevant: Der Infizierte wusste von seiner HIV-Infektion und trotzdem hatte er es anderen nicht mitgeteilt, mit denen er schließlich ungeschützten Geschlechtsverkehr hatte. Dies ist auch auf den mit Corona infizierten Nachbarn zu übertragen. Er wusste von seiner Erkrankung und hat es Ihnen erst mitgeteilt, nachdem er Sie bereits direkt angehustet hatte. Beispiel 3: Ein Patient meldet sich bei Ihnen. Er hat Covid-19 und sagt, er hätte sich bei Ihnen in der Praxis angesteckt. Er wolle Sie nun auf Schadenersatz verklagen. Ist das möglich? Ob er mit dieser Klage Erfolg hat, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Grundsätzlich sind Sie verpflichtet, die derzeitigen verschärften Hygienestandards und Verhaltensregelungen einzuhalten. Diese finden Sie in den Corona-Verordnungen der Bundesländer und den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) sowie den Berufsgenossenschaften. Demnach dürfen Praxen nur offen bleiben, wenn sie die Empfehlungen des RKI einhalten können. Praxis muss beweisen, dass Hygienestandards eingehalten wurden Hat der Patient recht und er hat sich wirklich bei Ihnen in der Praxis angesteckt, weil Sie nachweislich die Hygienevorschriften und sonstige Schutzmaßnahmen nicht angehalten haben, dann können Sie rechtlich belangt werden. Der Bundesgerichtshof hat im Falle von Krankenhäusern dazu entschieden (BGH, Beschluss vom 16. August 2016 – VI ZR 634/15 –), dass die Träger die sekundäre Darlegungslast dahingehend hätten, dass die Hygienestandards eingehalten würden. Dies lässt sich auch auf Heilmittelpraxen übertragen. Allerdings wird es für die Patienten im Einzelfall schwer sein, zu beweisen, dass Sie die Hygienemaßnahmen nicht umgesetzt haben und sie sich genau deshalb bei Ihnen angesteckt haben. Um sich selbst abzusichern, sollten Sie zum Schutz Ihres Personals und auch der Patienten ganz genau dokumentieren, welche Maßnahmen Sie ergreifen. Dazu gehören zum Beispiel: schriftliche Anweisungen an die Mitarbeiter zur Umsetzung der Maßnahmen, Patientenmanagement (weniger Patienten in der Praxis, um Abstandsregelungen einhalten zu können), Hygiene-/Reinigungspläne sowie auch die Dokumentation, wer wann was womit desinfiziert hat. Wichtig ist auch: Sie müssen ständig die Gefährdungslage überprüfen. Stellen Sie fest, dass Sie die aktuell geltenden Hygienestandards und Verhaltensvorschriften nicht einhalten können, müssen Sie die Praxis im Zweifel schließen, bis Sie wieder in der Lage sind, die Maßnahmen umzusetzen. Sie allein sind übrigens verantwortlich für die Gefährdungsbeurteilung und auch dafür, dass die Maßnahmen alle korrekt umgesetzt werden. Achtung: Nicht auf die Behörden warten Verlassen Sie sich also nicht auf die Gesundheitsämter. Diese sind aktuell gar nicht in der Lage, alle Heilmittelpraxen zu kontrollieren und zu überprüfen, welche Praxis aufgrund von mangelndem Desinfektionsmittel oder fehlenden Schutzmasken geschlossen werden muss. Sie sind in der Verantwortung, den Schutz Ihrer Mitarbeiter und Patienten zu gewährleisten. Sie müssen im Zweifel also abwägen, ob Sie die Hygienemaßnahmen alle wie gefordert umsetzen können. Außerdem interessant: RKI: Auf Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln achten Covid-19 in der Heilmittelpraxis