„Viel Erfolg beim Aufstechen bösartiger Blasen“

Letzte Woche habe ich an dieser Stelle den Wunsch nach einem aktuellen Fragen-Antworten-Katalog Physiotherapie (FAK) geäußert, verbunden mit der Hoffnung, dass damit Absetzungen durch die Krankenkassen weniger werden. Ich muss zugeben, das war naiv! Als ob bessere Absprachen zwischen GKV-Spitzenverband und den Verbänden das Absetzungsproblem lösen würden … „Der Vertrag geht vom Grundsatz vertrauensvoller Zusammenarbeit aus…“ steht in den Versorgungsverträgen von Physio-, Ergotherapeuten, Logopäden und Podologen. Davon ist in der Versorgungsrealität leider überhaupt nichts zu spüren. Letzte Woche haben wir im up-date Newsletter dazu aufgerufen, dass Ihr uns Eure Geschichten zu Absetzungen schickt. Eine Kollegin hat mir also ein Beispiel für Absetzungen zugesendet und wünschte mir „viele Erfolg beim Aufstechen bösartiger Blasen“. Wenn man Eure Erfahrungen liest, versteht man, warum die Kollegin sich so ärgert. Beispiel Zuzahlungsabsetzung: Patientinnen mit Beschwerden in Verbindung mit der Schwangerschaft sind gem. §24e SGB V von der Zuzahlung befreit. Eine Physiotherapeutin erhält eine Verordnung mit der Diagnose „Lumbalsyndrom in Schwangerschaft“ und die Kasse kürzt die Rechnung um die nicht gezahlte Zuzahlung. Die Kasse findet, die Befreiung würde nur gelten, wenn in der Diagnose angegeben sei: „Schwangerschaftsbedingtes Lumbalsyndrom“. Das soll vertrauensvolle Zusammenarbeit sein? Beispiel Mitarbeiterkürzel: Logopädinnen und Logopäden müssen auf der Rückseite der VO ihr Kürzel angeben. Das macht die Kollegin schon immer so, ihr Kürzel lautet JD. Bei der Abrechnung wird die komplette Verordnung abgesetzt, weil das J im Kürzel angeblich wie eine 2 aussieht. Echt jetzt?! Auch das ist das Gegenteil von vertrauensvoller Zusammenarbeit! Beispiel Behandlungsbeginn: Ergotherapeut:innen haben eine Sonderregelung in ihren Verträgen, wonach in bestimmten Fällen der Behandlungsbeginn auch später als 28 Tage nach Ausstellungsdatum liegen kann. Dumm nur, dass es Kassen gibt, die alle Heilmittelverordnungen über einen Kamm scheren und deswegen solche Ergotherapie-Verordnungen wegen vermeintlicher Fristüberschreitung vollständig absetzen. Und sich dann noch zieren, diesen offensichtlichen Fehler anzuerkennen. Diese Beispiele zeigen: Heilmittelpraxen sind im Vertragsverhältnis zu den Krankenkassen deutlich schlechter gestellt. Wenn eine Krankenkasse einen Fehler macht, dann kostet das maximal die Verzugszinsen und die 40 Euro Bearbeitungsgebühr nach §288 BGB – und das auch nur in den Fällen, in denen die Heilmittelpraxis selbst abgerechnet hat. Fehler, die bei Abrechnungen über Abrechnungszentren korrigiert werden müssen, haben KEINE finanziellen Konsequenzen für die Krankenkassen. Für Heilmittelpraxen haben Absetzungen der Kassen unmittelbare Konsequenzen, denn Gehälter müssen weiter gezahlt werden, auch wenn eine Kasse die 36er Ergotherapie-Verordnung mit Hausbesuch wegen des Behandlungsbeginns zunächst oder dauerhaft nicht bezahlt. Wäre es nicht an der Zeit eine Regelung einzuführen, die Krankenkassen verpflichtet, für jede unberechtigte Absetzung eine Strafzahlung in Höhe des doppelten Verordnungswertes einzuführen?! Dann hätten die Kassen zumindest einen halbwegs vergleichbaren Schmerz, wie die Heilmittelerbringerinnen und -erbringer. Ich sammle übrigens weiter Beispiele für ungerechtfertigte Absetzungen, schickt mir gern weitere Eure Erfahrungen. Hör-Tipp: In unserem neuesten up-Podcast „Frische Ideen“ geht es um das Thema Ausbildung, einmal ganz neu gedacht. Wir haben mit Jan Dieckmann, Physiotherapeut, Praxisinhaber und Berufsaktivist, gesprochen. Er hat ein Ausbildungskonzept entwickelt, das eine „generalisierte Ausbildung“ vorsieht: Alle Heilmittelberufe starten zusammen und spezialisieren sich dann immer weiter. Uns hat er erzählt, wie das laufen könnte. Man könnten den Eindruck haben, bei den Krankenkassen regieren die Narren das ganze Jahr und nicht nur in der 5. Jahreszeit. Bekannterweise ist am Aschermittwoch ja alles vorbei – vielleicht ja auch die Absetzungen. In diesem Sinne: Allen Karnevalisten noch weiterhin viel Spaß beim Feiern und beim Kamelle sammeln. Und allen anderen natürlich auch ein schönes Wochenende. Herzliche Grüße Euer Ralf Buchner Außerdem interessant: Viele Fragen und keine Antworten Umsatzboost, rückläufige Behandlungen und die Suche nach Erklärungen auf der TheraPro