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Schritt für Schritt im Ernstfall abgesichert: Handlungs- und Betriebsvollmachten & Praxiseigener Notfallplan oder das Notfall-Handbuch

Für die Absicherung der Praxis
Einige von Euch werden schon Bankvollmachten oder einen Ehevertrag geschlossen haben. Andere wiederum fangen vielleicht ganz von vorne an. Wir zeigen Euch, was hinter den fünf wichtigsten Dokumenten steckt und warum sie Euch im Ernstfall viel Zeit und Nerven ersparen können. Denkt daran: Ihr müsst nicht alles auf einmal regeln. Manchmal hilft es jedoch, sich von einem Anwalt oder Notar direkt umfassend beraten zu lassen.
Schritt für Schritt im Ernstfall abgesichert: Handlungs- und Betriebsvollmachten & Praxiseigener Notfallplan oder das Notfall-Handbuch
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Handlungs- und Betriebsvollmachten

Vor allem werden Vollmachten wichtig, wenn Ihr als Praxisinhaber:in handlungsunfähig seid. Das kann der Fall sein, wenn Ihr einen Unfall hattet, im Krankenhaus liegt, aber auch wenn Ihr weit weg im Urlaub seid und gerade nicht in der Praxis sein könnt. Handlungs- und Betriebsvollmachten kommen also nicht zwangsläufig erst beim Eintritt eines Notfalls und einer tatsächlichen Verhinderung der Chef:innen zum Tragen. „In größeren Unternehmen ist es ganz normal, Handlungs- und Zeichnungsvollmachten sowie Prokuren zu erteilen. In kleineren Praxen sind die Zuständigkeiten und Befugnisse hingegen häufig völlig ungeregelt“, erklärt Laura Albrecht, Syndikusrechtsanwältin und Justiziarin bei buchner. Kommt es im Ernstfall dazu, dass die Chefin oder der Chef längere Zeit nicht erreichbar ist, kann der gesamte Praxisbetrieb zum Erliegen kommen. Damit die alleinige Vertretungsmacht nicht auf einer einzigen Person lastet, sondern auch eine weitere Vertrauensperson, wie beispielsweise die fachliche Leitung, Verträge unterzeichnen kann, bedarf es einer entsprechenden Vollmachterteilung.

„Da es jedoch eine Vielzahl an unterschiedlichen Vollmachten gibt, ist es sinnvoll, sich diesbezüglich im Vorfeld durch Rechtsanwält:innen beraten zu lassen“, sagt Laura. „Einfache Handlungs- und Zeichnungsvollmachten lassen sich beispielsweise schriftlich zwischen Euch und Mitarbeitenden vereinbaren. In der Vereinbarung werden die Reichweite, beziehungsweise die Art der Geschäfte festgehalten, für die die Vollmacht erteilt werden soll sowie auch etwaige Grenzen, die nicht mehr umfasst sein sollen, schriftlich fixiert.“ Bankvollmachten lassen sich in der Regel mit wenig Aufwand über die Firmenkundenberater bei der Hausbank der Praxis ausstellen.

Prokura: unbeschränkte Vollmacht

Macht Euch im Vorfeld also Gedanken, welche Vollmachten Ihr für die Praxis benötigt und wer diese erhalten soll – die Praxismanagerin oder doch der Ehemann? „Die Erteilung einer Prokura, die grundsätzlich stets unbeschränkt gilt, also jedwede gerichtliche und außergerichtliche Vertretung des Praxisbetriebes nach außen hin umfasst, bedarf einer notariellen Beurkundung sowie einer Eintragung in das Handelsregister“, erklärt Laura. „Sie ist eine Vertretungsvollmacht und bevollmächtigt also eine Person, stellvertretend für die Praxis zu handeln.“ Denkt daran, dass die Person, die eine Prokura erhält, alle Rechtsgeschäfte ausführen kann. Gebt diese daher nur an Mitarbeitende oder Familienmitglieder, denen Ihr vertraut und die die Geschäfte auch führen können.

Während die Prokura alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen umfasst, die der Betrieb der Praxis mit sich bringt, darf ein Handlungsbevollmächtigter nur Geschäfte erledigen, die für das konkrete Gewerbe branchentypisch sind. Im Gegensatz zur Prokura, die nur durch den Geschäftsinhaber oder dessen gesetzlichen Vertreter erteilt werden darf, kann jeder Prokurist und sogar ein anderer Handlungsbevollmächtigter mit entsprechender Vollmacht eine Handlungsvollmacht erteilen. Das Gesetz schreibt vor, dass der Handlungsbevollmächtigte bei Unterschrift sein Vollmachtsverhältnis mit einem Zusatz zum Ausdruck bringen muss, welches jedoch nicht mit dem Zusatz eines Prokuristen zu verwechseln sein darf. Zulässig und üblich ist die Zeichnung mit dem Zusatz „für“, „per“ oder „i. V.“. Prokuristen zeichnen stets mit dem Zusatz “ppa.”. Ein entsprechender Firmenstempel kann verwendet werden.

Praxistipp:

Unterzeichnet jemand anderes als die/der Geschäftsführer:in die Kündigung von Mitarbeiter:innen, muss die Rechtmäßigkeit beziehungsweise die Art der Vollmacht für die Arbeitnehmer:innen ersichtlich sein. „Bei einer Unterzeichnung durch einen Prokuristen mit dem Zeichen “ppa.” ist dies stets der Fall, da sich die Prokura aus dem Handelsregister ergibt und diese mithin “offenkundig” ist“, erklärt Laura. „Unterzeichnet jedoch ein Handlungs-/Zeichnungsbevollmächtigter, muss dieser eine Kopie seiner Vollmacht anfügen, damit sich der Arbeitnehmer oder ein Dritter von der Rechtmäßigkeit der Unterzeichnung überzeugen kann. In der Praxis wird dieser Umstand häufig übersehen, weshalb er für Arbeitsrechtler einen beliebten Angriffspunkt bei der Interessenvertretung für die Mandanten bietet. Fehlt eine solche Kopie, ist die Kündigung schlichtweg unwirksam.“

Kurz und knapp: Unterschiede zwischen Handlungsvollmacht und Prokura

HandlungsvollmachtProkura
Erteilung durchInhaber:in des Unternehmens oder auch Prokurist oder bevollmächtigte PersonInhaber:in des Unternehmens
BeurkundungNicht nötig, mündliche oder schriftliche Vereinbarung reicht ausMuss notariell beurkundet werden
UmfangWird vom Vollmachtgeber bestimmt, nur branchenübliche bzw. gewöhnliche Geschäfte, meist auf bestimmte Berei- che bezogen. Umfang kann in Vollmacht ausdrücklich beschränkt werden.Gesetzlich bestimmt, grundsätzlich alle Geschäfte. Gilt immer unbeschränkt
UnterzeichnungGewöhnliche Vertretung, wie „i. V.“, „für“ oder „per“Mit Firma, Familiennamen und dem Zusatz „ppa.“ oder „pp“

Praxiseigener Notfallplan oder das Notfall-Handbuch

Wie der Name bereits erkennen lässt, handelt es sich bei dem Notfall-Handbuch nicht um ein einzelnes Dokument, sondern vielmehr um eine ganze Sammlung an Abläufen, Vollmachten und Dokumentationen für den Notfall. Das Notfall-Handbuch ist gewissermaßen der Fahrplan durch unruhige Gewässer und fasst alle relevanten Informationen an einem Ort zusammen.

„Wer sich und seine Praxis gegen einen plötzlichen Ausfall absichern möchte, muss handeln, bevor man nicht mehr handeln kann. Mithilfe des Notfall-Handbuchs werden sämtliche Verantwortlichkeiten und Befugnisse geregelt“, sagt die Syndikusrechtsanwäl- tin. „Eine Notfall-Vertretung findet hier alle relevanten Informationen und Dokumente, um den Praxisbetrieb aufrechtzuerhalten und gibt Antworten auf Fragen wie: Was ist festzulegen? Wer macht was? Welche Unterlagen werden benötigt? Welche Informationen benötigt eine Vertretung?“

Notfall-Handbücher sichern vor allem die akuten Risiken ab, die sich aus einem unvorhergesehenen Ausfall der Inhaber:innen ergeben.

Hinweis

Im Themenschwerpunkt 1.2024 „Für den Notfall vorbereitet – wenn die Praxisinhaberin plötzlich ausfällt“ könnt Ihr Schritt für Schritt nachlesen, wie Ihr ein Notfall-Handbuch erstellen könnt.

Außerdem könnt Ihr Euch ein Exemplar zum Ausfüllen im buchner-Shop bestellen.

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