Ein Blick in die Zukunft

Ab 2026 müssen alle Heilmittelpraxen verpflichtend an der Telematikinfrastruktur teilnehmen. Für viele Praxisinhaber und Therapeuten ist es noch gar nicht greifbar, wie ein typischer Arbeitstag dann wohl aussieht. Lassen Sie uns gemeinsam in die Zukunft blicken und schauen, welche Anwendungen in vier Jahren für Sie und Ihre Mitarbeiter völlig normal sein könnten – und welche Erleichterungen das für Ihren Arbeitsalltag mit sich bringt. Wir werfen einen Blick in ein Therapiezentrum. Hier arbeiten Ergotherapeuten, Logopäden sowie Physiotherapeuten. Natürlich wurde die Telematikinfrastruktur (TI) rechtzeitig umgesetzt und alle Therapeuten in die Neuerungen eingearbeitet. So sieht der Praxisalltag nun aus:Physiotherapeutin Sandra ist heute als erste Therapeutin im Therapiezentrum. Sie hat einen frühen Termin zur Videotherapie, den ihr Patient aus dem Büro wahrnimmt, bevor er mit seiner Arbeit beginnt. Rezeptionsfachkraft Marion war noch vor Sandra da und hat schon einmal den Praxiscomputer sowie das gesamte TI-System hochgefahren. Dazu meldet sie die Praxis über das Kartenterminal mit dem Praxisausweis, also der SMC-B-Karte, im System an. Sandra muss sich schließlich nur noch ein Tablet aus der Ladestation nehmen, mit dem sie den Tag über arbeiten wird. Mit ihrer elektronischen Identität (eID) meldet sie sich auf dem Tablet an. Die eID gibt es erst seit einem Jahr. Zuvor mussten die Therapeuten sich mit ihrem elektronischen Heilberufsausweis authentifizieren. Das geht auch weiterhin, aber für die Arbeit mit den Tablets ist die eID schon eine echte Erleichterung. Per TI-Messenger Verordnungen anpassen lassen Nach und nach trudeln die Kollegen sowie der Praxischef ein. Physiotherapeut Lasse setzt sich erst einmal mit einem Kaffee in den Besprechungsraum und beantwortet die Nachricht eines Orthopäden im Messenger. Dieser hatte den Arztbericht von Lasse zu einem Patienten mit Haltungsproblemen gelesen. Der Therapeut hatte zudem vorgeschlagen, dem Patienten mit der nächsten VO eine Kombination aus KG und MT zu verordnen. Der Orthopäde hat noch eine kurze Nachfrage, die Lasse ihm schnell beantwortet. So sieht Zusammenarbeit auf Augenhöhe aus, ohne viel Aufwand für beide Seiten. eHMV und ePA bequem auf dem Tablet einsehen Nach ihrem Videotermin steht für Sandra schon der nächste Patient am Empfangstresen. Louis ist 23 Jahre alt und hat sich beim Fußballspielen das Kreuzband gerissen. Er hatte online einen Termin in der Praxis vereinbart. Neben einer elektronischen Gesundheitskarte, die wir heute schon kennen, hat er nur noch sein Smartphone dabei. Von seinem Orthopäden hat er einen Code erhalten, den er in der TI-App seiner Krankenkasse öffnet. Rezeptionsfachkraft Marion scannt den Code ein und hat so Zugriff auf die elektronische Heilmittelverordnung (eHMV). Die Daten gibt sie für Sandra als behandelnde Therapeutin frei. Sandra kann sie also direkt auf ihrem Tablet abrufen. Im Behandlungsraum angekommen, wirft Sandra einen Blick in die Verordnung. Zudem fragt sie Louis, ob es für ihn in Ordnung sei, dass sie auf seine elektronische Patientenakte zugreift, um sich noch ein paar Details zu seiner Verletzung anzuschauen. Louis willigt ein und gibt per PIN seine Zustimmung zur Einsicht. Sandra überfliegt die Arztberichte zum Kreuzbandriss. Im Krankenhaus, am Tag des Unfalls, wurde ihm direkt zu einer Operation geraten. Er wollte sich jedoch gerne noch eine zweite Meinung eines Sportmediziners einholen. Dieser riet ihm, es zunächst ohne OP, dafür jedoch mit einer intensiven Physiotherapie zu versuchen. Außerdem kann Sandra in den gespeicherten Notfalldaten sehen, dass Louis Asthmatiker ist - eine wichtige Information, gerade, wenn die Übungen anstrengender werden. Hier könnten auch Informationen zu Allergien und Unverträglichkeiten gespeichert sein. Ein Blick lohnt sich also immer. So weiß Sandra auch, wann sie im Frühling lieber das Fenster geschlossen lässt, um bei ihren Patienten keinen Heuschnupfen zu provozieren. Um den körperlichen Zustand des jungen Fußballers zu prüfen, lässt Sandra ihn schließlich einige Übungen ausführen. Nebenbei macht sie sich Notizen auf ihrem Tablet, um die Dokumentation der Behandlung vorständig zu halten. DiGA und Telemonitoring als begleitende Therapie Damit Louis auch von zuhause aus Übungen unter Anleitung machen kann, schickt sie über den Messenger eine Kurznachricht an den behandelnden Orthopäden und fragt, ob dieser ihm die entsprechende Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) verordnen kann. DiGAs sind geprüfte Apps, die zum Beispiel Übungen und Trainingspläne bereitstellen, die eine Therapie sinnvoll begleiten können. Damit die GKV die Kosten übernimmt, müssen sie von einem Arzt verordnet werden. Per Telemonitoring überwacht Sandra wie Louis seine Übungen mit der App ausführt. Da bei dieser DiGA begleitende Leistungen durch Heilmittelerbringer erforderlich sind, werden Sandras Telemonitoring und die dafür nötigen Termine in der Praxis natürlich ebenfalls von der GKV vergütet. Für Sandra ist dieses Vorgehen noch recht neu. Denn wie immer kam es bei den Verhandlungen zu Verzögerungen, sodass die Arbeit mit den DiGAs nicht schon 2023 gestartet ist, sondern erst Mitte 2025. Am Ende der Therapie quittiert Louis schließlich nicht mehr mit einem Kugelschreiber auf der Papierverordnung, sondern unterschreibt mit dem Finger direkt auf der eHMV. Videotherapie und interdisziplinäre Zusammenarbeit aus einem Guss Während Sandra mit Louis den weiteren Behandlungsplan bespricht, sitzt Logopäde Markus im Videotherapie-Raum. Patientin Anna ist fünf Jahre alt. Seit einem Jahr ist sie bei Markus mit einer Sprachentwicklungsverzögerung in Behandlung. Anna machte gute Fortschritte, aber einige Buchstaben bzw. Kombinationen wollten ihr irgendwie nicht gelingen. Markus nahm über den TI-Messenger Kontakt zur Kinderärztin von Anna auf und bat sie, das Mädchen noch einmal durchzuchecken. Er äußerte den Verdacht, dass vielleicht ein zu kurzes Zungenbändchen der Grund für den Therapiestillstand sein könnte. Er behielt recht. Anna ging zu einem Zahnarzt, der darauf spezialisiert war, das Zungenbändchen zu durchtrennen und ließ den kleinen Eingriff durchführen. Der Zahnarzt nahm anschließend Kontakt zu Markus auf, um mit ihm das weitere Vorgehen zu besprechen, aber auch, weil er daran interessiert ist, welche Fortschritte seine kleinen Patienten nach den Eingriffen machen. Annas Aussprache verbesserte sich enorm. Heute hat sie per Videotherapie Logopädie – und bevor es in die Kita geht, quittiert Annas Vater die elektronische VO noch schnell auf dem heimischen Tablet mit einer digitalen Unterschrift. Vertreter verwalten Patientendaten Lisa ist Ergotherapeutin in dem Therapiezentrum. Ihr nächster Patient kommt immer mit seiner Tochter. Harald ist 75 Jahre alt und lag nach einem Herzinfarkt für sechs Wochen im Koma. Zusätzlich leidet er an Diabetes Typ 2 sowie weiteren körperlichen Problemen. Aufgrund des langen Komas hat er zudem neurologische Auffälligkeiten – wie Konzentrationsschwäche, Wortfindungsstörungen und auch Probleme mit den Händen. Da Harald selbst nicht in der Lage ist, die eHMV sowie die notwendigen Apps zu bedienen, hat er seine Tochter als Vertreterin eingesetzt. Sie kann für ihn so Änderungen in der elektronischen Patientenakte zustimmen sowie wichtige Dokumente für ihn in die ePA laden. Die Tochter berichtet, dass ihr Vater in den letzten Tagen immer so zittert. Die Übungen, die Lisa ihm gezeigt hat, könne er kaum ausführen. Bevor die Ergotherapeutin nun beginnt, das Zittern zu behandeln, wirft sie einen Blick in den elektronischen Medikationsplan (eMP). Sie sieht, dass er seit einiger Zeit ein neues Insulin bekommt. Nach der Therapie mit Harald schaut sie nach, wer ihm das Medikament verschrieben hat, sucht in über das KIM-Adressbuch nach dem behandelnden Diabetologen und bittet ihn per E-Mail um ein Gespräch. In der Mittagspause meldet sich der Arzt schließlich. Sie erläutert ihm per Videoanruf ihre Eindrücke und fragt ihn, ob das Zittern von dem neuen Medikament kommen kann. Er verspricht, sich Harald noch einmal anzusehen. Telemonitoring zwischen den Präsenzbehandlungen Logopäde Markus sitzt derweil im Besprechungsraum und wertet ein Telemonitoring von Marianne (56) aus. Bei Marianne wurde vor drei Monaten eine Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert. Sie leidet u. a. unter Sprechstörungen. Von Markus hat sie verschiedene Übungen zur genauen Aussprache und für die Sprechmuskulatur mit nach Hause bekommen, die sie täglich absolvieren und mit einer speziellen Video-App aufzeichnen soll. Die Aufzeichnungen sendet sie an Markus. Gestern hat sie ihr Training verpasst. Per Sprachnachricht erinnert Markus sie daran, die Übungen weiter durchzuführen und gibt ihr zudem noch Hinweise mit auf den Weg. Auch kleine Korrekturen der Übungen sind so problemlos zwischendurch möglich. Da es sich bei ALS um eine seltene Erkrankung handelt, hat Markus zudem über KIM nach einem Kollegen gesucht, der sich mit diesem Krankheitsbild gut auskennt. Einmal im Monat bespricht er nun mit Logopädin Carola im Rahmen eines Telekonsils die Entwicklung von Mariannes Therapie. In der kommenden Woche hat Marianne wieder einen Präsenztermin in der Praxis, um neue Aufgaben in die Therapie zu integrieren. Sie selbst lädt zudem regelmäßig den Trainingsplan samt eigener Einschätzung zu den Ergebnissen in ihre elektronische Patientenakte. Markus schreibt noch schnell einen Therapiebericht an den Neurologen von Marianne, den er mit wenigen Klicks per Mail über KIM versenden kann – in Echtzeit und ohne Papier und Post. Und: Da sich Therapeuten, aber auch Ärzte immer mit ihrer persönlichen eID im jeweiligen System anmelden müssen, ist damit eine Authentifizierung und somit Datensicherheit gewährleistet. Das gehört noch zur TI-Sonderausgabe: Was ist die Telematikinfrastruktur? Die wichtigsten Begriffe Von Notfalldatenmanagement bis elektronische Patientenakte Finanzierung der TI Interview mit Dr. Florian Hartge, CPO der gematik Interview mit Johannes Haunhorst und Dr. Christian Uebach, eGBR: Einlasskontrolle zur TI TI-Fahrplan bis 2026 Ein Blick in die Zukunft Auf einen Blick – Diese Vorteile bietet die TI für die Praxis