Neue Verhandlungsstrukturen: Lieber eigene Vorschläge entwickeln

Der GKV-Spitzenverband wirft mit seiner Stellungnahme zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz die Frage auf, wer in Zukunft die Heilmittelbranche vertreten soll. Diese Frage ist ein Thema, das allen Heilmittelverbänden schon länger auf die Füße zu fallen droht. Denn die Heilmittelbranche ist sich in vielem uneinig, die Verhandlungsergebnisse mit der GKV sind mäßig und die Frage, wer hier eigentlich für wen verhandeln darf ist nach wie vor ungeklärt. Die GKV möchte entweder, dass „die maßgeblichen Spitzenorganisationen der Leistungserbringer des jeweiligen Heilmittelbereichs eine Arbeitsgemeinschaft zu bilden haben, die ein einheitliches und gemeinsames Auftreten in den Verhandlungen zu gewährleisten hat“, oder es wird noch einfacher: „Alternativ könnte auch der mitgliederstärkste Verband eines Heilmittelbereichs gesetzlich normiert die Funktion der Verhandlungsführerschaft und Vertragsabschlusskompetenz übernehmen.“ Eins ist klar: Wenn die Heilmittelbranche nicht bald selbst ein Konzept entwickelt, wie Praxen bei Verhandlungen gut vertreten werden, dann nutzt die Gesundheitspolitik die Vorschläge der GKV zu neuorganisation. Und Heilmittelerbringer:innen wären ein weiteres Mal fremdbestimmt. Eine erneute Fremdbestimmung wäre fatal, denn nicht nur Vertragsverhandlungen mit der GKV müssen gemeinsam umgesetzt werden, sondern auch zentrale Fragen der Zukunft. Insbesondere die Übernahme der Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit bei der Blankoverordnung oder die Qualitätssicherung beim Direktzugang erfordern eine starke, einheitliche und vor allem selbst verantwortete Vertretung der Heilmittelerbringer:innen. Die Aufgaben der Zukunft können nicht mehr nur durch Verträge zwischen GKV und den Praxen geregelt werden, sondern erfordern verbindliche und demokratisch legitimierte Strukturen, wie man das von anderen freien Berufen kennt. Wer mit dem Finger auf andere zeigt, raubt seinen Mitgliedern die Chance auf Gestaltung Online, im Netz, auf Social Media wird gerade im großen Stil auf den GKV-Spitzenverband geschimpft für den Vorschlag, z. B. den mitgliederstärksten Verband für alle anderen Verbände sprechen und verhandeln zu lassen. Das Meckern und Schimpfen ist für einige Verbände die perfekte Möglichkeit, von der eigenen Verantwortung für die mauen Verhandlungsergebnisse abzulenken. Doch wer als Verband immer wieder die Geschichte der Heilmittelerbringer:innen erzählt, die vom „bösen“ GKV-Spitzenverband fremdbestimmt werden, muss sich nicht wundern, wenn die Mitglieder das irgendwann glauben und nicht mehr bereit sind, sich zu engagieren. Wer Aufbruchsstimmung erzeugen will, muss schon erzählen, wofür er eintritt, in diesem Fall, wie eine gemeinsame Verhandlungsführung gegenüber der GKV umgesetzt werden kann. Zukunft gestaltet, wer etwas macht, nicht der, wer etwas verhindert! Probleme mit der Vertretung der Heilmittelpraxen gegenüber der GKV Die Uneinigkeit in der Heilmittelbranche findet man auf allen Ebenen: Zwischen den verschiedenen Fachrichtungen (z. B. Ergo, Logo, Physio) gibt es sehr unterschiedlich Verhandlungsstrategien gegenüber der GKV, das führt z. B. zu sehr unterschiedlichen Leistungsbeschreibungen (Vorund Nachbereitungszeiten), unterschiedlichen Formen von Arztberichten und sehr unterschiedlichen Fristenund Korrekturregeln im Hinblick auf das gleiche Muster 13. Das ist für interdisziplinäre Praxen nicht wirtschaftlich umzusetzen und die verschiedenen Fachrichtungen verzetteln sich gegenüber der GKV statt einheitliche starke Verhandlungspositionen durchzusetzen. In jeder einzelnen Fachrichtung gibt es mehrere, unterschiedlich agierende Heilmittelverbände, die gefühlt im Wettbewerb zueinanderstehen stehen. Das erschwert den Konsens auf gemeinsame Verhandlungspositionen. So werden Verhandlungen auch immer wieder zu einer Bühne, auf dem ein einzelner Verband den anderen beweisen will, wer die besseren Ideen und Positionen hat. Das lässt der GKV auch Raum, die verschiedenen Verbände gegeneinander auszuspielen. Innerhalb einzelner Verbände müssen die internen Interessenskonflikte gelöst werden, die dadurch entstehen, dass es in den Verbänden sowohl Praxisinhaber:innen als auch angestellte Therapeut:innen gibt. Oft sind z. B. Praxisbetreiber:innen in der Minderheit und angestellte Kolleginnen und Kollegen in der Mehrheit, wer bestimmt dann darüber ob und in welchem Umfang in den Versorgungsverträgen die Bezahlung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Honorarentwicklung der GKV gekoppelt werden soll? Die Verhandlungsführung wird systematisch geschwächt: Fehlende Abstimmung: Eine Abstimmung im Vorweg scheint ein Problem zu sein. Das hat sogar die GKV gemerkt. Damit sind dringend notwendige strukturelle Probleme (z. B. zielführende und fachübergreifende Leistungsbeschreibungen) praktisch nicht lösbar. Unterfinanziert: Die Verhandlungen auf Seiten der Heilmittelverbände sind chronisch unterfinanziert. Wenn nicht einmal ein Drittel aller Therapeut:innen in Verbänden organisiert sind, dann fehlen deren Beiträge sehr deutlich. Unklare Zielsetzung: Und selbst bei Mitgliedern in einem Verband könnten die angestellten Mitglieder sich fragen, warum ihre Mitgliedsbeiträge eigentlich dazu genutzt werden, Vertragsverhandlung für Praxisinhaber:innen zu organisieren. Unklare Mitgliederstruktur: Wenn ein Verband mehrheitlich angestellte Mitarbeiter:innen vertritt, dann werden andere Verhandlungsziele angepeilt, oft ohne, dass das für die anderen Verhandlungspartner erkennbar ist. Unklare Verbandsgrößen: Praxisinhaberinnen und -inhaber, angestellte Therapeut:innen, Fachschüler:innen und Studierende können eine Mitgliedschaft in einem oder sogar mehreren Verbänden haben. Wie viele (zahlende) Mitglieder ein Verband vertritt ist damit sowohl unklar, als auch nicht zu überprüfen. Doppelarbeiten: Wenn 17 Verbände parallel Verhandlungsteams bestücken müssen, werden unglaublich viele Dubletten überlegt, Ressourcen unnötig vergeudet. Die Legitimation der Verhandlerinnen und Verhandler ist unzureichend: Heilmittelverbände sind privatrechtlich organisierte Vereine, die intern im Rahmen des sehr lockeren Vereinsrechts machen können, was immer sie wollen, und inhaltlich nicht durch die Gesundheitspolitik kontrolliert werden können. Es bleibt vollkommen unklar und ist wenig transparent, welche Verhandler:innen die Verbände vertreten – und wie es um die demokratische Legitimation dieser Personen bestellt ist. Verbandsmitglieder können schlechte bzw. nicht erfolgreiche Verhandlerinnen und Verhandler nicht abwählen oder entlassen. Wie kommen die Verhandlungspositionen in den Verbänden zustande? Ein Abstimmungsprozess über das Pro und Contra bestimmter Positionen findet in der Regel nicht statt. Die Frage ist noch nicht geklärt, wann ein Verband „maßgeblich“ im Sinne der Regelung des § 125 SGB V (darüber wird gerade vor Gericht gestritten) ist und über die Versorgungsverträge mit der GKV verhandeln darf. Viele Praxisinhaber:innen sind in zwei, manchmal auch in drei Verbänden Mitglied. Wie will man bei der Klärung der Maßgeblichkeit mit solchen Dubletten umgehen? Wird eine Praxisinhaber:in dann doppelt gezählt und kann in allen Verbänden gleichzeitig mit abstimmen? Bei der Festlegung der Maßgeblichkeit eines Verbandes werden aktuell alle Mitglieder berücksichtig, auch die angestellten Therapeut:innen, die in manchen Verbänden die Mehrheit stellen. Welche Positionen nehmen solche Verbände ein, die möglicherweise entgegen den Interessen der Praxisinhaberinnen und -inhaber stehen? Und ist das sinnvoll im Hinblick auf den Betrieb einer Praxis? 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