„Durch die Therapieerfolge sind meine Therapeuten viel motivierter.“

Die Therapeutin und Praxisinhaberin Kerstin Klink setzt auf ein ungewöhnliches Konzept: In ihren Praxen gibt es nur noch Doppelbehandlungen – und zwar durch ärztliche Verordnungen, nicht auf Patientenkosten. Was es mit dieser Idee auf sich hat, welchen Widerständen sie sich stellen musste und wie dieser Weg sogar dem Fachkräftemangel entgegenwirkt, erzählt sie uns im Interview. Kerstin, in Deinen Praxen gibt es fast nur noch Doppelbehandlungen. Wie kam es dazu? Seit vielen Jahren behandeln wir schwerpunktmäßig faszial ausgelöste Beschwerden. Dazu verwenden wir in unseren Praxen hauptsächlich das selbst entwickelte Faszien-Konzept KLINEA®. Hier ist eine Behandlung auf 50 Minuten ausgelegt. Dabei haben wir festgestellt, dass wir durch die längere Behandlungszeit viel besser nach der Ursache für die Beschwerden der Patientinnen und Patienten suchen und diese gezielt und ohne Zeitdruck angehen können. Das haben wir dann in den anderen Behandlungen auch mal getestet: Wie viel Zeit brauchen wir wirklich, bis die Patientin oder der Patient ankommt, sich ausgezogen hat, wir die Anamnese und den Befund besprochen haben und mit einer anständigen Behandlung beginnen? Und dann habt Ihr Euch im Team zusammengesetzt und gemeinsam ausgewertet? Genau. Wir waren uns dann sehr schnell einig: Im 20-Minuten-Takt Erfolge zu erzielen, ist uns einfach nicht möglich. Die Entscheidung, daran etwas zu ändern, ist wirklich aus reinem Frust heraus entstanden. Den Patientinnen und Patienten geht es nach 20 Minuten nicht nachhaltig besser und wir sind ebenfalls gestresst und gefrustet. Außerdem haben wir gemerkt, dass uns deshalb die Therapeutinnen und Therapeuten wegliefen. Ihnen fehlte das Gefühl, mit ihrer Arbeit etwas zu erreichen. Einfach eine unbefriedigende Situation für alle. Hinzu kommt, dass wir in unseren Praxen sehr viel Wert auf Qualitätssicherung und genaue Dokumentation legen. Innerhalb dieser 20 Minuten auch noch ordentlich zu dokumentieren, war für uns unmöglich. Wie ging es danach weiter? Ich habe dann gesagt: „Kommt, wir sind jetzt einfach mal richtig richtig mutig, wir behandeln nur noch 40 Minuten!“ Das Ganze sollte aber nicht auf Kosten der Patientinnen und Patienten passieren, sondern wir wollten von den Arztpraxen nur noch Doppelbehandlungen verordnet bekommen. Kommuniziert habe ich das an unsere Ärzteschaft mit einem Brief und einem YouTube-Video, weil ich persönlich erklären wollte, warum wir das machen. Das Video ging dann an etwa 30 Ärztinnen und Ärzte. Doch es wurde kaum angesehen und in persönlichen Gesprächen bin ich direkt auf große Widerstände gestoßen, ohne stichhaltige Argumente zu bekommen. Ich denke, die Arztpraxen hatten Angst vor Regressen. Da wir aber die Doppeltermine in der Regel im Abstand von zwei Wochen durchführen, gibt es gar keinen Mehrbedarf an Verordnungen. Trotz dieser Therapiefrequenz sind die langfristigen Behandlungserfolge überzeugend. Dennoch gibt es bei Dir nur noch Doppelbehandlungen. Wie hast Du das geschafft? Ich habe mich vorher gut informiert und wusste genau, was erlaubt ist. Zudem gab es schon immer Ärztinnen und Ärzte, die ausschließlich Doppeltermine verordnet haben, da auch sie im 20-Minuten-Takt keinerlei Benefit sahen. Die Diskussionen mit den hiesigen Arztpraxen waren leider zum Teil unsachlich. Aber nicht nur wir als Praxis sind beharrlich geblieben, auch unsere Patientinnen und Patienten. Die haben sich nicht von den Argumenten ihrer Ärztinnen und Ärzte abschrecken lassen und sind sogar so weit gegangen, lieber die Arztpraxis zu wechseln, als von uns wegzugehen. Mit Erfolg: Nach reichlich Widerständen verordnen jetzt so gut wie alle Arztpraxen bei unseren Patientinnen und Patienten Doppelbehandlungen. Was hat sich seitdem an Euren Behandlungen geändert? Wir haben innerhalb einer Verordnung einfach viel mehr Zeit für nachhaltige Therapie. Die Patientinnen und Patienten ziehen sich nicht mehr sechsmal aus und wieder an, sondern dreimal. Wir dokumentieren auch nicht mehr sechsmal, sondern dreimal. Wir haben einfach insgesamt viel mehr Zeit, auf Ursachenforschung zu gehen, auch mal wieder kreativ zu werden und wirklich mal eine Behandlung zu Ende zu machen. Und zwar so, wie wir uns das vorstellen. Außerdem können wir Re-Befunde und genaue Alltagsanalysen machen, um Schmerzen auch langfristig vorzubeugen. Dann reicht es auch, wenn die Behandlung nur einmal pro Woche oder auch nur alle zwei Wochen stattfindet. Die Patientinnen und Patienten finden es auch viel besser, nicht immer nur für 20 Minuten die Anfahrt auf sich nehmen zu müssen. Auch das lohnt sich für 40 Minuten viel mehr. Ich gehe sogar so weit, zu sagen, dass unser Konzept auch die Umwelt schützt, weil unsere Patientinnen und Patienten weniger oft zu uns fahren müssen. Spürst Du auch eine Veränderung innerhalb Deines Teams? Wir hatten früher fünf Behandlungen in zwei Stunden. Da blieb kaum Zeit, auf die Toilette zu gehen oder etwas zu trinken, ohne im Verzug zu sein. Der Druck ist jetzt viel geringer. Wir haben pro Tag nur noch die Hälfte an Patientinnen und Patienten und können viel entspannter sein. Der Kopf muss nicht mehr so oft umschalten. Denn was oft vergessen wird: Wir haben nicht nur ein neues Krankheitsbild vor uns, sondern auch immer einen neuen Menschen. Durch die Therapieerfolge sind meine Therapeutinnen und Therapeuten zudem viel motivierter. Wir Therapierende leben nun einmal unter anderem von dem Gefühl, etwas in der Lebensqualität der Patientinnen und Patienten bewirkt zu haben. Für uns ist es seit der Umstellung sogar leichter, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Gab es auch Zweifel? Wenige. Wir haben vorher aber auch alles genau besprochen. Was machen wir in 40 Minuten? Plötzlich kamen uns wieder Ideen zu Übungen, die in 20 Minuten gar nicht möglich waren. Und dann gab es eine Testphase, in der wir beide Konzepte genau verglichen haben. Bei älteren Patientinnen und Patienten hatten wir anfangs etwas Bedenken. Da haben wir erst einmal probeweise Doppelbehandlungen gemacht. Das lief wunderbar, weil für alle Dinge einfach viel mehr Ruhe und Zeit war und keine Eile mehr. Was wünschst Du Dir für die Zukunft? Mein erster Wunsch ist, dass uns Krankenkassen mehr Freiraum in der Gestaltung unserer Therapie geben – wir sind schließlich die Expertinnen und Experten. Außerdem wünsche ich mir, dass meine Kolleginnen und Kollegen mutiger sind. Sich trauen, für ihre Interessen einzustehen und dafür zu kämpfen. Zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten, aber besonders auch zu unserem eigenen Wohl. Das betone ich deshalb so genau, weil wir uns immer hintanstellen und oft denken, dass das so sein müsse. Wir stellen unser Können zu oft unter den Scheffel, obwohl wir so tolle Arbeit leisten. Doppelbehandlungen – das Wichtigste zusammengefasst Ihr seid noch unsicher, unter welchen Voraussetzungen Doppelbehandlungen verordnet und durchgeführt werden dürfen? Hier findet Ihr die wichtigsten Infos zum Thema zusammengefasst: Doppelbehandlungen sind für alle vorrangigen Heilmittel der Physiotherapie und Ergotherapie sowie für alle Heilmittel der Logopädie möglich. Wenn Arztpraxen auf der Verordnung die ergänzende Angabe „als Doppelbehandlung" zum vorrangigen Heilmittel angeben, dürft Ihr jeweils zwei der verordneten Behandlungseinheiten im zeitlichen Zusammenhang während eines Termins durchführen: Beispielsweise könnt Ihr sechs verordnete Behandlungseinheiten dann in drei Terminen mit je doppelter Behandlungszeit therapieren. Wichtig: Ärztinnen und Ärzte dürfen bei einer Doppelbehandlung nicht doppelt so viele Einheiten verordnen. Die Höchstmenge je Verordnung muss immer eingehalten werden. Wenn zusätzlich ein ergänzendes Heilmittel verordnet wird, dürft Ihr dieses nur einmal pro Doppelbehandlung durchführen. Bei drei Doppelbehandlungsterminen heißt das: sechsmal das vorrangige und dreimal das ergänzende Heilmittel. Ihr könnt Doppelbehandlungen auch als Parallel- oder Gruppentherapie durchführen. In Rücksprache mit der Arztpraxis dürft Ihr von der verordneten Doppelbehandlung abweichen. Dies kann nötig sein, wenn Eure Patientin oder Euer Patient aus therapeutischer Sicht nicht in der Lage ist, zwei Behandlungseinheiten hintereinander zu absolvieren. Die Änderung erfolgt auf der Vorderseite der Verordnung, indem Ihr die Angabe „zur Doppelbehandlung“ im Heilmittel- Feld durchstreicht und die Änderung mit Datum der ärztlichen Rücksprache, Eurer Unterschrift und bei Physios mit dem Kürzel „LE“ bestätigt. Noch mehr Infos zum Thema findet Ihr dazu auch in unserer Wissensdatenbank praxisfragen.de: www.up-aktuell.de/db