Funktionelle Schuheinlagen – Fortbildung für Physiotherapeuten
Im Gespräch:
Physiotherapeut, Inhaber der Fortbildungsakademie Markus Pschick
Fortbildungen machen und darüber das Praxisangebot ausweiten – das nennt man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. In dieser Episode unseres Podcasts geht es um funktionelle Schuheinlagen. Im Gegensatz zu klassisch orthopädischen Einlagen werden diese nicht im Stehen, sondern in der Dynamik angepasst und unterstützen so die Physiotherapie. Wie das funktioniert, was es benötigt und wie die Fortbildung dazu aufgebaut ist – darüber unterhält sich up-Herausgeber Ralf Buchner mit Markus Pschick, dem Inhaber der gleichnamigen Fortbildungsakademie.
Die Internetseite der Fortbildungsakademie Markus Pschick finden Sie hier:
Inhalt dieser Podcastausgabe:
„Es bringt nichts, eine Dysfunktion zu konservieren.“
Ein Gespräch mit Markus Pschick, Physiotherapeut und Inhaber der Fortbildungsakademie Markus Pschick, über funktionelle Schuheinlagen
(up_doppelbehandlung-Episode vom 03.08.22)
up_doppelbehandlung: Herzlich willkommen zu „up_doppelbehandlung“, dem Podcast von „up-unternehmen praxis“. Ich bin Ralf Buchner und begrüße Sie ganz herzlich. Heute wollen wir uns über funktionelle Schuheinagen in der Physiotherapie unterhalten. Mit dabei ist meine Kollegin Alexa Dilllmann, und unser Gesprächspartner ist Markus Pschick in Regensburg – Hallo.
Dillmann: Hallo Ralf!
Pschick: Hallo, danke für die Einladung.
up_doppelbehandlung: Was haben Physiotherapeuten mit funktionellen Schuheinlagen zu tun? Ich weiß nicht mal genau, was das ist…
Pschick: Nun, ich bin seit fast 30 Jahren in der Physiotherapie. Als ich damals anfing, habe ich mich relativ intensiv mit dem Thema Einlagenversorgung von Patienten beschäftigt. Und da habe ich immer nicht verstanden, warum klassische orthopädische Schuheinlagen in den 90ern so gemacht wurden, wie sie gemacht wurden. Das widersprach meinem physiotherapeutischen Verständnis. Als Beispiel: Wenn Ralf Buchner Probleme im Rücken oder in der Hüfte hat, geht er zum Arzt und der sagt: „Sie brauchen Einlagen.“ Dann sagt Herr Buchner als erstes: „Muss ich die selber bezahlen?“ Dann sagt der Arzt: „Nee, kein Problem, Sie kriegen ein Rezept von mir. Das können Sie sich auf Rezept anpassen lassen.“ Dann geht Ralf Buchner mit dem Rezept in der rechten Hand und mit seien Schmerzen in der linken Hand ins klassische Orthopädie-Fachgeschäft der 90er Jahre und sagt: „Ich habe ein Rezept, ich brauche Einlagen.“ Und dann wird er beidfüßig stehend in eine Kiste gestellt, in der ein Schaum aushärtet und sein Schuhabdruck genommen wird. Inklusive seiner Schmerzen und seiner Dysfunktion, die tatsächlich nie genau definiert wurde – und vor allem nie therapiert wurde. Und dann wird auf einen beidfüßigen, statischen Fußabdruck eine passive Einlage gefräst, die dann beim Gehen in der Dynamik funktionieren soll. (Für die Therapeuten unter uns: Ralf Buchner hat bestimmt beim Vermessen auf die Füße geschaut, und damit hat er seine komplette ventrale myofasziale Kette tonisiert und seine Fußgewölbe abgeflacht.) Das heißt: vollkommen unfunktionell vermessen, überhaupt nicht im Einklang mit der Physiotherapie – und so wurde es damals in den 90er Jahren gemacht.
up_doppelbehandlung: Das nennt man erstattungs-getriggerte Versorgung.
Pschick: Ist die Frage, ob das heute noch so ist, wie damals in der 90er Jahren – und da will ich jetzt keine Behauptungen aufstellen.
up_doppelbehandlung: Also ich glaube, es ist schon einen Tick anders geworden, weil die Möglichkeit der Orthopädie-Schuhmechaniker, Orthopäden zu schmieren, unter Strafe gestellt worden ist. Ich nehme schon wahr, dass die Geldrückflüsse nicht mehr so stark sind und dass der Patient und die Lösung der Probleme des Patienten im Vordergrund stehen.
Pschick: Ich meine die Anspruchshaltung der Patienten. Die war immer: „Wenn es die Kasse zahlt, will ich es haben – wenn die Kasse es nicht zahlt, will ich es nicht haben.“
up_doppelbehandlung: Aber das ist ja immer noch so.
Pschick: Eben.
up_doppelbehandlung: Aber früher war es schon so, dass Sachen verordnet wurden, weil da Geldrückflüsse waren… Wie es ist heute, wenn ich ein Problem habe? Kann ich auch direkt zum Physiotherapeuten gehen?
Pschick: Ich habe durch einen Zufall vor ein paar Jahren ein Konzept kennengelernt, bei dem Physiotherapeuten selbst funktionelle Einlagen anpassen können. Das Konzept kommt aus Neuseeland, es gibt es schon seit 40 Jahren. Ich habe es in Dänemark von einem sehr wertgeschätzten Kollegen gelernt, der seit fast zwanzig Jahren diese Einlagen hocherfolgreich in Dänemark anpasst.
Der große Unterschied zur klassischen Einlagenversorgung ist, dass diese Einlage in der Dynamik angepasst wird – an den individuellen Fuß, den individuellen Schuh und an die individuelle Funktion. Zuvor wird eine vernünftige Befundaufnahme gemacht, bei der die Dysfunktion rausgefunden wird. Noch wichtiger ist, dass vorher die Dysfunktion behandelt wurde. Es bringt nichts, eine Dysfunktion zu konservieren. Wir wollen die Dysfunktion ja beseitigen und das Neue konservieren. Ich vergleiche das immer mit Kinesio-Tape: Ein guter Therapeut wird nicht sagen: „Du hast Schmerzen in der Schulter, ich gebe Dir ein Kinesio-Tape, dann sind Deine Schmerzen weg.“ Ein guter Therapeut wird sagen: „Ich behandle Deine Schulter, und dann nutze ich Kinesio-Tape, um die Behandlung zu unterstützen und zu konservieren.“ Und so ist es mit den Einlagen eben auch. Die Einlage ist kein Therapeutikum, sondern eine Unterstützung und Konservierung der therapeutischen Maßnahme.
up_doppelbehandlung: Wann entscheidest Du, dass jemand ein möglicher Kandidat für eine funktionelle Schuheinlage ist?
Pschick: Ich kann über die funktionelle Schuheinlage aufsteigende Ketten beeinflussen. Ich kann im Endeffekt sogar die Okklusion eines Patienten mit einer Einlage verändern. Wenn an den Füßen Defizite vorhanden sind, dann kann ich von unten nach oben die Statik verändern, also auch bei Knie- oder Nackenschmerzen helfen.
up_doppelbehandlung: Wenn ich jetzt Patient bin, wie läuft das ab?
Pschick: Entweder ist der Patient eh schon bei mir in der Praxis, dann sage ich zu ihm: „Dein Problem schaut so und so aus, und ich bin davon überzeugt, dass Dir funktionelle Einlagen helfen könnten.“ Dann wird das Problem behandelt und dann werden die Einlagen individuell angepasst – und dann zahlt der Patient das selber. Oder es schreibt jemand eine E-Mail, dem das empfohlen worden ist. Dann kommt der nur für die Anpassung der Einlagen zu mir. Wobei das Zeitfenster da größer ist, weil wir den Patienten ja auch befunden und eine Therapie vorschieben. Die Anpassung läuft über Thermik: Die Einlagen werden in den Schuh, in dem sie verwendet werden sollen, auf 60 bis 70 Grad erwärmt und dann in der Dynamik angepasst, sie sind thermoplastisch. Eine Laufeinlage muss dabei anders konfiguriert werden als eine Geheinlage. Ich habe einen Kollegen, der passt vor Ort auf einem Fußballplatz den Fußballern die Fußballschuhe an. Ein anderer passt reihenweise Skischuhe an und simuliert dafür mit den Patienten zusammen Skibewegungsabläufe.
up_doppelbehandlung: Wie funktioniert das herstellungstechnisch?
Pschick: Es gibt verschiedene Rohlinge, also therapeutische Einlagen. Der Therapeut überlegt, welcher Rohling zu welchem Schuh passt und welcher für die Funktion am besten passt. Dann wird getestet, welche Einlage die Dynamik des Patienten verbessert. Wir machen dazu myofasziale Kettentests. Und dieser Rohling wird dann im Schuh eingebettet angepasst. Da gibt’s so einen kleinen Ofen, auf den die Einlage samt Schuh draufgestülpt und dann etwa drei Minuten erwärmt werden. Danach folgt die dynamische Einlaufphase. Der Ofen wiegt drei Kila, ist etwa zwanzig Zentimeter breit – den kann ich quasi überall mit hinnehmen.
up_doppelbehandlung: Das heißt, ich brauche, wenn ich so etwas machen will, den Ofen und einen Haufen Rohlinge. Noch was?
Pschick: Nö. Wir haben auch nichts mit dem Produktvertrieb zu tun. Wir bieten nur die Fortbildungen an.
up_doppelbehandlung: Wie lange brauche ich denn, um sowas zu lernen?
Pschick: Wir bieten nur die Lehrgänge an, wie man sowas macht. Das sin drei Ausbildungswege – ein zweitägiger in Präsenz, Anatomie, Biomechanik und der therapeutische Intervention, dann am Tag 2 Anpassung mit Adjustierung und so. Dann gibt es ein Live- Onlineseminar, bei dem die Teilnehmer einen Probanden mitbringen müssen, an dem sie üben können. Und dann gibt es noch ein E-Learning-Video.
up_doppelbehandlung: Was kostet die Ausbildung?
Zwischen 149 und 265 Euro, je nach Kurs.
up_doppelbehandlung: Patienten neigen dazu, das zu nehmen, was die Kasse bezahlt. Das hier wird nicht übernommen, oder?
Pschick: Nein, das kann man nicht verordnen lassen. Aber in Deutschland sind relativ viele sektorale Heilpraktiker für Physiotherapie unterwegs, und die rechnen die Arbeitszeit für die Befundaufnahme sowie die therapeutische Intervention über die sektorale Heilpraktikerleistung ab. Ausschließlich die Arbeitszeit für die Anpassung der Einlagen, die wird dann vom Patienten selber bezahlt – und das Material. Aber man muss nicht Hielpraktiker sein, um das Konzept umsetzen zu können – man kann das auch als Dienstleistung anbieten.
up_doppelbehandlung: Man kann das aber auch ganz normal in der verordneten KG-Zeit machen. Das ist ja klassische Therapie.
Pschick: Ja, aber die 5 Minuten Einlage-Anpassen ist nicht auf GKV abrechenbar.
up_doppelbehandlung: Was kostet mich das als Patient?
Pschick: Unser empfohlener Preis liegt bei 149 Euro für gesamtes Paket
up_doppelbehandlung Wie lange braucht Ihr?
Pschick: Für neue Patienten würde ich wegen der Patientenanmeldung etc. eine Stunde planen. Für Menschen, die bereits Patienten in der Praxis sind: 40 Minuten.
up_doppelbehandlung: Wenn ich sage, ich will ja auch als Therapeut Geld verdienen – habe ich was davon?
Pschick: Meiner Meinung nach ja, denn ich kaufe die Rohlinge irgendwie so bei 40-50 Euro ein (oder Starterpaket noch günstiger). Das macht auch für die Sinn, die hauptsächlich Privatpatienten behandeln.
up_doppelbehandlung: Wie viele deiner Kursteilnehmer setzen das tatsächlich operativ um?
Pschick: Wir haben vor Pandemie evaluiert, da hatten wir eine Rückgabeprobe von drei Prozent (wir evaluieren auch die Rückgabequote von Patienen).
up_doppelbehandlung : Was erzählen die Patienten, wie lange tragen die die Einlagen?
Pschick: Wir sagen, die Lebensdauer einer Alltagseinlage liegt bei mindestens zwölf Monaten. Im Profisport funktionieren sie mindestens sechs Monate. Die meistgestellte Frage ist: „Darf ich das überhaupt?“ Deswegen haben wir extra eine Firma für Medizinprodukt- und Medizinrecht beauftragt, eine Expertise zu schreiben. Die haben wir dann noch einem Rechtsanwalt gegeben. Es gibt also eine rechtliche Grundlage, dass Therapeuten das dürfen. Der österreichische Berufsverband der Physiotherapeuten hat explizit die Anpassung funktioneller Schuheinlagen in die Tätigkeitsbeschreibung mit aufgenommen.
up_doppelbehandlung: Danke für das Gespräch!
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