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Wenn die Stimme stimmt

Logopädie bei Transpersonen

INTERVIEW MIT:
Alina Janda
Alina Janda,
Logopädie-Praxisinhaberin

Wer sich im falschen Körper geboren fühlt, wünscht sich oft auch eine andere Stimme. Denn egal ob nach der Umwandlung von Mann zu Frau oder Frau zu Mann: Meist fühlen sich Transidente mit ihrer Stimme nicht mehr im Einklang. Und obwohl es für Betroffene schon gute Tipps im Internet gibt, ist Stimmanpassung wichtig. Denn die neue Stimme will ein Leben lang gehalten und behalten werden. Wir haben mit Alina Janda gesprochen. Die Logopädin begleitet seit mehreren Jahren Menschen auf der Suche nach ihrer wahren Stimme. Im Interview erzählt sie uns, wie sie dazu gekommen ist, welche Faktoren zu beachten sind und wie die Arbeit mit Transidenten sie selbst verändert hat. Und dann ist da noch dieser Moment, wenn Mensch und Stimme plötzlich eine Aura bilden. Das ganze Interview hört Ihr bei uns im Podcast.

Weitere Infos:

Die Praxis von Alina sowie ihre Kontaktdaten findest du hier.

Inhalt dieser Podcastausgabe:

„Es gibt wirklich diesen Moment, in dem man merkt, dass ein Schalter umgelegt ist.“

Im Gespräch: up-Herausgeber Ralf Buchner mit Logopädie-Praxisinhaberin Alina Janda

uppodcast-Episode vom 08.02.2023

 

uppodcast: Wir wollen heute über Transgender sprechen. Du bist Mitinhaberin der Praxis Logopädie in Vohwinkel in Nordrhein-Westfalen. Du begleitest Menschen, die im Laufe ihres Lebens merken, dass sie im falschen Köper geboren wurden. Wenn ich das Gefühl habe, ich bin eher eine Frau als ein Mann, bin aber als Mann geboren, ist es wahrscheinlich so, dass ich meine tiefe Stimme behalten werde. Und wenn ich als Frau sage, ich fühle mich mehr als Mann, wird die Stimmlage sich vermutlich unterschiedlich entwickeln – je nachdem, in welche Richtung man geht. Vielleicht kannst Du uns mal medizinische Hintergründe darüber geben, was da passiert mit der Stimme, wenn man sein Geschlecht wechselt?

 

Janda: Ja. Der überwiegende Teil der Klient:innen, die zu Logopäd:innen kommen, ist transweiblich. Das heißt, sie sind biologisch als Mann auf die Welt gekommen und möchten ihren Körper aber hin zu dem weiblichen Bild bekommen – und natürlich auch die Stimme. Und anders als Personen, die als Frau geboren sind und in die männliche Richtung möchten, verändert sich eine primär männliche Stimme nicht mehr durch Hormongabe. Also fast alle Menschen, die transident sind, machen ja eine Hormontherapie. Und es ist so, dass das Testosteron (das männliche Hormon) sich auf den Kehlkopf auswirkt: Die Stimmbänder wachsen, sie nehmen an Länge und an Masse zu, und dadurch wird automatisch die Stimme auch tiefer und dunkler. Umgekehrt ist es so: Wenn ich weibliche Hormone gebe (vornehmlich Östrogene), dann hat das keinerlei Auswirkungen auf den Kehlkopf. Die Stimmbänder bleiben so groß und massig wie sie sind, denn die meisten Klient:innen haben ja schon einen Stimmbruch erlebt. Man kann also an der Anatomie nichts mehr ändern. Deswegen setzt man mit Stimmtherapie an und versucht, diese nicht zu verändernde Anatomie durch Stimmübungen und -techniken anzupassen.

 

uppodcast: Das hört sich nach Arbeit an. Sind denn Stimmlage, Stimmhöhe… ist Stimme denn so wichtig für unsere Identität?

Janda: Auf jeden Fall. Es geht ja auch eigentlich allen so: wenn sie eine Stimme hören, auch am Telefon, wenn sie das Gegenüber nicht direkt sehen, haben sie dennoch ein Bild vor Augen. Also bei Dir, wenn ich Dich jetzt nicht sehen würde, würde ich zum Beispiel sehr stark davon ausgehen, dass Du ein Mann bist. Und umgekehrt würdest Du vermutlich auch davon ausgehen, dass ich ein weibliches Wesen bin. Und das erkennen wir – natürlich – an der Stimme.

 

uppodcast: Bei Sängern geht es mir manchmal so, dass ich mich irre. Dann höre ich jemanden, der singt und denke, das ist eine Frau – und dann ist es plötzlich ein Mann. Und auch umgekehrt ist mir das schon passiert. Stimmt, man sortiert da ein.

 

Janda: Und für das eigene Gefühl: Es ist so, dass Klient:innen mir berichten, dass sie sich oft nicht wohl mit der Stimme fühlen – bis hin zum extremen Unwohlfühlen und sagen: „Diese Stimme passt nicht zu mir, mit der fühle ich mich nicht stimmig“. Also, da sind die Begrifflichkeiten ja auch ganz deutlich.

 

uppodcast: Das heißt, es gibt einmal so ein eigenes Wohlfühlen und von außen eine Außenwirkung, dass die Leute Reaktionen aus ihrem Umfeld bekommen, wenn sie optisch nach Mann aussehen, aber eine weibliche Stimme haben oder umgekehrt. Berichten Deine Klient:innen davon, dass sie da Repressionen erleben oder merkwürdige Reaktionen?

 

Janda: Ja, sowohl als auch. Es werden Sprechsituationen vermieden, weil sie vielleicht als in erster Linie weiblich wahrgenommen werden, und dann machen sie den Mund auf und fangen an zu sprechen und merken Irritationen beim Gegenüber, weil die Stimme nicht zum Äußeren passt. Das muss nicht immer so sein, aber es kommt schon vor. Und das kann dazu führen, dass ich – so gut es geht – eben Sprechsituationen vermeide. Nicht telefoniere, nicht in einen Laden gehe und versuche, etwas zu kaufen und allgemein sehr still werde.

 

uppodcast: Benötigt man besonderes Wissen, um mit Transmenschen zu arbeiten? Hast Du Dir das autodidaktisch beigebracht?

Janda: Ich habe es mir tatsächlich alles selber erschlossen. Ich habe schon einige Jahre Stimmtherapie gemacht, mit den typischen Stimmstörungen, die es so gibt – organischer und funktioneller Art. Und eines Tages hatte ich dann eine Anfrage von einer transidentischen Person: „Sag mal, bietest Du eigentlich auch Stimmtherapie an für Transmenschen?“. Und dann habe ich verneint, weil ich das noch nie gemacht habe. Ich habe mich dann aber eingelesen, und teilweise sind es ja auch verwandte Bereiche zu der „normalen“ Stimmtherapie. Und so habe ich gesagt, dass ich es zwar noch nie gemacht habe, aber dass wir es ja gemeinsam ausprobieren können. Und das war dann zum Glück auch ganz erfolgreich.

 

uppodcast: Wie läuft sowas ab, wie steigt man in sowas ein?

Janda: Die Personen sind in ganz unterschiedlichen Stadien zu mir gekommen; viele haben sich schon selber mit der Stimme beschäftigt, selber Übungen gemacht. Es gibt ja Übungen im Internet, da ist auch die communitiy, die sich austauscht, Tipps gibt. Und da sind auch viele Sachen bei, die wirklich gut sind, wo man schon ein bisschen ausprobieren kann und versuchen kann, die Stimme zu verändern. Was aber wirklich wichtig ist, ist, dass man auch die Stimme gesund hält. Wenn ich jetzt als Mann einfach nur versuche, höher zu sprechen und in der Kopfstimme spreche – dann muss ich meinen Kehlkopf und meinen ganzen Stimmapparat extrem anstrengen, um diese Höhe zu erreichen. Im schlimmsten Fall kann die Stimme darunter leider, und es klingt auch manchmal ein bisschen gewollt und nicht gekonnt. Es kann nach verstellter Stimme klingen. Es gibt auch Personen, die das alleine gut hinbekommen – das kommt immer so ein bisschen darauf an, wie meine Eigenwahrnehmung ist. Aber unsere Stimme ist ja eigentlich so, dass sie meistens funktioniert und wir uns damit nicht wirklich befassen. Die ist da, und uns ist nicht bewusst, welche Faktoren die Stimme beeinflussen…deswegen ist es ganz gut, da ein wenig Anleitung zu bekommen.

 

uppodcast: Hast du schon erlebt, dass Leute, die versucht haben, das selbst zu lernen, die Stimme dabei auch geschädigt haben?

 

Janda: Ich persönlich habe das noch nicht erlebt, aber es kursieren Berichten dazu. Und Leute berichten, dass sie es nicht schaffen, über einen längeren Zeitraum dann die Stimme so zu halten, und darum geht es ja auch. Ich kann vielleicht für einen kurzen Moment eine etwas andere Stimmlage einnehmen, aber ich möchte die ja ein Leben lang behalten, und die meisten Leute sind vielleicht Mitte/Ende zwanzig, haben noch sehr viel Leben vor sich – und dann tagtäglich diese Stimme einzusetzen und zu halten, das ist vor allem die Herausforderung.

 

uppodcast: Du bist in Wuppertal – wie viele Leute behandelst Du so? bist Du ein Geheimtipp, bei dme man sich trifft?

 

Janda: Es ist nicht so, dass mir die Bude eingerannt wird, aber in den letzten fünf Jahren habe ich eigentlich immer jemanden gehabt, den ich begleitet habe.

uppodcast: Wie lange bleibt jemand bei Dir so im Schnitt?

Janda: Von der Verordnungsmenge her sind es so zwanzig bis dreißig Einheiten. Wenn man so die ersten zehn bis fünfzehn Einheiten gemacht hat, finde ich es immer sinnvoll, dann auf 14-tägigen Rhythmus zu gehen. Ich sage mal so zwischen sechs und zwölf Monaten.

uppodcast: Kommen die Leute mit einer klassischen GKV-Verordnung zu Dir?

Janda: Ja, eine Verordnung mit funktioneller Stimmstörung und mit entsprechendem ICD-10-Code, den gibt es ja inzwischen für Transsexualismus. In der Regel stellen die Hausärzte das aus.

uppodcast: Es wird also auch über die Kasse finanziert.

Janda: Genau.

uppodcast: Kann man das merken, wenn jemand zu seiner „richtigen“ Stimme findet?

Janda: Ja. Etwa bei einer Klientin, die ich derzeit begleite, da war das gerade vor zwei Wochen. Da kam sie zur Tür herein, und ich habe gemerkt: „Aha, jetzt sind wir an dem Punkt!“. Ich glaube fast, ich merke das eher als die Klient:innen selber, weil ich sie ja nur mit Abstand erlebe, und dann fällt es eben stärker auf. Ich gebe es dann auch sehr gerne als Rückmeldung. Es gibt wirklich diesen Moment, in dem man merkt, dass ein Schalter umgelegt ist. Die Person klingt dann nicht ganz anders, aber halt weiblich und feminin. Ich nehme die Person dann auch gleich ganz anders wahr – die Aura wird dann auch eine ganz andere.

 

uppodcast: Es ist also eine kleine Stellschraube, die für das Wohlbefinden Deiner Klient:innen ganz wichtig ist. Bekommst du das auch als Rückmeldung?

Janda: Ja. Das freut mich auch. Dann bekommt man auch das Gefühl, eine sinnerfüllte Arbeit zu tun.

uppodcast: Darf man Dich kontaktieren, wenn man selber darüber nachdenkt, sowas anzubieten, und Fragen stellen?

Janda: Na klar, ich möchte ja nichts geheim halten, und ich habe das Rad ja auch nicht neu erfunden. Es gibt aber auch Fortbildungen zu dem Thema. Man muss natürlich für sich selber gucken, mit welchem Ansatz fährt man gut.

uppodcast: Durch die Behandlung von Transpersonen: Hat sich Dein Blick da verändert?

Janda: Ich glaube schon, dass ich sensibler geworden bin. Zum Beispiel die Anerkennung in der Sprache: Es macht eben einen Unterschied, ob wir ein „innen“ dahinter hängen oder welches Pronomen wir benutzen.

 

uppodcast: Vielen Dank!

 

 

 

 

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