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Langfristiger Heilmittelbedarf (LHB)

Diese beiden Möglichkeiten gibt es
Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Patienten längerfristig auf Heilmitteltherapie angewiesen sind. Neben dem besonderen Verordnungsbedarf (BVB) gibt es noch den langfristigen Heilmittelbedarf, der meist ins Spiel kommt, wenn Patienten unter schweren, dauerhaften Erkrankungen leiden. Für Patienten gibt es zwei Wege, langfristig Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie zu erhalten.
Langfristiger Heilmittelbedarf (LHB)
© iStock: gilaxia

Möglichkeit 1: Langfristiger Heilmittelbedarf (gemäß Anlage 2 Heilmittel-Richtlinie)

Hat ein Patient eine Erkrankung, deren Diagnose in Anlage 2 der Heilmittel-Richtlinie geführt wird, handelt es sich um einen langfristigen Heilmittelbedarf (LHB) im Sinne von § 32 Abs. 1 a SGB V. Die Diagnoseliste in Anlage 2 definiert der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Ärzte können für diese Diagnosen direkt eine Verordnung für zwölf Wochen ausstellen. Ein Antrags- und Genehmigungsverfahren bei den Krankenkassen entfällt in diesem Fall.

Wichtig für die Verordnung: Ärzte müssen den endstelligen, in Anlage 2 festgelegten ICD-10-Code in Verbindung mit einer vereinbarten Diagnosegruppe auf der Verordnung angeben. Nur dann fällt sie unter den langfristigen Heilmittelbedarf und gilt für den Arzt als extrabudgetär.

Verordnungscheck: Besteht langfristiger Heilmittelbedarf und ist sie extrabudgetär?

  • Diagnose des Patienten ist in Anlage 2 aufgeführt.
  • Diagnosegruppe ist in Anlage 2 genannt.
  • Die Diagnose ist als vereinbarter ICD-10-Code in Kombination mit einer vereinbarten Diagnosegruppe auf der Verordnung notiert.
  • Die Anzahl der Behandlungseinheiten geteilt durch den oberen Wert der Frequenzspanne ist kleiner oder gleich zwölf Wochen.

-> Die Verordnung ist automatisch extrabudgetär.

Beispiel Physiotherapie: Ein Patient kommt mit einer Verordnung und Sie möchten prüfen, ob langfristiger Heilmittelbedarf gemäß Anlage 2 besteht. Gehen Sie wie folgt vor:

  1. J44.00 bedeutet: Chronische obstruktive Lungenkrankheit mit akuter Infektion der unteren Atemwege: FEV1 <35% des Sollwertes – in Anlage 2 geführt? Antwort: Ja
  2. Auf der Verordnung steht die Diagnosegruppe AT. Passt dies zur Diagnose? Antwort: Ja
  3. Der Arzt hat 60 Behandlungseinheiten bei einer Frequenz von ein- bis fünfmal pro Woche angegeben. Ist die Höchstmenge geteilt durch die Frequenz kleiner/gleich zwölf Wochen? Antwort: Ja, 60/5 = 12

-> Die Verordnung ist extrabudgetär und es besteht ein langfristiger Heilmittelbedarf.

Exkurs: Umgang mit dem Heilmittelkatalog online

Sie können im Heilmittelkatalog auf verschiedenen Wegen erkennen, ob eine Diagnose zum LHB gehört. Gehen Sie dazu auf www.heilmittelkatalog.app (für die Premium-Nutzung ist eine Registrierung erforderlich).

Beispiel 1: Sie haben eine Ergotherapie-Verordnung vorliegen. Dort ist die Diagnosegruppe SB2 vermerkt „Erkrankungen der Stütz- und Bewegungsorgane“. Wenn Sie im Heilmittelkatalog auf Ergotherapie gehen, dann auf SB2 klicken, gelangen Sie zu einer Übersicht. Unter 1a finden Sie dann alle Diagnosen, die extrabudgetär verordnet werden können, also auch jene für den LHB gemäß Anlage 2.

Beispiel 2: Ein Arzt kann zudem gezielt nach Erkrankungen suchen und sich dann die entsprechenden Diagnosen auflisten lassen, wie „Skoliose“. Ihm wird dann die Diagnosegruppe WS angezeigt. Klickt er darauf, kann er ebenfalls sehen, welche Diagnosen unter den LHB fallen, beispielsweise F84.2 „Tief greifende Entwicklungsstörungen Rett-Syndrom“.

Beispiel 3: Sie können auch nach Diagnosen suchen, um herauszufinden, ob LHB besteht. Geben Sie dazu einfach in die Suche den ICD-10-Code, wie „J.44“ ein. Dann erscheint die Diagnosegruppe AT „Störungen der Atmung“. Klicken Sie dies an und schon können Sie ablesen, dass J.44 zum langfristigen Heilmittelbedarf gehört.

Beispiel 4: Gehen Sie einfach auf Ihr Fachgebiet und klicken Sie dann ganz links im Reiter auf den Stern. Dort werden Ihnen alle Diagnosen angezeigt, die unter den LHB fallen.

Hinweis: Achten Sie bei der Recherche immer darauf, ob auch Ihre Fachgruppe, also Physio-, Ergotherapie oder Logopädie, angezeigt wird. Nur weil eine Diagnose bei der Physiotherapie langfristig verordnet werden kann, muss dies nicht für andere Heilmitteltherapie gelten.

Langfristiger Heilmittelbedarf auf Antrag (gemäß § 32 Abs. 1 a SGB V)

Es gibt jedoch auch Patienten, die an Erkrankungen leiden, deren Diagnosen nicht auf der Diagnoseliste in Anlage 2 gelistet sind. Diese Patienten können dann bei ihrer Krankenkasse einen Antrag auf langfristigen Heilmittelbedarf stellen (gemäß § 8 Abs. 3 HeilM-RL). Sie können Ihre Patienten bei diesen Anträgen jedoch unterstützen.

Der G-BA stellt zudem eine Patienteninformation zur Genehmigung eines langfristigen Heilmittelbedarfs zur Verfügung, die Sie und Ihre Patienten als Leitfaden nutzen können.

4 Schritte zum Ziel:
1. Schwere und Dauer der Erkrankung definieren

Check: Liegt eine schwere und dauerhafte funktionelle/strukturelle Schädigung vor und umfasst der Heilmittelbedarf mindestens ein Jahr?

-> Nur wenn alle drei Punkte mit Ja beantwortet werden können, liegt ein langfristiger Heilmittelbedarf vor.

2. Diagnoselisten überprüfen

Check 1: Steht die Erkrankung auf der Diagnoseliste in Anlage 2 der Heilmittel-Richtlinie?

Wenn ja, ist kein Antrag nötig.

Wenn nein:

Check 2: Steht die Erkrankung auf der Diagnoseliste zu besonderen Verordnungsbedarfen und sind dort alle aufgelisteten Nebenbedingungen erfüllt?

Wenn ja, ist kein Antrag nötig.

Wenn nein:

Check 3: Gibt es alternative Diagnosen oder Sekundär-Codes, die auf einer der beiden Listen stehen?

Wenn ja, ist kein Antrag nötig. Dann sollten Sie die Diagnosen einfach anpassen lassen.

3. Nach Vergleichbarkeit suchen

Können Sie alle oben genannten Punkte mit Nein beantworten, gibt es noch die Möglichkeit, in den Diagnoselisten nach Erkrankungen bzw. Schädigungen zu suchen, die mit denen des Patienten vergleichbar sind. Dies können auch mehrere sein.

4. Antrag bei der Krankenkasse stellen

Generell muss der Arzt, der die Heilmittel verordnet, auch die Begründung für den Antrag auf langfristigen Heilmittelbedarf verfassen. Er kann aber auch auf Fremdbefunde zurückgreifen – also auf Ihre Therapieberichte. Die Patienten senden dann den schriftlichen Antrag, eine Kopie einer gültigen Verordnung sowie der medizinischen Begründung an ihre Krankenkasse.

Achtung: Die Heilmittel-Behandlung kann weitergeführt werden, solange der Antrag läuft. Die verordnete Höchstverordnungsmenge je Verordnung dürfen Sie jedoch nicht überschreiten. Hier lesen Sie, wie Sie die Verordnungsbereitschaft der Ärzte erhöhen.

Die Krankenkasse hat dann vier Wochen Zeit, den Antrag zu prüfen. Ihr Patient sollte dabei unbedingt darauf verzichten, bei der Kasse nachzufragen. Denn überschreitet die Krankenkasse die Frist, gilt der Antrag automatisch als genehmigt. Sollte er abgelehnt werden, ist unbedingt Widerspruch einzulegen.

Ärzte auf extrabudgetäre Verordnungen aufmerksam machen

Obwohl Verordnungen mit langfristigem Heilmittelbedarf extrabudgetär sind und somit nicht bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Ärzte herangezogen werden, ist noch immer nicht allen Ärzten bekannt, wie sie extrabudgetär verordnen können. Sie können die Ärzte jedoch darauf aufmerksam machen – wie Sie das am besten anstellen und welche Möglichkeiten es gibt, lesen Sie ab Teil 5 in diesem Schwerpunkt.

Hinweis: Für Zahnärztliche Verordnungen gibt es übrigens keine Diagnoselisten, weil Zahnärzte kein Budget einzuhalten haben. Daher spielen extrabudgetäre Verordnungen hier keine Rolle.

Aber auch mit einer zahnärztlichen Verordnung und Begründung kann der Patient einen langfristigen Heilmittelbedarf bei seiner Krankenkasse beantragen.

Diese Artikel gehören zum Schwerpunkt extrabudgetäre Verordnungen:

Themenschwerpunkt 2.2021: Extrabudgetäre Verordnungen

Leistungsanspruch vs. Heilmittelbudget: Wieso Ärzte, Patienten und Therapeuten von extrabudgetären VO profitieren

Verordnen ohne wirtschaftliches Risiko: Besonderer Verordnungsbedarf und langfristiger Heilmittelbedarf

Besonderer Verordnungsbedarf: Darauf kommt es bei der Verordnung an

Verordnungsbereitschaft erhöhen: Wie Sie mit aussagekräftigen Berichten die Begründung für den Therapiebedarf liefern

Arztgespräche erfolgreich lenken: Kommunikationstipps für den persönlichen (und digitalen) Kontakt

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