Ja, aber… Es ist unmöglich passende Gruppen zusammenzustellen

„Einfach einmal ausprobieren“ war das Motto von Logopädin Jennifer Haseloff. Sie hat im März 2023 mit Gruppentherapie begonnen, um den Weggang einer Mitarbeiterin zu kompensieren. Und sie ist damit erfolgreich. Wer nun neugierig ist und auch gerne einmal Parallel- oder Gruppentherapie in der Praxis einführen möchte, kann sich hier Anregungen holen und auch die letzten Zweifel aus dem Weg räumen lassen. Schritt für Schritt zur erfolgreichen Gruppentherapie in Eurer Praxis. Schritt 1 Team mit ins Boot holen Die Entscheidung ist gefallen? Ihr möchtet auch Gruppentherapie in Eurer Praxis einführen? Dann denkt aber auch an Euer Team. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Therapeut:innen einzubeziehen. Bei Jennifer Haseloff haben alle von Anfang an mitgemacht. „Anders wäre es gar nicht gegangen. Wir mussten ja das Ausscheiden einer Kollegin ausgleichen“, erklärt die Praxisinhaberin. Ihr könnt Euren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern natürlich auch freistellen, ob sie Gruppen übernehmen möchten oder nicht. Wichtig ist, dass Ihr ihnen erklärt, welche Vorteile Gruppentherapie für alle Beteiligten haben, wie genau die Organisation aussehen soll und wie Ihr gemeinsam vorgehen wollt. Am besten setzt Ihr Euch im Team hin und stellt die Gruppen zusammen. Schritt 2 Gruppen sinnvoll zusammenstellen Logopädin Jennifer Haseloff hat sich mit ihrem Team zusammengesetzt und alle Patient:innen, die bereits in Behandlung waren, angesehen. Sie haben dann verschiedene Kriterien festgelegt, um Gruppen zusammenzustellen. 1. Störungsbilder bzw. Diagnosen festlegen: „Wir hatten ganz viele Kinder, bei denen wir mit vier Therapeutinnen in Einzeltherapien alle am ‚Sch‘ gearbeitet haben“, erzählt die Logopädin. „Uns wurde ganz schnell klar: Das ist ja Quatsch, die Kinder können doch alle in eine Gruppe.“ 2. Alter der Kinder beachten: Es ist natürlich hilfreich, wenn die kleinen Patient:innen ein ähnliches Alter haben. „Übungen funktionieren nicht gut, wenn ein Kind vier Jahre und das andere acht Jahre alt ist“, sagt die Praxisinhaberin. 3. Gruppengröße kann flexibel sein: Hier kommt es auf die Diagnose und die Personen an. Es gibt Störungsbilder, die in der Gruppe sehr einfach zu behandeln sind, bei andere eignen sich eher Parallelbehandlungen bzw. Zweier-Gruppen. „In der Logopädie sind beispielsweise phonologische Störungen (Laut „sch“ und „k“) Diagnosen, die wirklich gut in der Gruppe funktionieren. Da lassen sich auch Gruppen mit vier Kindern ohne großen Aufwand umsetzen“, sagt Jennifer Haseloff. 4. Neu-Patienten in Gruppen integrieren: Ob in der Ergotherapie, Logopädie oder Physiotherapie – jede Patientin und jeder Patient sollte mindestens den ersten Termin als Einzelsetting erhalten. In diesen ersten Terminen findet dann die Anamnese und Befundung statt, ein Therapieplan wird entwickelt und die Therapieziele festgelegt. Dann schaut Ihr gemeinsam mit den Patient:innen, ob Ihr diese mithilfe von Einzel-, Gruppentherapie oder auch einer Kombination aus beidem erreichen könnt. Entscheidet Ihr Euch für Gruppentherapie, prüft Ihr, ob die Person in eine bestehende Gruppe passt, oder ob es die Möglichkeit gibt, eine neue Gruppe gemeinsam mit anderen Neu-Patient:innen zu eröffnen. Mögliche Störungsbilder und Diagnosen, mithilfe derer Ihr bei Euch Gruppentherapie einführen könnt: In der Ergotherapie: Verhaltens- und Konzentrationsdefizite bei Kindern Psychische Erkrankungen bei Erwachsenen (Suchterkrankungen und Depressionen) Anfängliche Demenzen Nach einem Schlaganfall Morbus Parkinson In der Logopädie: Myofunktionelle Störungen bei Kindern Aphasie Dysphagie Kinder mit Wortschatz-Problemen Kinder mit phonologischen Störungen In der Physiotherapie: Atemtherapie (dosiertes Ausdauertraining mit spielerischen Komponenten) POST-COVID-Syndrom unspezifische Rückenschmerzen Coxarthrose Haltungsschwäche bei Kindern (z. B. geringgradige Skoliosen) Tipp: Ihr behandelt in Eurer Praxis viele Kinder? Super, dann beginnt mit den kleinen Patientinnen und Patienten, denn mit Kindern lässt sich Gruppentherapie in der Regel einfacher einführen als mit Erwachsenen. Keine Angst vor unterschiedlichen Therapieständen der Patient:innen Was ist, wenn ein Patient schon sehr weit ist und eine andere Patientin gerade erst mit der Therapie beginnt? „Kein Problem“, sagt Jennifer Haseloff. „Wir mischen auch Kinder, die fast austherapiert sind, mit Kindern, die ganz neu anfangen. Man kann innerhalb der Therapie unterschiedliche Schweregrade bei den Übungen einbauen. Und jedes Kind bekommt ganz individuelle Hausaufgaben auf. Das ist auch gar kein Problem.“ „Wir legen am Anfang einen Therapieplan und die Therapieziele für jedes einzelne Kind fest“, beschreibt die Logopädin. „So gibt es innerhalb einer Gruppe Kinder, die am Anfang noch dabei sind, die unterschiedlichen Laute hören zu müssen. Das können sie bei den Kindern, die schon beim Sprechen sind, sehr gut üben. Also machen einige Kinder noch Hörübungen und andere schon Sprechübungen. Das geht wunderbar zusammen in einer Gruppe. Die Kinder, die gerade anfangen, profitieren auch davon, mit fortgeschrittenen Kindern zusammenzuarbeiten. Das motiviert und sie können sehen: Wenn ich weitermache, dann kann ich auch bald so sprechen.“ „Auch für die Eltern ist das schön“, so die Praxisinhaberin. „Wenn die Eltern der neuen Kinder begreifen, wo die anderen schon sind, dann sehen sie: Die Therapie funktioniert. Außerdem machen die Eltern sich oft gegenseitig Mut und stellen Kontakt her. Das ist toll.“ Diese Artikel gehören außerdem zum Themenschwerpunkt 7.2023 "Gruppentherapie": Themenschwerpunkt 7.2023: Gruppentherapie Drei Vorteile der Gruppentherapie für Praxis, Therapeuten und Patienten Ja, aber... Es ist organisatorisch viel zu aufwendig, mehrere Personen gleichzeitig zu behandeln! Nein, definiert feste Zeiten für die Planung der Therapie Ja, aber... Die Patienten lehnen die Gruppentherapie bestimmt ab! Nein, steht Ihr dahinter, könnt Ihr auch die Patienten leicht überzeugen Ja, aber... Parallelbehandlungen und Gruppentherapie werden geringer vergütet! Nein, rechnet doch einmal selbst: Ihr könnt damit Eure Umsätze deutlich steigern Interview mit Logopädin Jennifer Haseloff: „Wir müssen die Hemmschwellen für Gruppentherapie überwinden. Denn sie macht Spaß und motiviert alle.“