Fünf Gründe für eine regelmäßige Kommunikation mit Ärzten

Robert Hess hält seit Jahren erfolgreich engen Kontakt zu den Ärzt:innen im Einzugsgebiet seiner Praxen. Er hat uns erzählt, warum er das macht, welche Vorteile seine Praxen davon haben und warum er eine intensive Arztkommunikation jedem nur empfehlen kann. EINS: Verordnungspakete verschaffen Euch und den Patienten mehr Behandlungszeit Ziel der Arztkommunikation ist, dass Ihr Eure Patientinnen und Patienten besser versorgen könnt – das beinhaltet eine optimale Therapie und für Euch einen wirtschaftlichen Vorteil. Das alles findet im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots statt, sodass die verordnenden Ärzt:innen keinen Regress fürchten müssen. Das Stichwort lautet: Verordnungspakete packen lassen. Das bedeutet, eine VO so zu gestalten, dass Ihr für Euch und die Patient:innen den größtmöglichen Nutzen aus der VO ziehen könnt – ohne dabei das Budget der Arztpraxis zu sprengen. Möglichkeiten der Verordnungsoptimierung für alle Berufsgruppen: extrabudgetäre VO Seit der Neufassung der Heilmittel-Richtlinie im Jahr 2021 gibt es mehr Möglichkeiten, Patientinnen und Patienten extrabudgetär zu versorgen. Wenn Ihr in Eurer Praxis Patient:innen habt, mit deren Diagnose extrabudgetäre VO möglich sind, zum Beispiel, indem Ärzt:innen einen anderen ICD-10-Code verwenden, informiert die Arztpraxis darüber. „Wir geben unseren Patienten dann gerne eine kurze Information für den Arzt mit.“, erklärt Robert Hess. „Lieber Arzt, Patient x hat die Diagnose xy erhalten. Für diesen Patienten können Sie extrabudgetäre Verordnungen ausstellen, die das Budget der Praxis nicht belasten.“ Hinweis: Wenn Ihr Euer Wissen zum Thema extrabudgetäre VO einmal auffrischen möchtet: Am 20. und 27. Oktober 2023 finden Teil 1 und 2 des Online-Seminars „Heilmittel richtig (extrabudgetär) verordnen lassen“ statt. Weitere Informationen und die Anmeldung findet Ihr hier: www.up-aktuell.de/seminar-extrabudgetär Unter www.up-aktuell.de/kommunikation findet Ihr unterschiedliche Beispiele für extrabudgetäre VO für Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie. „Grundlagen für Ärzte beim extrabudgetären Verordnen“ findet Ihr zudem auf www.up-aktuell.de/arzt-vo Möglichkeit von Verordnungspaketen in der Physiotherapie: Durch den direkten Austausch mit den Arztpraxen hat es Robert Hess erreicht, dass die meisten Patient:innen zu ihrer KG, MT, KG-ZNS usw. auch das ergänzende Heilmittel Warmpackung (WP) verordnet bekommen. So erhalten die Patientinnen und Patienten statt beispielsweise 15 Minuten KG eine Behandlungszeit von 35 Minuten (15 Min. KG + 20 Min. Wärme). „In dieser Behandlungszeit von 35 Minuten können meine Mitarbeiter nun selbst entscheiden, was sie tun. In den 20 Minuten, in denen die Patienten die Fangopackung erhalten, können sie Termine vereinbaren, Rücksprache mit Ärzten halten, die Dokumentation machen, aber auch einfach einen Kaffee trinken, etwas essen oder mit Kollegen plaudern“, sagt Robert Hess. „Für uns ist dieses Vorgehen wirtschaftlich. Die Minutenpreise stimmen und gleichzeitig verheize ich meine Mitarbeiter nicht. Sie können auch mal durchatmen oder für sich entscheiden, dass sie heute mit dem Patienten x eine längere Übung trainieren wollen. Das überlasse ich ihnen.“ Hinweis: Natürlich ist der reine Minutenpreis höher, wenn Ihr Eure Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im 15-Minuten-Takt klassische KG- oder MT-VO abarbeiten lasst. Um diese Taktung durchzuhalten und alle Tätigkeiten, die nebenher anfallen, trotzdem zu schaffen, brauchen die Mitarbeiter:innen auch entsprechende Zeitslots. „Wenn ich meine Therapeuten im reinen 15-Minuten-Takt arbeiten lassen würde, hätte ich wahrscheinlich bald kein Personal mehr“, erklärt Robert Hess. „Für mich beinhaltet wirtschaftliches Arbeiten daher auch den Blick auf meine Mitarbeiter. Sie sind das wertvollste Gut meiner Praxis. Daher ist ein gewisses Maß an Freiheit und Eigenverantwortlichkeit ein wichtiger Faktor für wenig Fluktuation bei uns.“ Möglichkeiten der Verordnungsoptimierung in der Ergotherapie und Logopädie: Die Verordnungsoptimierung durch ergänzende Heilmittel wie in der Physiotherapie ist in der Form nicht auf die Ergotherapie und Logopädie übertragbar. In der Logopädie gibt es keine ergänzenden Heilmittel und in der Ergotherapie kann die thermische Anwendung nur bei bestimmten Heilmitteln verordnet werden. Daher spielt die Verordnungsoptimierung in der Arztkommunikation in der Ergotherapie und Logopädie eine untergeordnete Rolle. Anstelle der Verordnungsoptimierung bietet in der Ergotherapie und Logopädie die Parallelbehandlung bzw. die Gruppentherapie mit zwei Patienten eine gute Möglichkeit, die Minutenpreise zu erhöhen. Wie das geht, erfahrt Ihr im Themenschwerpunkt 7.2023 „Gruppentherapie“. Hinweis: Um das Budget der Ärzt:innen zu schonen, haben Robert Hess und seine Mitarbeiter:innen auch im Blick, wann die Patientinnen und Patienten eventuelle Folge-VO aus der Arztpraxis holen. „Wir bauen dann zum Beispiel zwischendurch eine Woche ein, in der unsere Patienten zu Hause Eigenübungen durchführen sollen“, sagt er. „So können wir dafür sorgen, dass ein Patient erst im nächsten Quartal wieder in der Arztpraxis aufläuft.“ Fazit Unser Konzept ist: Wir sprechen mit den Ärzten und ihren Mitarbeitern und sagen, wir möchten Euch die Angst nehmen und wir möchten für Euch sicherstellen, dass Euch keine Gefahr droht.“, erklärt der Praxisinhaber. „Das öffnet die Tür. Euch kann nichts passieren, es gibt keinen Regress. Aber lieber Arzt, lass uns doch wirklich ein optimales Paket schnüren für unsere Patienten. Das kostet Euch kein zusätzliches Geld und wir erhalten die Zeit, die wir benötigen, um die Patienten effizient zu behandeln.“ ZWEI: KVen üben Druck auf Ärzt:innen aus und informieren schlecht und fehlerhaft – wirkt dem entgegen Die kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) geben lei- der immer wieder Informationen heraus, die Ärztinnen und Ärzte dazu bringen sollen, weniger Heilmitteltherapie zu verordnen. Es gibt zudem von einigen KVen sogenannte Zielvereinbarungen zur Steuerung der Heilmittelversorgung. Dort wurde beispielsweise festgehalten, um wie viel Prozent Ärzt:innen weniger Heilmitteltherapie verordnen sollten. Ein Beispiel für eine solche Zielvereinbarung von der KV Schleswig-Holstein findet Ihr hier. Auch Robert Hess kennt diese Zielvereinbarungen und Schreiben der KVen. „Wir haben diese Momente auch, in denen wir feststellen, dass wir plötzlich kaum noch MT-VO erhalten. Dann wissen wir, dass die KV wieder irgendeine Information an ihre Ärzte gegeben hat.“, sagt er. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Patient von Robert Hess hat plötzlich von seinem Arzt keine Wärme mehr verordnet bekommen. Er ist zunächst an die Arztpraxis herangetreten. Auf der VO des Patienten stand dann: „Liebes Team, wir verschreiben keine Wärme aus Budgetgründen. Liebe Grüße von der Arztpraxis“ Daraufhin hat Robert Hess die KV Schleswig-Holstein kontaktiert und erhielt vom Teamleiter für Beratung und Verordnung die Antwort, dass die Kassen Wärme als unwirtschaftlich ansehen würden und es dafür auch kein Budget gäbe. Man könne auf dem Weg zum Therapeuten ja die Sitzheizung anschalten oder sich eine Wärmflasche auf die betroffenen Regionen legen. Weiter: „Unter diesen Umständen können Sie vielleicht nachvollziehen, dass wir den Vertragsärzten einen wirtschaftlichen Umgang mit den Ressourcen nahelegen müssen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot notwendig, zweckmäßig und ausreichend ist leider nicht mit einer optimalen Versorgung gleichzusetzen.“ Hess sagt: „Ärzte und auch wir Therapeuten wissen schon, dass wir mit den Budgets verantwortungsbewusst umgehen müssen, und auch welche Heilmittel bei welcher Diagnose sinnvoll sind. Daher ist es schon grotesk, wie viel Druck die KVen auf ihre Ärzte ausüben. Wir kommen dann in die Arztpraxen und müssen erst einmal aufklären. Denn was bei den Ärzten vorherrscht, ist Angst. Sie haben Angst vor Regressen. Verständlich bei der Informationslage. Daher bieten wir an, dass sich die Praxen jederzeit bei uns melden können, wenn es Rückfragen gibt.“ DREI: Entlastung der Ärzte führt zu besseren Verordnungen Wer einen guten Draht zu seinen verordnenden Arztpraxen hat, wird ab einem gewissen Punkt kaum noch den Bedarf haben, VO ändern zu lassen. Stellen Arztpraxen fest, dass es sich lohnt, Verordnungspakete auszustellen, zum Beispiel, weil das Budget im Rahmen bleibt und die Patient:innen seltener Folge-VO benötigen, werden sie optimale Verordnungspakete irgendwann automatisch verordnen. Für beide Seiten, Arzt- und Therapiepraxis, bedeutet das schließlich deutlich weniger Arbeit. VIER: Wartelisten werden abgebaut Wenn Frau Schmidt monatelang mit ihren Rückenbeschwerden die Kapazitäten der Therapeutin bindet und ein Ende nicht in Sicht ist, landen andere Patient:innen, vor allem auch solche mit akuten Beschwerden, auf der Warteliste. Mithilfe von optimierten VO schafft Ihr es, dass Ihr mehr Zeit für Frau Schmidt habt, sie besser behandeln könnt und die Behandlung schneller abgeschlossen werden kann. FÜNF: Die Auslastung steigt Das gegenteilige Szenario: Ihr habt Terminlücken im Kalender und nun überlegt Ihr, wie Ihr die Auslastung steigern könnt. Auch hier ist die Arztkommunikation der Schlüssel zum Erfolg, wie Robert Hess berichtet: „Eine meiner Praxisleitungen ist auf mich zugekommen und meinte, sie hätte ein Auslastungsproblem. Sie hatte viele Ideen, wie sie die Auslastung durch teure Marketing-Aktionen wieder verbessern wollte. Ich habe Ihr dann gesagt: Ich gebe Dir zwei Wochen. In dieser Zeit suchst Du Dir die Top 10 Ärzte aus Deiner direkten Umgebung. Für jeden Arzt blockst Du Dir eineinhalb Stunden Zeit. Du nimmst höflich Kontakt auf: Hätten Sie kurz Zeit für einen Kaffee, fünf bis acht Minuten? Ich möchte mich bedanken oder mich einfach gerne persönlich vorstellen. Das ist der Aufhänger. Gesagt, getan. Sie hat sich darum bemüht und hatte dann auch innerhalb von kurzer Zeit mit den jeweiligen Arztpraxen persönliche Gespräche. Ihr Feedback war durchweg positiv. Die Ärzte haben sich gefreut, sie einmal kennenzulernen und ein Gesicht vor Augen zu haben, an wen sie da überhaupt verordnen und was diese Praxis eigentlich alles anbietet. Fazit: Die Ärzte sagten zu ihr: ‚Wenn Sie gleich rausgehen, legen Sie bitte Ihre Visitenkarten vorne an den Tresen. Wir freuen uns auf gute Zusammenarbeit.‘ Wenn man das einmal hingekriegt hat, hat man als Praxis gewonnen.“ Mit diesem Vorgehen hatte die Praxisleitung Erfolg. Gemeinsam mit Robert Hess hat sie sich die Statistiken angesehen. Innerhalb von drei Wochen hatte die Praxis eine Auslastungssteigerung von 30 Prozent. Diese Artikel gehören außerdem zum Themenschwerpunkt "Arztkommunikation": Themenschwerpunkt 10.2013: Arztkommunikation „Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist überall ein Thema. Auch bei den Ärzten.“ - Interview mit Praxisinhaber Robert Hess Arztkommunikation: Gute Vorbereitung ist die halbe Miete Wir müssen reden: Tipps für eine gelungene Kontaktaufnahme mit Ärzten