„Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist überall ein Thema. Auch bei den Ärzten.“

Viele Therapeutinnen und Therapeuten scheuen sich davor, das Gespräch mit Ärzt:innen zu suchen. Zu sehr verbinden viele damit noch, dass die sogenannten Götter in Weiß sowieso kein Interesse an einem guten Kontakt haben. Robert Hess hat selbst fünf Praxen in Hamburg und Umgebung. Er hat gegenteilige Erfahrungen gemacht und erzählt, welchen Wandel er in der Beziehung zu Ärzt:innen wahrnimmt. Ihr pflegt in der HANSE THERAPIE seit Jahren einen engen Kontakt zu Euren verordnenden Ärztinnen und Ärzten. Dabei geht es vor allem um Verordnungsoptimierung. Wie hat sich die Qualität im Vergleich zu früher verändert? Früher war der Aufwand wesentlich höher. Da kamen Patienten mit einfachen KG-Rezepten, Verordnungen (VO) waren fehlerhaft usw. Heute erhalten wir von den Arztpraxen, mit denen wir in Kontakt sind, nur noch optimierte Verordnungspakete. Wir müssen vielleicht noch zehn Prozent aller VO anpassen lassen. Außerdem ist der Draht in die Arztpraxen deutlicher kürzer, VO werden viel schneller angepasst. Wir haben eine gute Arbeitsgrundlage entwickelt. Ab und zu kommt mal eine VO aus einer neuen Praxis. Da sehen wir dann direkt, dass wir einen Termin für ein persönliches Gespräch vereinbaren und Aufklärungsarbeit leisten müssen. Hat sich auch die Kommunikation mit Ärztinnen und Ärzten in den letzten Jahren verbessert? Als ich im Jahr 2002 nach Hamburg kam, war ich bei einem Arzt zum Gespräch. Er hat mir dann im Beisein seiner Assistenzärztin erklärt: „Also, meine Herren, schön, dass Sie hier sind, aber ich stelle hier die Regeln auf. Was ich sage, ist Gesetz. Keine weiteren Fragen, bitte.“ Da haben wir uns dann bei ihm herzlich bedankt mit dem Hinweis, dass wir uns wahrscheinlich nicht gegenseitig unterstützen werden. Heute ist die Haltung der Ärzte wesentlich respektvoller, offener und durchaus interessiert. Die meisten Ärzte fragen auch nach, welche Behandlung wir bei Patient xy anstreben würden oder fordern eine Rückmeldung zum Therapieverlauf ein. Da wird unserer Berufsgruppe viel mehr Respekt entgegengebracht als früher. Es wird immer mehr ein Arbeiten auf Augenhöhe. Und das sehe ich als sehr positiven Nebeneffekt, den ich mir natürlich bei meinen Praxen zunutze mache: Du, lieber Arzt, kannst viel, aber nicht alles. Wir können viel, aber auch nicht alles, aber gemeinsam können wir uns auf allen Ebenen unterstützen. Das ist eine Art von Kommunikation, die gut funktioniert. Hat ein Generationswechsel in der Ärzteschaft stattgefunden oder liegt es an Eurer guten Aufklärungsarbeit? Beides. Bei den meisten Ärzten ist diese Denke, sie seien die Götter in Weiß, vorbei. Das wird wahrscheinlich an einer neuen Generation von Ärzten liegen. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist überall ein Thema. Auch bei den Ärzten. Ist es nicht auch wirklich wichtig, dass Therapeuten eine gewisse Kommunikationsfähigkeit mitbringen? Wenn ich nur platt eine Mail schreibe oder anrufe, werde ich dann nicht gleich abgelehnt? Ja, natürlich. Wenn ich wiederholt in der Praxis anrufe und eine VO ändern lassen möchte, komme ich wahrscheinlich irgendwann auf eine rote Liste. Das gilt es zu verhindern. Ziel ist es, fünf Minuten Zeit für ein persönliches Gespräch zu ergattern. Dann wird kurz geplaudert, man macht dem Arzt das Angebot, dass er sich selbst nicht mehr mit den VO beschäftigen muss, weil wir seine Mitarbeiter beim Thema Verordnungsoptimierung fit machen. Das muss man einmal hinbekommen: ein freundliches Miteinander. Wie sieht es mit Therapieberichten aus? Werden diese häufiger angefordert, wenn man einen guten Draht zu den Ärzt:innen aufgebaut hat? Definitiv ja. In der Regel gibt es eine gute Feedbackkultur. Das hat sich generell im Laufe der letzten Jahre verändert. Früher hat es die Ärzte nicht interessiert, was wir taten, wie wir es taten, was wir uns wünschen oder was wir empfehlen. Das ist heute wirklich komplett anders. Heute rufen sogar die Patienten oder die Arztpraxen bei uns an und fragen: Wo bleibt der Therapiebericht? Wir hätten gerne ein Feedback. Wo bleibt die Empfehlung? Wo stehe ich als Arzt denn gerade in der Betreuung des Patienten? So oder so ist der Bedarf nach Therapieberichten deutlich angestiegen. Wie ist das Feedback von den Mitarbeiter:innen in der Arztpraxis? Freuen sie sich über neue Aufgaben oder schimpfen sie, dass sie nun noch mehr zu tun haben? Natürlich gab es mal die eine oder den anderen, die oder der davon nicht begeistert war. Das sind aber Ausnahmen. Die meisten freuen sich. Der Arzt fällt in dem Moment in die Rolle des Entscheiders. Die Gestaltung der VO obliegt dann der restlichen Mannschaft. Das findet das Team in der Regel spannend. Wie läuft dann so eine interne Schulung ab? Also wenn jetzt neue Mitarbeiter kommen, müssen sie dann erstmal zwei Wochen die Schulbank drücken? Wenn ein neuer Mitarbeiter kommt, werden von der Praxisleitung direkt feste Zeitblöcke in seinem Arbeitszeitkalender geblockt. Dort wird dann genau festgehalten, wer ihn wann zu was schult: Wie funktioniert die Praxissoftware? Was ist der Heilmittelkatalog (HMK)? Wie funktioniert er? Welche weiteren Regelungen gibt es? Wir legen neuen Kräften nicht einfach das Pamphlet vor die Nase und sagen: Lies mal. Wir geben Handgriffe und Kniffe mit auf den Weg, zeigen, wo sie Informationen finden können und wie man die wichtigen Infos im HMK selbst findet. Es ist eine Art Bootcamp. Dafür planen wir drei bis sechs Wochen ein, damit am Ende alle auf dem gleichen Stand sind. Und natürlich gibt es auch Ansprechpartner für weitere Fragen. Indem wir Mitarbeiter so intensiv schulen, lernen sie gleichzeitig auch, woher ihr Gehalt eigentlich kommt. Warum sind korrekt ausgefüllte und optimierte VO so wichtig? Was ist die Folge? Das alles kann man nur verstehen, wenn man die Regelungen und die Branche kennt. Diese Artikel gehören außerdem zum Themenschwerpunkt "Arztkommunikation": Themenschwerpunkt 10.2013: Arztkommunikation Fünf Gründe für eine regelmäßige Kommunikation mit Ärzten Arztkommunikation: Gute Vorbereitung ist die halbe Miete Wir müssen reden: Tipps für eine gelungene Kontaktaufnahme mit Ärzten