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Ergotherapeuten dürfen jetzt auch Umwege gehen

Glückwunsch an den Bundesverband für Ergotherpeut:innen Deutschland e.V. (bed), der jetzt den sektoralen Heilpraktiker für Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten über alle Instanzen hinweg rechtlich durchgesetzt hat.
Ergotherapeuten dürfen jetzt auch Umwege gehen
© Köpenicker - Fotolia.com

Damit dürfen Ergotherapeuten jetzt das, was Physiotherapeuten und Logopädinnen schon seit Jahren machen: Nach einer bestanden Prüfung beim Gesundheitsamt eigene Diagnostik (bezogen auf das eigene Berufsbild) betreiben und mit dieser rechtlichen Krücke den Direktzugang für Patient:innen in die eigene Praxis organisieren. Ein praktischer Service, aber eben nur für Patientinnen und Patienten, die bereit sind das selbst zu bezahlen.

Leider ist der sektorale Heilpraktiker eine rechtliche Krücke, die obendrein als in Teilen verfassungswidrig eingestuft wird. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls ein vom BMG in Auftrag gegebenes Gutachten, das 2021 auf der Homepage des BMG veröffentlicht worden ist. Im Gutachten wird kritisiert, dass es keine bundeseinheitliche Regelung für die formale Anerkennung des sektoralen Heilpraktikers gibt. In der Physiotherapie gibt es den sektoralen Heilpraktiker schon seit 2009. Und trotz aller Bemühungen zu einer Vereinheitlichung der Anerkennung gibt es heute noch von Bundesland zu Bundesland, manchmal auch von Amtsarzt zu Amtsarzt unterschiedliche Regelungen. Wie schon gesagt, das ganze Verfahren ist eine rechtliche Krücke, die jetzt auch noch auf die Ergotherapie zukommt. Ob das was bringt?

Bei den Physios kostet eine Fortbildung zum sektoralen Heilpraktiker nicht ganz 800 Euro, zzgl. Kosten beim Gesundheitsamt. Dagegen steht die Einnahmenseite mit Selbstzahlerleistungen, die jede Praxis selbst kalkulieren kann. Alle Erfahrung zeigt, dass sich die meisten Praxen ziemlich schwer damit tun, wesentlich höhere Selbstzahlerpreise durchzusetzen. Und aktuell sind freie Behandlungstermine Mangelware, da dürfte es gerade Ergotherapiepraxen widerstreben, GKV-Patienten abzulehnen, um Platz für Selbstzahler zu schaffen. Oder wie seht ihr das?

Die anstehende Reform der Heilmittelberufe soll dieses rechtliche Problem lösen, indem die fachlichen Grundlagen für den Direktzugang in die Berufsausbildung integriert werden. Dann können Therapeutinnen und Therapeuten den Direktzugang ohne den Umweg über den sektoralen HP anbieten. Reicht es darauf zu warten? Schreibt mir gern Eure Meinung dazu an ralf.buchner@buchner.de

Übrigens, ab 1. Januar 2024 zahlen die Berufsgenossenschaften mehr für Ergotherapie. Leistungen, für die es ein GKV-Pendant gibt, werden dann mit 7,6 Prozent mehr vergütet. Die Preise für die übrigen Leistungen steigen um 4,22 Prozent, was der Steigerung der Grundlohnsumme entspricht.

Mein Highlight der Woche kommt heute von der Kassenärztlich Bundesvereinigung, deren Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner die Themen Bürokratieabbau und Wirtschaftlichkeitsprüfungen ganz geschickt verknüpft. Das vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegte Eckpunktepapier zum Bürokratieabbau enthält bundesweite Bagatellgrenzen, die nach dem Wunsch der KBV aber noch deutlich höher ausfallen sollen, als bisher regional vereinbart. Immerhin wird deutlich, dass die aktuellen Wirtschaftlichkeitsprüfungen purer Formalismus und der Sieg der Bürokratie über die medizinisch/therapeutischen Inhalte sind. Ein guter Grund, diese Form der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf keinen Fall auf die Heilmittelpraxen zu übertragen, die irgendwann einmal Blankoverordnungen und Direktzugang anwenden.

Am kommenden Wochenende ist nicht nur der erste Advent, der 3. Dezember ist auch Tag der Barrierefreiheit. Das haben wir uns zum Anlass genommen, uns in der aktuellen up etwas genauer mit diesem Thema zu befassen. Wir stellen Euch die gesetzlichen Grundlagen vor und zeigen, dass Barrierefreiheit viel mehr bedeutet als “nur” rollstuhlgerecht. Es gibt viele Möglichkeiten, wie Ihr durch kleine Veränderungen Barrieren in Eurer Praxis abbauen könnt – für die Patientinnen und Patienten, aber auch für potenzielle neue Mitarbeiter:innen. Passend dazu mein Hörtipp: Im up-podcast “Barrierefreie Praxis” erzählt Christin Dickmann von ihrem Werdegang und wie sie ihren Praxisalltag als blinde Physiotherapeutin managt. Ihre Praxischefin Sonja Bohlen berichtet aus ihrer Perspektive.

Ich werde mir an diesem Wochenende bei klirrender Kälte einen heißen Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt gönnen. Ihr auch?

Bis nächste Woche

Euer Ralf Buchner

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