Selbstverwaltung im Kontext der GKV: Heilmittelerbringer gehören in den G-BA

Die Organisation des Gesundheitswesens in Deutschland unterscheidet sich von dem in anderen Ländern durch ein besonderes Prinzip: die Selbstverwaltung. Während in anderen Ländern staatliche Behörden die gesundheitliche Versorgung regeln, organisieren sich die Träger des Gesundheitswesens in Deutschland selbst. Der Staat gibt – mal mehr mal weniger – die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür vor. Oberstes Beschlussgremium der Selbstverwaltung ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Hier wird entschieden, für welche Leistungen die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) die Kosten übernimmt. Der Unterschied zwischen gesetzlichen Rahmenbedingungen und den Aufgaben der Selbstverwaltung lässt sich am Beispiel der Heilmittelbranche ganz einfach zeigen: Als Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber mit GKV-Patient:innen kennt Ihr das Fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V) nur zu gut. Hier ist mehr oder weniger alles rund um die gesetzliche Krankenversicherung geregelt – auch die Heilmittelversorgung. Änderungen im SGB V werden per Gesetz durch den Bundestag beschlossen. Damit gibt der Staat durch das SGB V einen Rahmen für die Heilmittelversorgung von GKV-Patient:innen vor. Die Körperschaften der Selbstverwaltung definieren nun die weitere Umsetzung dieser Vorgaben und legen die Inhalte fest. Heilmittel-Richtlinie ist Aufgabe der Selbstverwaltung § 32 des SGB V legt fest, dass Versicherte einen Anspruch auf Heilmittelversorgung haben. Wie das genau aussieht, entscheidet die Selbstverwaltung, also der G-BA. Er kommt dieser Aufgabe nach, indem er Richtlinien beschließt, die sowohl für Kostenträger als auch Leistungserbringer bindend sind. Eine dieser Richtlinien ist die Heilmittel-Richtlinie inklusive Heilmittelkatalog. Der G-BA legt also fest, welche Heilmittelbehandlungen Ärzt:innen verordnen, Therapeut:innen erbringen und Patient:innen auf Kosten der GKV erhalten können. Eigentlich eine gute Sache, wenn der Staat nicht alles selbst regelt, sondern die Ausgestaltung den Betroffenen überlässt. Da gibt es nur einen Haken: Im G-BA sind gar keine Heilmittelerbringer:innen vertreten. Im G-BA sitzen auf Seite der Leistungserbringenden Vertreter:innen der Ärzte- und Zahnärzteschaft (KBV und KZBV) und der Krankenhäuser (DKG), auf Seite der Kostenträger der GKV-Spitzenverband als Vertreter der Krankenkassen und als Patientenvertreter:innen der Deutsche Behindertenrat (DBR), die BundesArbeitsGemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP), die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen und die Verbraucherzentrale Bundesverband. G-BA entscheidet über, aber nicht mit Therapeuten Trifft der G-BA also eine Entscheidung über die Heilmittel-Richtlinie, sind daran Vertreter:innen der Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen und (beratend) Patient:innen beteiligt. Sie entscheiden über das, was den Arbeitsalltag in der Praxis und die Heilmittelversorgung der Versicherten bestimmt. Die Heilmittelverbände sind lediglich zur Stellungnahme berechtigt oder können als Sachverständige herangezogen werden. Aus eigenem Antrieb können die Vertreter:innen der Heilmittelerbringer kaum etwas in den Entscheidungsprozess einbringen. Wer könnte für die Heilmittelerbringer im G-BA sitzen? Natürlich wäre es sehr sinnvoll, wenn Heilmittelerbringerinnen und -erbringer in einem Entscheidungsgremium sitzen würden, dass unmittelbaren Einfluss auf ihre tägliche Arbeit hat. Warum stellen wir also nicht einfach einen Stuhl mehr an den Tisch, sprich, geben den Heilmittelerbringern auch einen Sitz und eine Stimme im G-BA? Mal angenommen, das ließe sich so einfach umsetzen, wer sollte dann darauf sitzen? Wer vertritt die Interessen der Heilmittelerbringer:innen? Ja, die Verbände, und der Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV) würde sicher gern einen solchen Sitz für sich beanspruchen. Aber der SHV ist weit davon entfernt alle, oder auch nur eine Mehrheit aller Heilmittelerbringer:innen als Mitglieder zu haben. Damit stellt sich die Frage nach der demokratischen Legitimation. Bevor ein Sitz im G-BA für Therapeut:innen also überhaupt demokratisch legitimiert gefüllt werden könnte, müsste es eine Körperschaft der Selbstverwaltung für Therapeut:innen geben. Noch ist eine solche zentrale berufsständische Vertretung für die Heilmittelberufe nicht in Sicht. Das sieht bei der Pflege anders aus. Eckpunktepapier: Pflege steht in den Startlöchern Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach möchte die Pflegeberufe aufwerten und hat dazu vor einigen Wochen ein Eckpunktepapier vorgelegt. Unter anderem geht es darin darum, dass Pflegekräfte Hilfs- und Arzneimittel verordnen dürfen sollen und die Anpassung des Berufs an internationale Standards. Der 10. Punkt befasst sich mit dem Thema Selbstverwaltung: „Wir etablieren eine zentrale berufsständische Vertretung der Profession Pflege auf Bundesebene und statten sie mit Befugnissen zur Weiterentwicklung des Berufsverständnisses und der Berufsrollen mit Empfehlungscharakter (z. B. Muster-Berufsordnung, Muster-Scope of Practice, Muster-Weiterbildungsordnung) aus. Darüber hinaus prüfen wir geeignete Beteiligungsrechte bei Prozessen, die berufsständische und pflegerische Fachfragen auf Bundesebene betreffen, z. B. die Entwicklung pflegerischer und interprofessioneller Leitlinien und Versorgungspfade sowie strukturierter Behandlungsprotokolle.“ Damit würde die Pflege das erhalten, was auch die Heilmittelberufe dringend brauchen, eine Art der Selbstverwaltung auf Bundesebene und darüber hinaus auch Beteiligungsrechte bei Prozessen, die eigene Belange auf Bundesebene betreffen. Das Beispiel Pflege zeigt also, dass Veränderungen möglich sind. Das macht Hoffnung und sollte uns anspornen, auch für die Heilmittelberufe für eine solche Aufwertung zu kämpfen. Ganz konkret: Eine Selbstverwaltung würde für Therapeutinnen und Therapeuten viele Vorteile mit sich bringen und ist ganz eng mit der weiteren Entwicklung der Berufe verknüpft. Akademisierung und Direktzugang sind ohne Selbstverwaltung gar nicht denkbar. Sollen sich akademisierte Therapeutinnen weiter von Ärzten vor- bzw. verschreiben lassen, wen sie wie oft, womit, wie lange behandeln? Nein, also ist der Direktzugang die logische Folge. Aber eine Profession mit Direktzugang muss doch über die eigenen Belange selbst entscheiden dürfen. Mehr dazu im folgenden Interview. Hintergrund: So funktioniert der G-BA Seine Entscheidungen trifft der G-BA, indem er Beschlüsse im Plenum fasst. Es besteht aus insgesamt 13 stimmberechtigten Mitgliedern. Das sind die drei unparteiischen Mitglieder, fünf Vertreter der GKV sowie fünf Vertreter der Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer. Zusätzlich sitzen noch Patientenvertreter:innen im Plenum. Sie haben eine beratende Funktion und können Anträge stellen, sind aber nicht stimmberechtigt. Zusätzlich zum Plenum gibt es im G-BA insgesamt neun Unterausschüsse. Sie befassen sich mit verschiedenen Bereichen wie „Arzneimittel“, „Bedarfsplanung“ und „Zahnärztliche Behandlung“. Mit den Belangen der Heilmittelbranche befasst sich der Unterausschuss „Veranlasste Leistungen“. Jeder Ausschuss besteht aus einer/einem unparteiischen Vorsitzenden, sechs Vertreter:innen für die Leistungserbringerseite sowie weiteren sechs für die Seite der Kostenträger (GKV). Patientenvertreter:innen nehmen ebenfalls mitberatend teil. Die Sitzungen der Unterausschüsse sind nicht öffentlich. Sie fassen das Ergebnis ihrer Beratungen als Beschlussempfehlung an das Plenum zusammen.