10 Gründe, warum nur eine Vollakademisierung die Therapieberufe zukunftsfähig macht

Die Ausbildung in den Therapieberufen muss reformiert werden. Darin sind sich alle Beteiligten einig – auch die Politik. Allerdings plant Bundesgesundheitsminister Lauterbach nur eine Teilakademisierung. Warum das nicht reicht, um den Beruf und die ambulante Patientenversorgung zukunftsfähig zu machen, zeigen die folgenden zehn Argumente: 1. Vollakademisierung schafft die Voraussetzungen dafür, dass der Direktzugang endlich kommen kann: Schweden, Finnland, Großbritannien, die Niederlande, Australien, Neuseeland, die USA, ... - in diesen und vielen weiteren Ländern ist der Direktzugang längst selbstverständlich. Was haben diese Staaten außerdem gemein? Die Ausbildung der Therapeut:innen findet an einer Hochschule statt. Auch in Deutschland ist der Direktzugang ein Ziel, dass sich allerdings ohne eine akademische Ausbildung nicht umsetzen lassen wird. Schließlich bedarf es hierfür auch Fachwissen und Qualifikationen, etwa im Bereich der Diagnostik, die bisher nicht zum Inhalt der Ausbildung gehören. 2. Vollakademisierung verbessert die Qualität der Patientenversorgung: Patientinnen und Patienten profitieren davon, wenn Therapeut:innen durch den Direktzugang selbst die Entscheidungshoheit über die Behandlung haben. Wenn sie bei ihren Entscheidungen nicht länger auf die Zustimmung der verordnenden Ärzt:innen angewiesen sind, können sie ganz anders auf Veränderungen bei ihren Patientinnen und Patienten reagieren. Sie könnten die Behandlungsdauer, den Zeitrahmen, die Behandlungsmethode usw. flexibel auf die Bedürfnisse der Patienten anpassen und so direkt auf Veränderungen reagieren. 3. Vollakademisierung federt die Folgen des demografischen Wandels ab: Wirft man einen Blick auf die Altersentwicklung bei den verordnenden Ärztinnen und Ärzten wird schnell klar, dass sich der Ärztemangel in Zukunft weiter verschärfen wird. Das bedeutet, Wartezeiten auf Facharzttermine und die Schlange beim Hausarzt werden noch länger. Der demografische Wandel bei den Patient:innen verschärft das Problem zusätzlich. Eine Vollakademisierung sorgt dafür, dass in Zukunft mehr Therapeutinnen und Therapeuten den Direktzugang erhalten und Patient:in- nen ohne ärztliche Verordnung behandeln können. 4. Vollakademisierung sorgt endlich für mehr Therapieforschung: Findet die therapeutische Ausbildung an den Hochschulen statt, sorgt das gleichzeitig für mehr Therapieforschung. Diese ist wichtig, um die Wirksamkeit von Therapie empirisch zu belegen und Behandlungsmethoden weiterzuentwickeln. Nur wenn wir die Wirksamkeit von Therapie empirisch belegen, können wir im Wettbewerb um die knappen Ressourcen des Gesundheitswesens bestehen. 5. Vollakademisierung unterstützt evidenz-basiertes Arbeiten in den Praxen: Durch eine hochschulische Ausbildung werden angehende Therapeut:innen mit dem wissenschaftlichen Arbeiten vertraut gemacht. Sie lernen, evidenzbasiert zu arbeiten und verstehen die wissenschaftlichen Grundlagen, die der Forschung zugrunde liegen. So wird es leichter, sie später auch in der Praxis zur Mitarbeit an wissenschaftlichen Studien zu bewegen. Die Praxen sind so darauf vorbereitet, Daten aus dem Versorgungsalltag zu erheben, die dann wissenschaftlich ausgewertet werden können. Diese wiederum fließen zurück in den Behandlungsalltag, indem sie Evidenz dafür liefern, welche Behandlung wie wirkt. 6. Vollakademisierung sorgt für mehr wissenschaftlichen Nachwuchs: Therapeutinnen und Therapeuten, die in ihrer Ausbildung auch das wissenschaftliche Arbeiten lernen, können später selbst in der Therapieforschung arbeiten, eigene Fragestellungen finden und das berufsspezifische Wissen weiterentwickeln. Fehlt dieser Nachwuchs, wirkt sich das negativ auf die Weiterentwicklung der Berufe aus. 7. Vollakademisierung spart Kosten: Heilmitteltherapie wirkt, das ist bekannt, aber zu wenig belegt. Durch die Evidenz, die Therapieforschung hervor- bringt, ließe sich belegen, wie durch Heilmitteltherapie beispielsweise Operationen vermieden, Pflegebedürftigkeit hinausgezögert und die Arbeitsfähigkeit schneller wiederhergestellt werden kann. All das trägt nicht nur zu einer besseren Patientenversorgung, sondern auch zur Kostenersparnis im Gesundheitswesen bei. 8. Vollakademisierung fördert von Anfang an die interdisziplinäre Zusammenarbeit: Eine hochschulische Ausbildung bringt Therapeutinnen und Therapeuten auch formal auf Augenhöhe mit anderen Gesundheitsberufen, etwa den Ärzt:innen. Der interprofessionelle Austausch und die Zusammenarbeit können damit unter ganz anderen Voraussetzungen stattfinden, als dies derzeit noch häufig der Fall ist. Außerdem sorgt eine hochschulische Ausbildung dafür, dass Therapeutinnen und Therapeuten Zugang zu wissenschaftlichen Netzwerken erhalten. 9. Vollakademisierung lässt die Therapiebranche im nationalen und internationalen Vergleich bestehen: Die Hebammenausbildung findet mittlerweile an den Hochschulen statt. Für die Pflege werden entsprechende Studienprogramme entwickelt. Wenn sich die Heilmittelbranche im Gesundheitsbereich nicht in Zukunft auf dem Abstellgleis wiederfinden möchte, darf sie sich vor dieser Entwicklung nicht verschließen. Und nicht nur auf nationaler Ebene droht die Heilmittelbranche ohne Vollakademisierung den Anschluss zu verlieren. Gerade im internationalen Vergleich sieht es so aus, dass die Therapeutenausbildung in vielen Ländern weltweit längst akademisiert wurde. Der Beruf entwickelt sich damit in eine Richtung weiter, die andere Qualifizierungen voraussetzt, aber auch andere Möglichkeiten bietet. Ohne akademische Programme, die die Forschung und die Weiterentwicklung der therapeutischen Berufe fördern, läuft Deutschland der Entwicklung in anderen Ländern zunehmend hinterher. 10. Vollakademisierung ermöglicht den internationalen Austausch: Eine hochschulische Ausbildung unterstützt den internationalen Austausch, sei es durch Auslandssemester während des Studiums, Forschungskooperationen oder die Möglichkeit nach der Ausbildung auch für einige Zeit im Ausland zu arbeiten. Therapeutinnen und Therapeuten lernen so neue Methoden, Ideen und Konzepte kennen. Ohne eine akademische Ausbildung ist diese internationale Mobilität erschwert bis gar nicht möglich.