Im Gespräch:
Logopädin, Atemtherapeutin, Praxisinhaberin in Landsberg am Lech
Immer öfter landen Patienten, die unter Long- oder Post-COVID-Symptomen leiden, in Heilmittelpraxen. Das betrifft auch die Logopädie – etwa, wenn beim Patienten eine funktionelle Atemstörung festgestellt wurde. Irene Labryga ist Atemtherapeutin. In dieser Folge von up_doppelbehandlung berichtet sie, mit welchen Therapiemethoden sie Patienten unterstützt und wie sie Therapeuten und Ärzte anleitet.
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Inhalt dieser Podcastausgabe:
up-Herausgeber Ralf Buchner spricht mit der Atemtherapeutin Irene Labryga
(up_doppelbehandlung-Episode vom 22.06.22)
Immer öfter landen Patienten, die unter Long- oder Post-COVID-Symptomen leiden, in ambulanten Heilmittelpraxen. Etwa kann es vorkommen, dass ein Patient unter unerklärlicher Kurzatmigkeit leidet – der Arzt aber keine organische Ursache feststellen kann. Mit einer Verordnung bei funktioneller Atemstörung kommt der Patient dann zum Beispiel zur Atemtherapie. Irene Labryga ist Logopädin. Nach ihrer Ausbildung zur Logopädin hat sie eine fünfjährige Ausbildung zur Atemtherapeutin angehängt und arbeitet schwerpunktmäßig in diesem Bereich. Zudem bildet sie Therapeuten und Ärzte für den Umgang mit Long- und Post-COVID-Patienten aus.
Irene, welche Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit Post- und Long-COVID gibt es?
Derzeit sagt man, dass Long-COVID vier Wochen nach der Akutinfektion beginnt und Post-COVID nach zwölf Wochen. Es gibt auch den Begriff des PCC, des Post Covid Syndrom Chronical Syndrom, auf den sich der DBL geeinigt hat.
Es gibt auch Leute, die behaupten, so was wie Long- oder Post-COVID gibt es gar nicht…
Doch, selbst im kleinen Landsberg am Lech sehen wir relativ häufig Patienten mit Long-/Post-COVID-Syndrom. Ich habe hier eine Praxis mit Logo- und Ergo- und Atemtherapie, und wir haben viele Betroffene – darunter auch Patienten, die seit über einem Jahr zu uns kommen.
Du beschäftigst Dich schon lange damit, wie man Long-COVID-Patienten gut behandeln kann und hast dafür ein eigenes Konzept entwickelt.
Ja, ich bilde Logo-, Ergo-, Physiotherapeuten und Ärzte zum Thema aus. Wir haben festgestellt, dass wir die Fatigue mit in unseren Therapieansatz einbeziehen müssen, da es keine pulmonale, sondern eine multisystemische Erkrankung ist. Außerdem, dass wir noch zentraler an der Wahrnehmung und am Atemzentrum (Hirnstamm) arbeiten und da sehr sanft herangehen müssen. Anfangs haben wir sehr fordernd mit den Patienten gearbeitet. Aber wir haben festgestellt, dass das dem Patienten in der Regel nicht guttut.
Unser Ansatz heißt „Angewandte Atemtherapie“. Wir verwenden verschiedene atemtherapeutische Ansätze, bei Long-/Post-COVID-Patienten vor allem den nach Professor Middendorf. Dabei geht es viel um bewusstes Atmen, um sanfte Griffe, sanfte Dehnungsgriffe am Atemrhythmus orientiert, die den Patienten dabei unterstützen, wieder besser und tiefer atmen zu können und sich selber zu spüren.
Das braucht man für das Pacing bei Long-COVID: die eigene Grenzen kennen/, ich spüren – da ist der Middendorf-Ansatz sehr gut geeignet und hilft den Patienten sehr.
Heißt, das was ich als Physiotherapeut oder Logopäde zu Atemtherapie lerne, das setzt Ihr voraus und setzt etwas „on top“?
Ja, da muss man schon noch viele Griffe und Übungen dazu lernen, das ist deutlich umfassender als das, was zumindest ich in meiner Ausbildung gelernt habe.
Mit was für Symptomen kommen Long-COVID-Patienten in der Praxis an?
Viele berichten von Fatigue-Symptomen, es sind wohl auch bis zu zwei Drittel der Patienten davon betroffen (bei uns in der Praxis eigentlich alle Patienten). Da müssen wir sehr im therapeutischen Alltag drauf eingehen, etwa bei der Uhrzeit: Den späten Nachmittag schaffen schon viele Patienten nicht mehr, die kommen lieber morgens, wenn sie sich fitter fühlen. Weitere Symptome sind diese Luftnot, die mit Schmerzen in der Brustregion einhergeht, zum Teil nachts keine Luft bekommen.
Wann ist der Moment, ab wann die Therapie für Patienten relevant wird, weil man mit klassischer Intervention nicht weiterkommt?
Die Patienten werden uns von den Ärzten geschickt. Klassischer Weise kommt der Pneumologe nicht weiter, weil die Lungenfunktion wunderbar ist (nicht pulmonal). Er kann organisch nichts feststellen, aber die Patienten leiden dennoch sehr unter dieser Atemnot. Hat (nach aktuellem Stand) wohl mit Muskelschwäche/Durchblutungsproblematik zu tun und wahrscheinlich auch mit einem beeinträchtigten autonomen Nervensystem. Dann spricht der Arzt von einer funktionellen Atemstörung und schickt die Patienten zu uns.
Was kann man dann therapeutisch machen?
Wir arbeiten mit mehreren Tools, machen Übungen, in denen der Patient ein Bewusstsein für seine Atmung entwickelt und Möglichkeiten an die Hand bekommt – etwa über Muskeldehnungen – um die Atmung zu vertiefen. Das ist auch wichtig fürs Pacing: Schärfung der Wahrnehmung und der eigenen Grenzen. Außerdem bekommt der Patient etwas an die Hand, was er im Alltag umsetzen kann, wenn er merkt, jetzt wird die Atmung immer flacher. Das ist ja auch mit Nervosität verbunden. Unsere Patienten sind sehr dankbar, darauf Einfluss nehmen zu können.
Vergleichbar mit Asthma-Patienten?
Durchaus, ja. Das andere sind Griffe auf einer Behandlungsliege, Dehnungen. Meine eine Patientin sagt immer, sie fühlt sich wie so ein Pizzateig: Nach der Behandlung fühlt sie sich auseinandergedehnt und das hält dann über mehrere Tage an, an denen sie sich deutlich fitter fühlt und viel besser atmen kann. Der Effekt nimmt dann aber leider wieder ab, weil wir ursächlich nichts ändern können. Aber wir können den Zustand verbessern.
Kannst du auch Patienten als geheilt entlassen?
Ja, das sind eher Patienten, die intensiv-medizinisch betreut wurden, also beatmet und dann noch länger mit den Folgen der Beatmung zu tun haben – die können relativ bald häufig entlassen werden. Bei den Long-/Post-COVID-Patienten ist es unterschiedlich, weil die Erkrankung individuell lang andauert. Es gibt alle Abstufungen.
Du hast ein Curriculum zusammengestellt, da kommen Ärzte, Logopäden, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten zur Schulung. Lohnt das? Kriege ich eine Ausbildung so schnell hin, dass ich mit den Patienten, die jetzt vor der Tür stehen, noch irgendwann arbeiten kann?
Ja. Wir haben sechs Module, das sind ungefähr hundert Stunden. Und die Therapeuten können schon nach einigen Stunden, etwa acht Stunden, direkt anfangen, die Übungen und Griffe in ihrem Arbeitsalltag einzusetzen. Wir haben zwei größere Ausbildungsgruppen abgeschlossen. Es gibt tolle Rückmeldungen, es funktioniert sehr gut.
Ist das vor Ort oder geht das online?
Die Ausbildung läuft als Hybrid-Veranstaltung. Der große Teil kommt zu einem intensiven Trainingstag nach Landsberg und macht den Rest online. Manche kommen noch zu einer Supervision vorbei.
Gibt es so viel zu lernen, was man da lernen kann? 100 Stunden?
Das ist eine Berufsausbildung, die Ausbildung zum Atemtherapeuten. Sie wird nur in Deutschland nicht staatlich anerkannt. Wir machen das als Heilmittelerbringer „on top“, aber eigentlich ist es eine eigene Berufsausbildung.
Wenn Ärzte Long COVID verordnen, läuft das bei den Physiotherpeuten und Ergotherapeuten extrabudgetär. Bei Logopädie nicht, lustigerweise…
Ja, und dabei geht es ja nicht nur um die Atemtherapie. Über 50 Prozent der Patienten haben Riech- und Schmeckstörungen, auch die werden von Logopäden behandelt. Patienten brauchen Stimm- und Schlucktherapie. Wir sind wir da so ein wichtiger Teil einer interprofessionellen Versorgung.
Wie erreicht man Dich bei Fragen und Interesse an der Fortbildung?
Am besten per Email unter info@praxis-labryga.de oder über die Homepage www.atem-ausbildung.de .
Vielen Dank!
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